Dienstag, 16. Januar 2018

"Lieb mich Namibia"- 1. Kapitel

       Erstveröffentlichung von Irmhild Ehrenberg


              

 

      

 

 

 

 

 

 

 

 

               

 

 

 

                                     Inhaltsverzeichnis

             1. Erst geküsst und dann geliebt

             2. Glück will erobert werden

             3. Im Königreich der Elefanten

             4. Ovambo-und Etoshafaszinationen

              5. Rüsselflirt und Nashornliebe

              6. Jeder Begegnung wohnte ein  Zauber inne

                 

  
                                                               
                                                                   


                                       „Lieb mich Namibia“

1. Erst geküsst und dann geliebt 
Es war ein wunderschöner Sommertag, mitten im September. Die Sonne brannte auf meiner Haut, die Luft war klirrend heiß, das Thermometer war auf fast unglaubliche 34° Celsius hoch geschnellt. „Afrikaklima!“, schoss es aus mir heraus.
Im Hafencafè sitzend, streichelte eine frische Brise meine leicht gerötete Nasenspitze, das Gesicht saugte die Sonnenstrahlen auf und ein lauer Wind trug meine Gedanken in das Reich der Träume, die auf einem magischen Kontinent strandeten, der im Takt der ganzen Welt pulsierte und nicht nur mit tierisch großen Abenteuern lockte, sondern auch von wundervollen Menschen besiedelt war.
Ich hatte das Regenbogennamibia auf meiner letzten großen Urlaubsreise geküsst und mich küssen lassen. Entflammt von diesem außerordentlichen Land und unvergesslichen Erlebnissen, kamen große Sehnsüchte auf. In meinem Herzen spürte ich noch immer die Wärme und Herzlichkeit von Rosi, Hanna, Mia und ihren Familien. Gigantische Safari-Highlights begannen vor meinen Augen zu tanzen und plötzlich spannte sich der afrikanische Himmel so gewaltig weit und leuchtend blau über meine Erinnerungen.
Von Afrika hatte ich einst geträumt und im November letzten Jahres ein Namibiamärchen erlebt, das mein Dasein mächtig durcheinander gewirbelt hatte. Am meisten brannten die Küsse eines Carl Salomons aus Swakopmund noch wie Feuer auf meinen Lippen, obwohl ich hier in Hamburg mindestens 16 000 km von ihm entfernt relaxte.
Die Gedanken reihten sich wie Perlen eng aneinander. Das Friseurinnengenie Rosemarie Ohle und die Immobilienmaklerin Hanna Nels hatte ich auf einer Südafrikakreuzfahrt kennen gelernt. Wir fanden uns damals auf der „Westerdam“ rasch zu einem amüsanten Vergnügungsteam zusammen. Die Chemie stimmte vom ersten Tag an. Gemeinsam staunten wir über die Bordangebote, entdeckten fast täglich etwas Neues, hatten unendlich viele Glücksmomente und frönten dem Kartenspiel. Unvergesslich, diese grogartige Tour! Seither blieben wir in freundschaftlichen Kontakten.
Carl fiel eigentlich wie eine Sternschnuppe in meine Welt, so nach dem Schicksalsprinzip. Wir hatten zusammen in Deutschland die Schulbank gedrückt und erst vor meiner Reise beim Klassentreffen in Hamburg die wahre Bekanntschaft gemacht. Ihn und meine Afrikafreundin Hanna verband der Lionsclub in Swakop. Somit wurde die Perlenkette immer länger und das Glück öffnete mir neue Türen.
„Unser Dasein ist einzigartig lebenswert, auch wenn man im reiferen Alter angekommen ist!“. Mit dieser Feststellung begann ich die Weichen neu zu stellen. Eigentlich könnte ich mit meinem Standard zufrieden sein, besaß ein eigenes Haus, eine kleine, gut laufende Firma und hatte zwei tolle Söhne.
„Du bist ein zäher Dynamo, regierst eine Männerwelt und wirst als tüchtige Geschäftsfrau respektiert.“, bemerkte Tim einmal.
Aber all das bedeutete für eine Frau nicht die höchste Form des Glücks. Ich war Witwe, verweilte oft einsam in meinen luxuriösen vier Wänden, hatte Angst vor langen Winterabenden und vermisste eine starke Schulter zum Anlehnen. Keiner war da, der mir die Wünsche von den Augen ablas oder eine Kuscheldecke überwarf, wenn mir kalt war. Diese Leere ließ die Seele ab und an schwanken.
Jim, mein Börsenspekulant, kam äußerst selten zu Besuch. Für ihn standen die Karriere im Vordergrund und die Finanzwelt im Mittelpunkt. Meine Seelenapotheke war Kay. Wenn ich ihn brauchte, war er zur Stelle. Sein Studio lag in meinem Wohnbezirk. Dieser Umstand schaffte Nähe, denn er glich seinem Vater sehr. Unser Jüngster besaß ein ebenso ausdrucksstarkes Gesicht mit Forscherblick und einem Strahl von Besonnenheit wie mein Wolfgang. Sein wildes Herz vereinte Romantik und Aufbegehren, Mensch, Natur und Kunst. Er liebte es, an warmen Abenden draußen zu sitzen, das Spiel des Sonnenuntergangs zu bestaunen, zu träumen und zu reden.
Als er mich letzte Woche mit einer Flasche Mumm überraschte, offenbarte ich ihm meine Gefühlswelt. „Weißt du Kay, ich vermisse deinen Papa sehr. Schmerzen vergehen, Erinnerungen bleiben! Aber es war ein wahnsinniger Zufall, Carl begegnet zu sein. Er hat mich aufgefangen und nach dem Unfalltod seiner Frau ähnlich empfunden. Irgendwie fühlten wir uns schicksalsverbunden. Mit ihm kann man Gespräche über das Gestern, Heute, Morgen, Gott und die Welt führen. In seiner Nähe spüre ich Geborgenheit, fühle mich beschützt und als Frau wieder begehrt. So kamen wir uns auch körperlich näher. Ich entdeckte die Gefühle des Verliebt-Seins neu und habe mit ihm Zukunftspläne. Verstehst du das?“
„Mama, ich glaube, ich weiß, was du mir sagen willst. Es gibt einen neuen Partner in deinem Leben, der dir sehr viel bedeutet. Für die Liebe ist es in keinem Alter zu spät.“
„Aber für uns beide momentan wenig praktikabel, unsere Welten sind gegensätzlich, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint.“
„Glücklichsein ist von der Fähigkeit abhängig, mit den Lebensumständen zurechtzukommen!“, entgegnete er.
„Nun stehe ich vor einer Herausforderung, der meine Lebensmaxime nicht zum Opfer fallen dürfen.“ „Und die lauten da?“
„Sei du selbst! Kämpfe für alles Gute! Gib niemals die eigene Familie auf!“
„Starke Frauen meistern ihren Herzensweg! In diesem Sinne gute Nacht liebe Ma, ich bin in Reichweite, wenn du Hilfe brauchst!“ Diese wohltuenden und befreienden Worte haben mich entspannt einschlafen lassen.
In dieser Nacht malten sich meine Gedanken ein Bild von Carl Salomon. „Er ist ein zauberhafter Mensch, ein Ass für den zweiten Frühling. Er ist bereit, für dich die Sterne vom Himmel zu holen!“
Bei seiner Leuchtkraft hätte man glatt den Traumbildern glauben können. Doch die Realität war weitaus komplizierter. Wir tauschten täglich Informationen aus, skypten bei besonderen Anlässen oder griffen beim Aufflackern von Gefühlsnähe zum Telefon. Meine innere Stimme meldete sich: „Kannst du ihm in seine klugen Augen blicken? Fühlst du ihn? Berührst du seine sonnengebräunte Haut? Steigt sein männlicher Duft in deine Nase?“
Fazit: Nähe gab es nicht.
Da ich weder Flugzeug noch einen Pilotenschein besaß, waren die Bedenken vor Ort nicht abzuklären. Die Alarmglocken begannen zu läuten. Ich war bereit, im Regen zu tanzen.
Von Aufregung begleitet, wählte ich die Nummer an, die in meiner Datei an erster Stelle rangierte. Kein Stimmsignal! Das Besetztzeichen trommelte in den Ohren. „Er sitzt bestimmt in einer Lions-Veranstaltung!“, beruhigte ich mich.
Gegen sechs Uhr morgens ließ mich meine innere Uhr aufschrecken: „Wolltest du nicht nach Liebe schreien?“ „Nein, nur nach Annäherung!“, rechtfertigte ich mich. Wie in Trance ließ ich das Licht aufflackern und fingerte nach dem Handy. „Verdammt, viel zu früh für einen Weckruf. Carl ist doch Langschläfer!“, fluchte ich vor mich hin. Gerade wollte ich auflegen, als mich eine Frauenstimme ansäuselte. Sie klang so unverständlich und redete afrikan.
In Sekundenschnelle war ich hellwach, schreckte hoch und bäumte mich in meinem Wasserbett kraftvoll auf. „Großer Gott, was hat das denn zu bedeuten?“, fragte ich mich. „Das war doch nicht Carl, der da antwortete. Eindeutig Frauenstimme! Vielleicht eine Schlafgefährtin?“ Die Befürchtungen stolperten.
„Entschuldigung“, meldete ich mich mit leiser unsicherer Stimme. „Ist Herr Salomon zu sprechen?“ „Wer du, was wollen?“ Fast sprachlos stammelte mein Ich: „Falsch verbunden!“ Ob sein Betthupfer das verstanden hatte oder nicht, war mir schnuppe. Augenblicklich kniff ich meine Augen ganz fest zusammen, um die Tränen zu stoppen. Ein tiefer Seufzer ließ den Körper erbeben. „Aus der Traum vom Männerglück!“, hörte ich das Wimmern. Total durch den Wind, stolperte ich ins Bad. Dort schaufelte ich mir mit zitternden Händen das eiskalte Wasser ins Gesicht, um Gegenwart zu spüren. Mein Spiegelbild zerriss zu einer Fratze der Enttäuschung. „Belogen, betrogen!“, schrie es aus mir heraus.
Beim Kaffeetrinken rang ich nach Frischluft und merkte, wie das dampfende Getränk die Erregung besänftigte. Das bittersüße Liebesbegehren zerplatzte. Meine Knie wurden weich und ich spürte den Herzschlag bis zum Hals pochen. Einsamkeit und Enttäuschung ummantelten mich. Vertrauen, Stolz und Ehre fühlten sich gedemütigt . Die Afrika-Träume zerfielen im Wüstensand. Wenn das Leben fair wäre, würde ich nicht erneut vor einem Abgrund stehen.
Ein sich wiederholender Türgesang half mir, in das Hier und Jetzt zurückzukehren. 7.00 Uhr morgens! Beim Bankersohn Jim trat gemächlich mit Dienstmiene in die Küche und hielt sich an einer Brötchentüte fest. „Guten Morgen beste Mama der Welt, ich möchte mit dir in den Tag starten, bin arbeits- und ziellos!“ „Wo kommst du her?“ ,nach Luft ringend versuchte ich mich zu beruhigen. „Ach setze dich, lass dir die frische Erdbeermarmelade auf der Zunge zergehen und dann beichte mal, was für ein Beben dich aus der Bahn geworfen hat! Ist wohl heute nicht unser Tag!“ Mit angespannten Gesichtern beäugte ein jeder sein Gegenüber und las ihm im Gesicht ab, dass Sorgen den Tag trübten. Endlich schickte ich mich an, das Schweigen und Schmatzen zu unterbrechen.
„Hat die Deutsche Bank in Berlin dicht gemacht? Sind euch die Skandale über den Kopf gewachsen?“ Mein Großer, der stets adrett und perfekt beanzugt war, saß mir ganz lässig in Jeans und T-Shirt vis-a-vis. Beim Kaffeenachgießen reichte ich ihm die Butterdose. „Iss noch, Butter und Honig sind gut für die Nerven! Schieß endlich los und erzähle, was passiert ist. Eine Mutter weiß, wann ihre Kinder unglücklich sind.“
Mein sonst so redegewandter und wortwitziger Tim hatte Mühe, Worte und Gedanken aneinanderzureihen. „Aus der Traum von der Wall-Street-Karriere. Ich habe meinen Job verloren! Verluste, Verkalkulationen, Spekulationen sowie das Zinstief erforderten Stellenabbau. Die Macher bleiben in den Chefsesseln kleben und die Kleinen werden vom Stuhl geschleudert.“ „Klingt nicht gerade zukunftsträchtig, ist aber keinesfalls eine lebensbedrohliche Krankheit. Du bist jung, energiegeladen und zielstrebig, gehe das Risiko der Veränderung ein. Vielleicht ist die Finanzkrise ein Wink des Schicksals. Habe den Mut, neue Wege zu beschreiten!“ „Was willst du mir damit sagen?“ „Weltuntergang war gestern, Zukunft winkt heute. Biete dir vorerst einen Speditionsjob an, später sehen wir weiter!“
„Wäre schon mal eine Verdienstmöglichkeit! Fangen wir klein an, jetzt chauffiere ich dich zum nächsten Termin. Schaust echt aus, als könntest du auch Entlastung gebrauchen!“
„Die Firma läuft, habe nur schlecht geschlafen.“ „Du bist ein Trostpflaster! Eine Frau mit deinen Qualitäten würde ich glatt vom Fleck weg heiraten.“ „Juwelen findet man nicht einfach auf der Straße. Diese wollen entdeckt und zutage gefördert werden.“
Stumm schritten wir gemeinsam in den Firmentrakt, der Arbeit entgegen. Robin stand bereits in der Bürotür: „Guten Morgen Chefin, grüß dich Tim, lange nicht gesehen.“ „Kann sich ändern!“
„Eine kleine Liefertour steht auf der Kippe. Siggi klagt über Magenkrämpfe und hat für heute abgesagt.“ Ohne lange zu überlegen, wechselte ich die Kleidung und hievte mich in den Truck. „Die Fracht muss doch von Hamburg nach Köln, das übernehme ich, werde es wohl noch schaffen! Mein Chefsessel gehört für heute dir!“, rief ich Tim beim Abfahren zu. Dann trat ich das Gaspedal durch und baute den Liebesfrust ab. Plötzlich ein Blitzgewitter! „Verdammt, bist in eine Radarfalle getappt!“, hörte ich mich fluchen.
Irrtum! Das Wetter hatte umgeschlagen und sich meiner Befindlichkeit angepasst. Der Himmel über mir zeichnete eine dramatische Wolkenbildung. Dunkle Fetzen postierten sich vor der Sonne und türmten sich schwarz auf. Blitze zuckten auf und ließen es tüchtig krachen. Die Angst vor dem Ungewissen ließ mich den nächsten Rastplatz ansteuern. Kaum nippte ich an der Kaffeetasse, schon drehte sich das Eifersuchtskarussell. „Hatte Carl eine Geliebte? Waren seine Gefühle mir gegenüber nur gespielt? Verpasste er keine Gelegenheit? War er ein Gigolo, ein Blender? Alles Lüge oder was?“
Mein Gewissen warf mir vor: „Du hast dich zu rasch bei ihm angelehnt! Hast ihm deine Liebe und deinen Körper zu schnell offenbart! Eine Beziehung muss wachsen! Liebe braucht Zeit!“
Der Himmel erhellte sich, mein Blick wurde wieder klarer, entschlossener. Der Vorsatz, Carl auf Eis zu legen, reifte in mir.
Namibia war nicht Carl, Namibia war ein Land voller Schönheit und Geheimnisse. Da gab es ja auch noch meine liebenswerten Freundinnen, mit denen ich für den nächsten November schon verlockende Reisepläne hatten. Mit dieser Vorfreude verwischte ich sämtliche Befürchtungen. Gelassen stellte ich den Truck auf dem Firmengelände ab und schaute noch fix im Büro vorbei. Jim saß in Chefpose am Schreibtisch. „Danke für deinen Einsatz. Hat alles funktioniert?“ Sein Nicken machte mich glücklich.
„Wo bist du eigentlich untergeschlüpft?“, wollte ich noch wissen. „Hotel fürs Erste. Brauche Ruhe und Bedenkzeit!“ „Na dann tschüss bis morgen!“
„Ab unter die Dusche, rein in einen Kuschellook und abschalten!“, befahl ich mir. Danach suchte ich Bequemlichkeit auf der Terrasse und entkorkte einen Spätburgunder vom Rhein.  Nach einem afrikanischen Tropfen stand mir momentan nicht der Sinn. Dazu genoss ich die Notfallpizza und so ganz allmählich fand ich wieder zu mir selbst zurück.
Das Licht der Abendsonne hatte dem Tagesausklang wieder einen hoffnungsvollen Schimmer verliehen. Meine Überlegungen galten Jim. Er hatte Abitur, Hochschulstudium, erste Joberfolge und war doch arbeitslos. So ähnlich erging es einigen in seinem Alter. Ich wäre überaus glücklich, wenn er den Einstieg in die „Baumann-Spedition“ als Perspektive in Betracht ziehen könnte. Schließlich musste meine Nachfolge angepeilt werden.
Bei Kay lief alles bestens. Er und sein Partner konnten nur mit Überstunden das Bedarfsprogramm der Piercing-Fans abdecken. Beiläufig hatte er mir auch zu verstehen gegeben, dass er in festen Händen sei. Klang hoffnungsvoll und ließ Omafreuden aufkommen. Zuversichtlich versank ich im Abendzauber der Sonne. Die Dämmerung legte sich über die Hansestadt und wurde von einem goldenen Schimmer durchbrochen. Aus einzelnen Geschäften flatterten die Leuchtreklamelichter und gaben dem Abend einen Glanz von Frieden und Harmonie.
Erst die Morgendämmerung riss mich aus der dösigen Versonnenheit. Das Tageshell in mein Schlafgemach und die Alltagssorgen brachen erneut auf. Carl hatte gestern mehrmals versucht, mich zu kontaktieren, aber vergebens. Mal überhörte ich das Klingelzeichen, mal ignorierte ich jegliche Benachrichtigungen. Letztendlich zog ich mich in mein Schneckenhaus zurück. Mir fehlte einfach der Mut, mich der Realität zu stellen. „Weichei!“, rügte ich mich.
Während ich „my muesli“ genoss und den heißen Mokka schlürfte, überfiel mich mein Sohn erneut. „Manchmal ist so ein Haustürschlüssel auch ein Schlüssel zum Herzen.“ „Ich denke mal, dir ist noch keine Perspektivlösung eingefallen.“ „Es geht um die eigene Existenz, da kann man nichts überstürzen. Meine Abfindung ist eingegangen, von der könnte ich schon ein paar Monate leben, aber ich brauche Beschäftigung, einen Tagesbefehl, eine Herausforderung! Vielleicht wären Auswandern, auf Weltreise gehen oder Abenteuerurlaub  auch ganz schön!“, scherzte er.
„Momentan könnte ich wirklich Entlastung gebrauchen. Auch bei mir hat sich ein Problem aufgetan, das ich regeln muss. Dazu benötige ich Zeit und einen klaren Kopf.“ In wenigen Worten informierte ich Jim über meine Beziehungskrise. „Liebe bringt Leid! Jetzt weißt du auch, warum ich noch ungebunden bin.“
„Für heute bräuchte ich einen Pistenreiter. Ist dein LKW-Führerschein noch gültig?“ „Natürlich! Viel PS unter der Haube zu haben, ist doch unser Familienfieber.“ „Na, dann kannst du ab sofort für Siggi das Lenkrad übernehmen. Auf geht’s, die Firma schreit nach unserer Schaffenskraft.“
Das Handy ruckelte und zuckelte in meiner Jackentasche. „Bleib stark, stur und unnachgiebig!“, befahl ich meinem Gewissen, während ich den Einschaltknopf drückte. Wichtige und unwichtige Benachrichtigungen und ein mehrfacher Anrufversuch von Carl waren zu lesen. Die Hand schnellte schon zum Display, um den Telefonhörer zu drücken, aber dann schaffte ich es doch, sie zurückzuziehen. Mein Herz schrie: „Ja!“, doch der Verstand sagte: „Nein!“
Eine Woche, vollgestopft mit Aufträgen, verging wie im Fluge. Das Wochenende versprach Entspannung und Zeit zum Nachdenken. Gegen neun Uhr relaxte ich schon mit einem Glas Orangensaft auf der Terrasse, um die letzten Sommersonnenstrahlen auszukosten. Plötzlich Autolärm, ein Taxi stoppte vor dem Firmengelände. Die Beifahrertür öffnete sich und ich erhob mich. Von oben aus sah ich, wie ein paar lederbeschuhte Beine sich zu erden versuchten. Beim Anblick der ehrwürdigen Erscheinung im eleganten Zwirn hörte ich mich sagen: „Jetzt wird die Welt verrückt. Das ist doch Carl, zweifellos! Blaues Hemd, dunkle Haut, gewelltes graumeliertes Haar, sportlich gebaut, mit einem Lächeln um den Mund!“
Eilig sprang ich nach unten, um den Traumtypen zu begrüßen. Völlig irritiert stand ich vor ihm, Wut und Freude durchfluteten mich gleichsam. Carl trat auf mich zu, schloss mich in seine starken Arme. Wie verwurzelt starrte ich ihn an. Meine Blicke blieben an seinen buschigen Augenbrauen hängen und wanderten weiter zu den vollen sinnlichen Lippen, die an den Mundwinkeln nach oben geschoben waren. Ein schelmisches Lächeln spielte um seinen Mund.
"Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg zum Propheten kommen. Was ist los mit der Barbarafrau? Warum warst du in den letzten Tagen nie erreichbar? Gab es Sendeausfälle in Hamburg? Ich habe mir ernsthafte Sorgen um dein Wohlbefinden gemacht.“
Seine Sanftheit und Herzlichkeit verschlugen mir fast die Sprache, oder hatte mich der Überraschungsmoment stumm gemacht? „Du wolltest doch erst im Dezember kommen!“
„Manchmal ändern sich Dinge und Zeiten.“ „War es dir ein Bedürfnis, die Beichte vor Ort abzulegen?“
„Wie? Wo? Was?“
„Lass uns reingehen, die Straße ist kein Austragungsort für Zwistigkeiten.“
„Wovon redet meine Herzensdame eigentlich? Mit wem hast du Ärger?“
Desorientiert ging ich ins Haus und er folgte mir mit fassungsloser Miene. Wie absurd doch alles auf einmal schien. Am liebsten hätte ich Carl den Zutritt zu meiner Wohnung verwehrt und ihm tausend Vorwürfe an den Kopf geschleudert. Aber sein Anblick und sein Charme überrumpelten mich schlagartig. Leise sprangen die Worte aus mir heraus: „Du hast mich betrogen! Du hast eine Geliebte! Du hast mich tief verletzt!“
Ungebeten ließ sich mein Gast in den Sessel plumpsen, nach Luft und Fassung ringend. „Wird hier Theater gespielt? Was sollen diese haltlosen Unterstellungen? Erkläre mir bitte alles!“ „Du bist mir eine Erklärung schuldig, du warst der Täter und ich das Opfer, nur eine süße Romanze.“ „Wovon redest du überhaupt?“, wollte er, recht nervös geworden, wissen. „Setz dich erst einmal und entspann dich und dann erzählst du mir, was dich so ins Herz getroffen hat!“
„Die Frauenstimme an deinem Schlafzimmertelefon vor knapp neun Tagen und mitten in der Nacht. Verdammt noch mal, was sollte ich denn davon halten? Sollte ich dich jetzt fragen, ob sie besser liebt als ich? Müsste ich verstehen, dass du eine Frau in Namibia und eine in Deutschland zur Befriedigung deiner Lust brauchst?“ „Bitte noch einmal ganz langsam und der Reihenfolge nach, denn ich weiß immer noch nicht, was unsere Beziehung kaputt zu machen scheint.“
Seine Worte klangen ehrlich und ließen meine Knie weich werden. In meiner Brust prallten Gegensätze aufeinander. Die Gefühle fuhren Achterbahn.
Sanftmütig legte er seinen Arm um meine Schulter. „Du Dummerchen, ich habe mit keiner anderen Frau geschlafen. Jede Nacht habe ich mir gewünscht, am Morgen neben dir aufzuwachen. Wir gehören zusammen!“
Die Berührung seines Körpers und der männliche Tabakduft, den seine Haut versprühte, fühlten sich mit einem Mal ziemlich gut an. Die lodernde Flamme des Betrogenseins war zur verlöschenden Glut herabgebrannt.
„Liebste Babsi, das muss alles ein Missverständnis sein. Die letzte Frau, die mich im Bett glücklich gemacht hat, warst du. Manchmal verwechselt man Glück mit Vergnügen. Du bist mir wichtig. Du bist der wertvollste Diamant, den ich jemals in den Händen gehalten habe.“
Seine Verteidigungsrede war ein glattes Bekenntnis, dem ich eigentlich nur Vermutungen entgegensetzen konnte. „In diesen Tagen, als du mich angerufen hast, war mein Schlafgemach vergeben. Du hast mit Maria, der Frau meines Bruders Konrad gesprochen. Sie stammt aus Namibia und lehnt es manchmal ab, deutsch zu kommunizieren, einfach aus Landesstolz. Konrad war darum bemüht, bei einem Herzspezialisten in Swakopmund einen OP-Termin zu bekomme. Bei ihnen in Pretoria gibt es keine renommierten Herzchirurgen. Im Überraschungseffekt habe ich versäumt, dir von dem Blitzbesuch zu erzählen. Weißt du Schatz, Maria ist eine Frau, die immer im Trend gekleidet erscheint. Ihr Reisekoffer ist überdimensional und braucht viel Kleiderschrank. Du kennst das doch."
Jetzt mussten wir beide lachen und mein Verhalten kam mir kindisch vor. Wie das Leben so spielt! Nun ergriff ich die Wiedergutmachungsinitiative, entkorkte einen Versöhnungssekt und leistete Abbitte. „Ich denke, wir müssen in Sachen Beziehung noch einiges festlegen. Heutzutage funktionieren hunderte von Fernverbindungen, auch im Liebesleben. Mit zunehmendem Alter ist man nicht mehr so wild auf Sex, man bevorzugt den Genuss.“
Nur durch ihn war in mir auf wundersame Weise die Liebe zu einem Partner wieder aufgebrochen. Da auch er sein eigener Arbeitgeber war, beschlossen wir einen Liebesurlaub in Hamburg. „Für eine Woche lassen wir unsere Söhne mal Verantwortung tragen. Auch unsere Familien sollten sich näher kommen, denn die Vergangenheit ist schon ein Spiel des Schicksals. Ich mache dich mit dem neuen Hamburg und dem deutschen Alltag vertraut, vielleicht denkst du ja mal über Rückkehr nach! Wusstest du eigentlich, dass unsere Stadt mehr Brücken als Venedig hat?“ Jetzt staunte mein Carl. „Das kann ich nicht glauben, aber wir werden es herausfinden.“
Als der Mann meiner Träume sich zurückgezogen hatte, um Heimatgespräche zu führen, kontaktierte ich Jim. „Hallo Großer, hast du noch Lust auf Familienunternehmen oder würdest du lieber abtauchen? Muss es jetzt wissen, da ich gerne für eine Woche frei machen möchte. Habe unverhofft Besuch bekommen, ein Gast, der mir sehr am Herzen liegt.“
„Kommt er zufällig aus Namibia und heißt Salomon?“ „Hellseher, ja, meine Namibialiebe ist hier!“, jubelte ich. „Freut mich! Bin bereit, für dich die Verantwortung zu übernehmen. Habe festgestellt, dass der Elan von Familiengenen angekurbelt wird. Warte auf deine Anweisungen!“ „Super! Besprechen alles morgen früh sieben Uhr!“
Im Versöhnungsrausch verbrachten wir die gemeinsame Nacht, die ein Gespür von erotischer Anziehungskraft aufkommen ließ und jegliche Zweifel zu Luftblasen verpuffte. Am Horizont leuchtete wieder ein Licht, Carl und Namibia warteten auf mich.
Gleich nach dem Frühstück fuhren wir ins „Lindner Hotel“, um sein Gepäck abzuholen. „Es ist mir  ein Bedürfnis, dort auszuchecken, denn bei dir fühle ich mich heimischer.“
Das war ein super Bekenntnis. In der Suite angekommen, begann Carl sofort, die Morgentoilette zu vollenden, streifte sich ein frisches Hemd über und packte seine Sachen. Nun trat er behutsam auf mich zu, küsste meinen Hals, die Lippen und ergoss einen Wall von Zärtlichkeiten über meinem Gesicht. Dann trat er wieder zurück, um ein Geheimnis zu lüften.
„Schließe bitte deine wunderschönen Augen!“ Behutsam fasste er meine Hände und führte mich ins spürbar Leere. Als ich in den Flurspiegel schaute, strahlte ich wie die Sonne. Meinen Hals zierte eine außergewöhnliche Goldkette. Ein Unikat, gefertigt von seinen eigenen Händen. In der Figur des Schutzengels war das Spiel von Licht und Schatten in Gold sichtbar, einfach bedeutungsvoll.
„Ein wahres Meisterwerk der Kunst!“, staunte ich. „Danke für das Kompliment. Du weißt doch, ich arbeite mit Herzblut, mit Steinen, Edelmetallen und ganz viel Liebe! Betrachte das Schmuckstück als Treuebeweis für die Frau, die mein Herz erobert hat!“
Völlig baff schlussfolgerte ich: „Alles im Leben scheint seine Bestimmung zu haben, die man leider hin und wieder zu spät erkennt.“ „Ich spürte schon beim Klassentreffen, dass sich zwischen uns ein unsichtbares Band gewoben hatte.“
Auf der Rückfahrt zum Speditionsgelände begann ich bereits, Carl das moderne Hamburg zu zeigen. Er bestaunte Gebäude, Plätze und auch Gassen, die das Stadtbild prägten. Schon als wir aufbrachen, war er recht euphorisiert. „Hier scheint das Leben an sämtlichen Ecken und Enden zu pulsieren. Überall regt und bewegt sich etwas. Wir befinden uns am Tor zur Welt. Wenn es doch in Namibia auch so aufschwungsfreudig vorwärts gehen würde.“
In einem Fischrestaurant, an der Alster gelegen, genossen wir Lachs vom Feinsten und gaben uns den weiteren Genüssen hin. Carl, vor Faszination sprühend, kaufte sich hier und da eine Info-Lektüre, in die er sich am Nachmittag vertiefte.
Vom Näherkommen inspiriert, blätterten wir an diesem Abend in den Dokumenten der Vergangenheit und wälzten Fotoalben. Es freute mich, dass Carl sichtlich interessiert an meinem bisherigen Leben war.
„Imposant am Ostseestrand! Bist du das? Dein Mann war ja ein Schönling! Ihr scheint das Meer genauso zu lieben wie die Salomons. Echt eine Gemeinsamkeit!“
Ich war in Erinnerungen abgedriftet und vernahm seine Worte wie eine Stimme aus der Ferne. Im Verlauf des weiteren Abends schwebte jeder von uns in familiären, teils verflossenen Erinnerungen.
„Da du ja viel Morgenschlaf brauchst, bevor sich deine Kreativität entblättert, werde ich zeitig ins Büro abdriften und für etwa zwei Stunden den Steuerknopf in die Hände nehmen. Danach frühstücken wir gemeinsam und dann geht es auf Stadttour. Wäre dir dieses Tagesprogramm recht?“
Mein Namibia-Gast drehte sinnend an seinem goldenen Siegelring mit den Initialen C.S. und fragte: „Wieviel Wünsche habe ich frei?“ „Drei, genau wie im Märchen!“ „Mit dir zusammen zu sein, ist ja schon märchenhaft.“, schmeichelte er mir. „Ich bin begierig darauf, deine Söhne kennen zu lernen. Ich bin neugierig auf deine Arbeitswelt und deine Verantwortung, der du dich täglich stellen musst. Verzaubere mich von Hamburg!“
„Das klingt ja wie ein Forderungskatalog. Da muss ich wohl mein ganzes Logistikwissen aufbieten, um deinen Ansprüchen gerecht werden zu können.“
Ein Gefühl der Herausforderung umfing mich. In Namibia hatte mir Carl seine Welt zu Füßen gelegt, nun war für mich der Zeitpunkt gekommen, ihm das Leben in Deutschland schmackhaft zu machen.
„Vielleicht könnte meine Heimat auch wieder die deine werden. Bei uns lässt es sich weitaus angenehmer leben. Die soziale Absicherung im Alter steht auf höchstem Niveau. Freiheit, Demokratie und Wohlstand sind garantiert. Niemand muss hungern oder Bildungsängste ausstehen. Jeder hat ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein. Hier sind wir im Fahrwasser des Fortschritts, während eure schwarzen Machthaber erst im Begriff sind, den Inhalt dieses Wortes zu verstehen. Wer weiß, ob sie jemals erfahren, was ein Sozialamt ist und Hartz IV bedeutet.“, versuchte ich, ihn zu umgarnen.  
Im Lauf der Woche führte ich meinen Gast überall dorthin, wo es Glanzpunkte gab, zum Hafen, auf den Fischmarkt und durch die Speicherstadt. Bei der Hafenrundfahrt flackerte plötzlich auch bei Carl Heimatverbundenheit auf. „In Hamburg strecken sich die Kais wie hellgraue Tentakel ins blaue Meer. Handelsschiffe hinterlassen weiße Fahrspuren. Segeljachten, luxeriös aber auch bescheiden, ziehen mit aufgeblähten Segeln ihre Spaßbahnen, fast wie damals. Alles ist nur viel moderner und größer geworden!“ Dann hafteten sein Blick an den Hochhäusern, die sich im Hintergrund gen Himmel reckten. „Einfach gigantisch diese Wohnkulisse!“
Natürlich flanierten wir auch auf der Reeperbahn. „Nicht nur nachts um halb eins ist dieser Stadtteil Sankt Pauli voller Faszination. Ein Mix aus Erotik, Spaß, Kultur und Kunst lockt täglich tausende Show- und Vergnügungslustige an.“
„Die Attraktion schlechthin sind doch wohl die zahlreichen Kultkneipen. Wie ich weiß, nahmen die Karriere von Hans Albers und den Beatles genau hier ihren Anfang!“
Bei einem Alsterspaziergang ,Hand in Hand, bemerkte mein Begleiter: „Es wird mir wohl sehr schwer fallen, dich vom Nabel der Welt in mein Namibia zu entführen.“
Diplomatisch überging ich seine Bemerkung.
Als ich am Donnerstag den Morgenstress, die Telefonate und Auftragsbesprechung mit Jim abgeschüttelt hatte, entdeckte ich Carl vor der Bücherwand im Arbeitszimmer. Drei Werke lagen verstreut auf der Tischplatte. Er musste wohl darin geblättert haben. Interessiert warf ich einen Blick auf eines der Bücher: „Shakespeare – Romeo und Julia“. Schmunzelnd begrüßte ich ihn mit Morgenkuss. „Einen deutschen guten Morgen mein Romeo, deine Julia ist jetzt für dich frei!“
„Ich fühle mich überglücklich. Darf ich um deine Hand bitten?“ Galant geleitete er mich zum Frühstückstisch, der fürstlich gedeckt war. Kaffeeduft lag im Raum und Tränen der Rührung kullerten über meine geröteten Wangen.
„Es ist schon eine Ewigkeit her, dass mich ein Mann so verwöhnt hat.“
„In unserem Alter sollte man seine Tage mit Bedacht genießen, denn das Lebensband wird immer kürzer.“, philosophierte er.
Zwei Tage vor Carls Abreise stand der Familienabend an. Nach den Erzählungen war die Begegnung geplant, Partytime, Kennenlernvergnügen, aber vielleicht auch ein Wagnis. Es sollte alles recht gemütlich im Hause Baumann ablaufen, denn mit Mann Nummer drei an meiner Seite änderte sich die Lebenskonstellation. Würden Kay und Tim einen Draht zu ihrem Nichtvater finden? Würden sie meine Entscheidung für einen Neuanfang akzeptieren? Würden sie vielleicht sogar glauben, dass ihre Erbschaft in Gefahr wäre? Glücklicherweise rissen mich zwei Partyservice-Boys aus den Befürchtungen. Der Countdown lief, wir speisten vorzüglich, redeten über tausend Dinge und verglichen das Leben an beiden Enden der Welt miteinander. Ein Zusammensein voller Harmonie und Wertschätzung!
„Dein Namibier ist ein großartiger Mensch, lebensfroh, weltoffen, realistisch und vertrauenswürdig, nur leider kein Deutscher mehr.“, resümierte Jim tags darauf.
Kay betrachtete unsere Beziehung ganz locker. Er fand es gut, dass wir nicht gleich von Heirat und Zusammenleben sprachen. „Ihr lebt in zwei wunderbaren Welten, erforscht sie, genießt die Zweisamkeit, aber fesselt euch nicht!“
Erlebnisreiche Tage und aufregende erotische Nächte lagen hinter uns, auch die letze war ein Fest der Sinne. Wir liebten uns mit Zurückhaltung und dann mal wieder mit wilder Begierde, ein Geben und ein Nehmen, danach schliefen wir eng aneinandergekuschelt ein. Uns beiden war schon bewusst, dass es eine große Weile dauern würde, bis wir wieder Nähe spüren könnten.
Abschiedsschmerz zeichnete unsere Gesichter, als wir auf dem  Hamburger Flughafen ankamen.
„Du hörst täglich von mir, versprochen! Gleich wenn ich in Swakop bin, regele ich mit Rosi, Hanna und Mia meine Safaribegleitung. Man kann euch Frauen doch nicht alleine in die Wildnis reisen lassen! Adieu mein Babsi-Schatz!“
Im Abschiedskuss vereint, flüsterte ich: „Ich liebe ganz Namibia und ganz besonders dich. Hoffentlich nicht nur ein Sommernachtstraum!“ Wenige Minuten später flog dieser fürs erste davon.
Die Zeit der Wiedersehensfreude wurde durch ein unerwartetes Ereignis aufgemischt. Diesmal war es mein Tattoosohn Kay, der für Überraschung sorgte. „Hallo Mama, habe Neuigkeiten zu verkünden, komme doch morgen gegen 16.00 Uhr bei uns vorbei auf einen Kaffeeplausch. Wäre uns wichtig und wir würden uns freuen.“, so lautete die Ansage.
Familie hatte Priorität, deshalb verließ ich vorzeitig das Büro und machte mich auf den Weg zum Studio.
„Mensch Sohnemann, deine Junggesellenbude ist ja recht gemütlich geworden. Seit du mit Prad eine WG gegründet hast, war ich ja noch gar nicht hier. Wohnkultur vom Feinsten, hochwertiges Mobiliar, weiße Lederpolsterecke, urig bequem, viel Komfort und Elektronik!“, lobte ich.
Der Tisch war stilvoll gedeckt, Damastdecke, Servietten, Käsetorte und sogar ein Schälchen Sahne stand neben dem Milchkännchen.
„Das wirkt ja richtig feierlich! Gibt es einen besonderen Anlass? Wer hat denn den leckeren Kuchen gebacken, schaut ganz nach Eigenproduktion aus?“ „Der Kuchenbäcker war ich! Herzlich willkommen Frau Baumann!“, entgegnete Prad.
„Toll, dass ihr mich mal eingeladen habt. Wie ich sehe, geht es euch beiden bestens. Schön, dass euer Geschäft so gut floriert.“
„Wir sind happy, privat und beruflich!“, versicherte Kay. Nun fiel ihm sein Mitbewohner ins Wort: „Liebe Barbara, da du ja weißt, dass meine Eltern nicht mehr an meiner Seite stehen, möchten wir dich mit als erste in unsere Lebenspläne einweihen. Kay und ich, wir lieben uns, innig und von ganzem Herzen.“
Ich verstummte!
„Mama, wir haben uns geoutet und möchten Weihnachten heiraten. Mit uns passt das bestens. Die Feier soll im kleinsten Rahmen stattfinden. Wir wollen kein Aufsehen erregen und alles an die große Glocke hängen. Prad will mir gerne in seiner Heimatstadt München das Ja-Wort geben.“ „Ehrlich Jungs, jetzt ich bin ich aber baff und total überrascht! Aber es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als eure Absicht zu respektieren und mich mit der neuen Situation vertraut zu machen."
Wie ernst es ihnen mit der Beziehung war, wurde mir erst zu Hause bewusst. Ihr beider Leben verlief bisher erfolgreich, sie harmonierten bestens miteinander, hatten ein schönes Zuhause und schienen glücklich zu sein. Was konnte man mehr von einer Partnerschaft erwarten? Es passte! Mit diesen Gedanken wurden meine Großmutterhoffnungen erst einmal ins Abseits gedrängt.




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