Erstveröffentlichung von Irmhild Ehrenberg
Inhaltsverzeichnis
1. Erst geküsst und dann geliebt
2. Glück will erobert werden
3. Im Königreich der Elefanten
4. Ovambo-und Etoshafaszinationen
5. Rüsselflirt und Nashornliebe
6. Jeder Begegnung wohnte ein Zauber inne
„Lieb
mich Namibia“
1. Erst geküsst und dann geliebt
Es war ein wunderschöner Sommertag, mitten im
September. Die Sonne brannte auf meiner Haut, die Luft war klirrend heiß, das
Thermometer war auf fast unglaubliche 34° Celsius hoch geschnellt.
„Afrikaklima!“, schoss es aus mir heraus.
Im Hafencafè sitzend, streichelte eine frische
Brise meine leicht gerötete Nasenspitze, das Gesicht saugte die Sonnenstrahlen
auf und ein lauer Wind trug meine Gedanken in das Reich der Träume, die auf
einem magischen Kontinent strandeten, der im Takt der ganzen Welt pulsierte und
nicht nur mit tierisch großen Abenteuern lockte, sondern auch von wundervollen
Menschen besiedelt war.
Ich hatte das Regenbogennamibia auf meiner letzten
großen Urlaubsreise geküsst und mich küssen lassen. Entflammt von diesem
außerordentlichen Land und unvergesslichen Erlebnissen, kamen große Sehnsüchte
auf. In meinem Herzen spürte ich noch immer die Wärme und Herzlichkeit von
Rosi, Hanna, Mia und ihren Familien. Gigantische Safari-Highlights begannen vor
meinen Augen zu tanzen und plötzlich spannte sich der afrikanische Himmel so
gewaltig weit und leuchtend blau über meine Erinnerungen.
Von Afrika hatte ich einst geträumt und im November
letzten Jahres ein Namibiamärchen erlebt, das mein Dasein mächtig durcheinander
gewirbelt hatte. Am meisten brannten die Küsse eines Carl Salomons aus
Swakopmund noch wie Feuer auf meinen Lippen, obwohl ich hier in Hamburg
mindestens 16 000 km von ihm entfernt relaxte.
Die Gedanken reihten sich wie Perlen eng
aneinander. Das Friseurinnengenie Rosemarie Ohle und die Immobilienmaklerin
Hanna Nels hatte ich auf einer Südafrikakreuzfahrt kennen gelernt. Wir fanden
uns damals auf der „Westerdam“ rasch zu einem amüsanten Vergnügungsteam
zusammen. Die Chemie stimmte vom ersten Tag an. Gemeinsam staunten wir über die
Bordangebote, entdeckten fast täglich etwas Neues, hatten unendlich viele
Glücksmomente und frönten dem Kartenspiel. Unvergesslich, diese grogartige
Tour! Seither blieben wir in freundschaftlichen Kontakten.
Carl fiel eigentlich wie eine Sternschnuppe in
meine Welt, so nach dem Schicksalsprinzip. Wir hatten zusammen in Deutschland
die Schulbank gedrückt und erst vor meiner Reise beim Klassentreffen in Hamburg
die wahre Bekanntschaft gemacht. Ihn und meine Afrikafreundin Hanna verband der
Lionsclub in Swakop. Somit wurde die Perlenkette immer länger und das Glück
öffnete mir neue Türen.
„Unser Dasein ist einzigartig lebenswert, auch wenn
man im reiferen Alter angekommen ist!“. Mit dieser Feststellung begann ich die
Weichen neu zu stellen. Eigentlich könnte ich mit meinem Standard zufrieden
sein, besaß ein eigenes Haus, eine kleine, gut laufende Firma und hatte zwei
tolle Söhne.
„Du bist ein zäher Dynamo, regierst eine Männerwelt
und wirst als tüchtige Geschäftsfrau respektiert.“, bemerkte Tim einmal.
Aber all das bedeutete für eine Frau nicht die
höchste Form des Glücks. Ich war Witwe, verweilte oft einsam in meinen
luxuriösen vier Wänden, hatte Angst vor langen Winterabenden und vermisste eine
starke Schulter zum Anlehnen. Keiner war da, der mir die Wünsche von den Augen
ablas oder eine Kuscheldecke überwarf, wenn mir kalt war. Diese Leere ließ die
Seele ab und an schwanken.
Jim, mein Börsenspekulant, kam äußerst selten zu
Besuch. Für ihn standen die Karriere im Vordergrund und die Finanzwelt im
Mittelpunkt. Meine Seelenapotheke war Kay. Wenn ich ihn brauchte, war er zur
Stelle. Sein Studio lag in meinem Wohnbezirk. Dieser Umstand schaffte Nähe,
denn er glich seinem Vater sehr. Unser Jüngster besaß ein ebenso
ausdrucksstarkes Gesicht mit Forscherblick und einem Strahl von Besonnenheit
wie mein Wolfgang. Sein wildes Herz vereinte Romantik und Aufbegehren, Mensch,
Natur und Kunst. Er liebte es, an warmen Abenden draußen zu sitzen, das Spiel
des Sonnenuntergangs zu bestaunen, zu träumen und zu reden.
Als er mich letzte Woche mit einer Flasche Mumm
überraschte, offenbarte ich ihm meine Gefühlswelt. „Weißt du Kay, ich vermisse
deinen Papa sehr. Schmerzen vergehen, Erinnerungen bleiben! Aber es war ein wahnsinniger
Zufall, Carl begegnet zu sein. Er hat mich aufgefangen und nach dem Unfalltod
seiner Frau ähnlich empfunden. Irgendwie fühlten wir uns schicksalsverbunden.
Mit ihm kann man Gespräche über das Gestern, Heute, Morgen, Gott und die Welt
führen. In seiner Nähe spüre ich Geborgenheit, fühle mich beschützt und als
Frau wieder begehrt. So kamen wir uns auch körperlich näher. Ich entdeckte die
Gefühle des Verliebt-Seins neu und habe mit ihm Zukunftspläne. Verstehst du das?“
„Mama, ich glaube, ich weiß, was du mir sagen
willst. Es gibt einen neuen Partner in deinem Leben, der dir sehr viel
bedeutet. Für die Liebe ist es in keinem Alter zu spät.“
„Aber für uns beide momentan wenig praktikabel,
unsere Welten sind gegensätzlich, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so
scheint.“
„Glücklichsein ist von der Fähigkeit abhängig, mit
den Lebensumständen zurechtzukommen!“, entgegnete er.
„Nun stehe ich vor einer Herausforderung, der meine
Lebensmaxime nicht zum Opfer fallen dürfen.“ „Und die lauten da?“
„Sei du selbst! Kämpfe für alles Gute! Gib niemals
die eigene Familie auf!“
„Starke Frauen meistern ihren Herzensweg! In diesem
Sinne gute Nacht liebe Ma, ich bin in Reichweite, wenn du Hilfe brauchst!“ Diese
wohltuenden und befreienden Worte haben mich entspannt einschlafen lassen.
In dieser Nacht malten sich meine Gedanken ein Bild
von Carl Salomon. „Er ist ein zauberhafter Mensch, ein Ass für den zweiten
Frühling. Er ist bereit, für dich die Sterne vom Himmel zu holen!“
Bei seiner Leuchtkraft hätte man glatt den
Traumbildern glauben können. Doch die Realität war weitaus komplizierter. Wir
tauschten täglich Informationen aus, skypten bei besonderen Anlässen oder
griffen beim Aufflackern von Gefühlsnähe zum Telefon. Meine innere Stimme
meldete sich: „Kannst du ihm in seine klugen Augen blicken? Fühlst du ihn?
Berührst du seine sonnengebräunte Haut? Steigt sein männlicher Duft in deine
Nase?“
Fazit: Nähe gab es nicht.
Da ich weder Flugzeug noch einen Pilotenschein
besaß, waren die Bedenken vor Ort nicht abzuklären. Die Alarmglocken begannen
zu läuten. Ich war bereit, im Regen zu tanzen.
Von Aufregung begleitet, wählte ich die Nummer an,
die in meiner Datei an erster Stelle rangierte. Kein Stimmsignal! Das
Besetztzeichen trommelte in den Ohren. „Er sitzt bestimmt in einer Lions-Veranstaltung!“,
beruhigte ich mich.
Gegen sechs Uhr morgens ließ mich meine innere Uhr
aufschrecken: „Wolltest du nicht nach Liebe schreien?“ „Nein, nur nach
Annäherung!“, rechtfertigte ich mich. Wie in Trance ließ ich das Licht
aufflackern und fingerte nach dem Handy. „Verdammt, viel zu früh für einen
Weckruf. Carl ist doch Langschläfer!“, fluchte ich vor mich hin. Gerade wollte
ich auflegen, als mich eine Frauenstimme ansäuselte. Sie klang so
unverständlich und redete afrikan.
In Sekundenschnelle war ich hellwach, schreckte
hoch und bäumte mich in meinem Wasserbett kraftvoll auf. „Großer Gott, was hat
das denn zu bedeuten?“, fragte ich mich. „Das war doch nicht Carl, der da
antwortete. Eindeutig Frauenstimme! Vielleicht eine Schlafgefährtin?“ Die
Befürchtungen stolperten.
„Entschuldigung“, meldete ich mich mit leiser
unsicherer Stimme. „Ist Herr Salomon zu sprechen?“ „Wer du, was wollen?“ Fast
sprachlos stammelte mein Ich: „Falsch verbunden!“ Ob sein Betthupfer das
verstanden hatte oder nicht, war mir schnuppe. Augenblicklich kniff ich meine Augen
ganz fest zusammen, um die Tränen zu stoppen. Ein tiefer Seufzer ließ den
Körper erbeben. „Aus der Traum vom Männerglück!“, hörte ich das Wimmern. Total
durch den Wind, stolperte ich ins Bad. Dort schaufelte ich mir mit zitternden
Händen das eiskalte Wasser ins Gesicht, um Gegenwart zu spüren. Mein
Spiegelbild zerriss zu einer Fratze der Enttäuschung. „Belogen, betrogen!“,
schrie es aus mir heraus.
Beim Kaffeetrinken rang ich nach Frischluft und
merkte, wie das dampfende Getränk die Erregung besänftigte. Das bittersüße
Liebesbegehren zerplatzte. Meine Knie wurden weich und ich spürte den
Herzschlag bis zum Hals pochen. Einsamkeit und Enttäuschung ummantelten mich.
Vertrauen, Stolz und Ehre fühlten sich gedemütigt . Die Afrika-Träume zerfielen
im Wüstensand. Wenn das Leben fair wäre, würde ich nicht erneut vor einem
Abgrund stehen.
Ein sich wiederholender Türgesang half mir, in das
Hier und Jetzt zurückzukehren. 7.00 Uhr morgens! Beim Bankersohn Jim trat
gemächlich mit Dienstmiene in die Küche und hielt sich an einer Brötchentüte
fest. „Guten Morgen beste Mama der Welt, ich möchte mit dir in den Tag starten,
bin arbeits- und ziellos!“ „Wo kommst du her?“ ,nach Luft ringend versuchte ich
mich zu beruhigen. „Ach setze dich, lass dir die frische Erdbeermarmelade auf
der Zunge zergehen und dann beichte mal, was für ein Beben dich aus der Bahn
geworfen hat! Ist wohl heute nicht unser Tag!“ Mit angespannten Gesichtern
beäugte ein jeder sein Gegenüber und las ihm im Gesicht ab, dass Sorgen den Tag
trübten. Endlich schickte ich mich an, das Schweigen und Schmatzen zu unterbrechen.
„Hat die Deutsche Bank in Berlin dicht gemacht? Sind
euch die Skandale über den Kopf gewachsen?“ Mein Großer, der stets adrett und
perfekt beanzugt war, saß mir ganz lässig in Jeans und T-Shirt vis-a-vis. Beim
Kaffeenachgießen reichte ich ihm die Butterdose. „Iss noch, Butter und Honig
sind gut für die Nerven! Schieß endlich los und erzähle, was passiert ist. Eine
Mutter weiß, wann ihre Kinder unglücklich sind.“
Mein sonst so redegewandter und wortwitziger Tim
hatte Mühe, Worte und Gedanken aneinanderzureihen. „Aus der Traum von der
Wall-Street-Karriere. Ich habe meinen Job verloren! Verluste, Verkalkulationen,
Spekulationen sowie das Zinstief erforderten Stellenabbau. Die Macher bleiben
in den Chefsesseln kleben und die Kleinen werden vom Stuhl geschleudert.“
„Klingt nicht gerade zukunftsträchtig, ist aber keinesfalls eine
lebensbedrohliche Krankheit. Du bist jung, energiegeladen und zielstrebig, gehe
das Risiko der Veränderung ein. Vielleicht ist die Finanzkrise ein Wink des
Schicksals. Habe den Mut, neue Wege zu beschreiten!“ „Was willst du mir damit
sagen?“ „Weltuntergang war gestern, Zukunft winkt heute. Biete dir vorerst einen
Speditionsjob an, später sehen wir weiter!“
„Wäre schon mal eine Verdienstmöglichkeit! Fangen
wir klein an, jetzt chauffiere ich dich zum nächsten Termin. Schaust echt aus,
als könntest du auch Entlastung gebrauchen!“
„Die Firma läuft, habe nur schlecht geschlafen.“
„Du bist ein Trostpflaster! Eine Frau mit deinen Qualitäten würde ich glatt vom
Fleck weg heiraten.“ „Juwelen findet man nicht einfach auf der Straße. Diese
wollen entdeckt und zutage gefördert werden.“
Stumm schritten wir gemeinsam in den Firmentrakt,
der Arbeit entgegen. Robin stand bereits in der Bürotür: „Guten Morgen Chefin,
grüß dich Tim, lange nicht gesehen.“ „Kann sich ändern!“
„Eine kleine Liefertour steht auf der Kippe. Siggi
klagt über Magenkrämpfe und hat für heute abgesagt.“ Ohne lange zu überlegen,
wechselte ich die Kleidung und hievte mich in den Truck. „Die Fracht muss doch
von Hamburg nach Köln, das übernehme ich, werde es wohl noch schaffen! Mein
Chefsessel gehört für heute dir!“, rief ich Tim beim Abfahren zu. Dann trat ich
das Gaspedal durch und baute den Liebesfrust ab. Plötzlich ein Blitzgewitter!
„Verdammt, bist in eine Radarfalle getappt!“, hörte ich mich fluchen.
Irrtum! Das Wetter hatte umgeschlagen und sich
meiner Befindlichkeit angepasst. Der Himmel über mir zeichnete eine dramatische
Wolkenbildung. Dunkle Fetzen postierten sich vor der Sonne und türmten sich
schwarz auf. Blitze zuckten auf und ließen es tüchtig krachen. Die Angst vor
dem Ungewissen ließ mich den nächsten Rastplatz ansteuern. Kaum nippte ich an
der Kaffeetasse, schon drehte sich das Eifersuchtskarussell. „Hatte Carl eine
Geliebte? Waren seine Gefühle mir gegenüber nur gespielt? Verpasste er keine
Gelegenheit? War er ein Gigolo, ein Blender? Alles Lüge oder was?“
Mein Gewissen warf mir vor: „Du hast dich zu rasch
bei ihm angelehnt! Hast ihm deine Liebe und deinen Körper zu schnell offenbart!
Eine Beziehung muss wachsen! Liebe braucht Zeit!“
Der Himmel erhellte sich, mein Blick wurde wieder
klarer, entschlossener. Der Vorsatz, Carl auf Eis zu legen, reifte in mir.
Namibia war nicht Carl, Namibia war ein Land voller
Schönheit und Geheimnisse. Da gab es ja auch noch meine liebenswerten
Freundinnen, mit denen ich für den nächsten November schon verlockende
Reisepläne hatten. Mit dieser Vorfreude verwischte ich sämtliche Befürchtungen.
Gelassen stellte ich den Truck auf dem Firmengelände ab und schaute noch fix im
Büro vorbei. Jim saß in Chefpose am Schreibtisch. „Danke für deinen Einsatz.
Hat alles funktioniert?“ Sein Nicken machte mich glücklich.
„Wo bist du eigentlich untergeschlüpft?“, wollte
ich noch wissen. „Hotel fürs Erste. Brauche Ruhe und Bedenkzeit!“ „Na dann
tschüss bis morgen!“
„Ab unter die Dusche, rein in einen Kuschellook und
abschalten!“, befahl ich mir. Danach suchte ich Bequemlichkeit auf der Terrasse
und entkorkte einen Spätburgunder vom Rhein.
Nach einem afrikanischen Tropfen stand mir momentan nicht der Sinn. Dazu
genoss ich die Notfallpizza und so ganz allmählich fand ich wieder zu mir
selbst zurück.
Das Licht der Abendsonne hatte dem Tagesausklang
wieder einen hoffnungsvollen Schimmer verliehen. Meine Überlegungen galten Jim.
Er hatte Abitur, Hochschulstudium, erste Joberfolge und war doch arbeitslos. So
ähnlich erging es einigen in seinem Alter. Ich wäre überaus glücklich, wenn er
den Einstieg in die „Baumann-Spedition“ als Perspektive in Betracht ziehen könnte. Schließlich musste meine Nachfolge angepeilt werden.
Bei Kay lief alles bestens. Er und sein Partner
konnten nur mit Überstunden das Bedarfsprogramm der Piercing-Fans abdecken.
Beiläufig hatte er mir auch zu verstehen gegeben, dass er in festen Händen sei.
Klang hoffnungsvoll und ließ Omafreuden aufkommen. Zuversichtlich versank ich im
Abendzauber der Sonne. Die Dämmerung legte sich über die Hansestadt und wurde
von einem goldenen Schimmer durchbrochen. Aus einzelnen Geschäften flatterten
die Leuchtreklamelichter und gaben dem Abend einen Glanz von Frieden und
Harmonie.
Erst die Morgendämmerung riss mich aus der dösigen
Versonnenheit. Das Tageshell in mein Schlafgemach und die Alltagssorgen brachen
erneut auf. Carl hatte gestern mehrmals versucht, mich zu kontaktieren, aber
vergebens. Mal überhörte ich das Klingelzeichen, mal ignorierte ich jegliche
Benachrichtigungen. Letztendlich zog ich mich in mein Schneckenhaus zurück. Mir
fehlte einfach der Mut, mich der Realität zu stellen. „Weichei!“, rügte
ich mich.
Während ich „my muesli“ genoss und den heißen Mokka
schlürfte, überfiel mich mein Sohn erneut. „Manchmal ist so ein
Haustürschlüssel auch ein Schlüssel zum Herzen.“ „Ich denke mal, dir ist noch keine
Perspektivlösung eingefallen.“ „Es geht um die eigene Existenz, da kann man
nichts überstürzen. Meine Abfindung ist eingegangen, von der könnte ich schon
ein paar Monate leben, aber ich brauche Beschäftigung, einen Tagesbefehl, eine
Herausforderung! Vielleicht wären Auswandern, auf Weltreise gehen oder
Abenteuerurlaub auch ganz schön!“,
scherzte er.
„Momentan könnte ich wirklich Entlastung
gebrauchen. Auch bei mir hat sich ein Problem aufgetan, das ich regeln muss.
Dazu benötige ich Zeit und einen klaren Kopf.“ In wenigen Worten informierte
ich Jim über meine Beziehungskrise. „Liebe bringt Leid! Jetzt weißt du auch,
warum ich noch ungebunden bin.“
„Für heute bräuchte ich einen Pistenreiter. Ist
dein LKW-Führerschein noch gültig?“ „Natürlich! Viel PS unter der Haube zu
haben, ist doch unser Familienfieber.“ „Na, dann kannst du ab sofort für Siggi
das Lenkrad übernehmen. Auf geht’s, die Firma schreit nach unserer
Schaffenskraft.“
Das Handy ruckelte und zuckelte in meiner
Jackentasche. „Bleib stark, stur und unnachgiebig!“, befahl ich meinem
Gewissen, während ich den Einschaltknopf drückte. Wichtige und unwichtige
Benachrichtigungen und ein mehrfacher Anrufversuch von Carl waren zu lesen. Die
Hand schnellte schon zum Display, um den Telefonhörer zu drücken, aber dann
schaffte ich es doch, sie zurückzuziehen. Mein Herz schrie: „Ja!“, doch der
Verstand sagte: „Nein!“
Eine Woche, vollgestopft mit Aufträgen, verging wie
im Fluge. Das Wochenende versprach Entspannung und Zeit zum Nachdenken. Gegen
neun Uhr relaxte ich schon mit einem Glas Orangensaft auf der Terrasse, um die
letzten Sommersonnenstrahlen auszukosten. Plötzlich Autolärm, ein Taxi stoppte
vor dem Firmengelände. Die Beifahrertür öffnete sich und ich erhob mich. Von
oben aus sah ich, wie ein paar lederbeschuhte Beine sich zu erden versuchten.
Beim Anblick der ehrwürdigen Erscheinung im eleganten Zwirn hörte ich mich
sagen: „Jetzt wird die Welt verrückt. Das ist doch Carl, zweifellos! Blaues
Hemd, dunkle Haut, gewelltes graumeliertes Haar, sportlich gebaut, mit einem
Lächeln um den Mund!“
Eilig sprang ich nach unten, um den Traumtypen zu
begrüßen. Völlig irritiert stand ich vor ihm, Wut und Freude durchfluteten mich
gleichsam. Carl trat auf mich zu, schloss mich in seine starken Arme. Wie
verwurzelt starrte ich ihn an. Meine Blicke blieben an seinen buschigen
Augenbrauen hängen und wanderten weiter zu den vollen sinnlichen Lippen, die an
den Mundwinkeln nach oben geschoben waren. Ein schelmisches Lächeln spielte um
seinen Mund.
"Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg zum
Propheten kommen. Was ist los mit der Barbarafrau? Warum warst du in den
letzten Tagen nie erreichbar? Gab es Sendeausfälle in Hamburg? Ich habe mir
ernsthafte Sorgen um dein Wohlbefinden gemacht.“
Seine Sanftheit und Herzlichkeit verschlugen mir
fast die Sprache, oder hatte mich der Überraschungsmoment stumm gemacht? „Du
wolltest doch erst im Dezember kommen!“
„Manchmal ändern sich Dinge und Zeiten.“ „War es
dir ein Bedürfnis, die Beichte vor Ort abzulegen?“
„Wie? Wo? Was?“
„Lass uns reingehen, die Straße ist kein
Austragungsort für Zwistigkeiten.“
„Wovon redet meine Herzensdame eigentlich? Mit wem
hast du Ärger?“
Desorientiert ging ich ins Haus und er folgte mir
mit fassungsloser Miene. Wie absurd doch alles auf einmal schien. Am liebsten
hätte ich Carl den Zutritt zu meiner Wohnung verwehrt und ihm tausend Vorwürfe
an den Kopf geschleudert. Aber sein Anblick und sein Charme überrumpelten mich
schlagartig. Leise sprangen die Worte aus mir heraus: „Du hast mich betrogen!
Du hast eine Geliebte! Du hast mich tief verletzt!“
Ungebeten ließ sich mein Gast in den Sessel
plumpsen, nach Luft und Fassung ringend. „Wird hier Theater gespielt? Was
sollen diese haltlosen Unterstellungen? Erkläre mir bitte alles!“ „Du bist mir
eine Erklärung schuldig, du warst der Täter und ich das Opfer, nur eine süße
Romanze.“ „Wovon redest du überhaupt?“, wollte er, recht nervös geworden,
wissen. „Setz dich erst einmal und entspann dich und dann erzählst du mir, was
dich so ins Herz getroffen hat!“
„Die Frauenstimme an deinem Schlafzimmertelefon vor
knapp neun Tagen und mitten in der Nacht. Verdammt noch mal, was sollte ich
denn davon halten? Sollte ich dich jetzt fragen, ob sie besser liebt als ich?
Müsste ich verstehen, dass du eine Frau in Namibia und eine in Deutschland zur
Befriedigung deiner Lust brauchst?“ „Bitte noch einmal ganz langsam und der
Reihenfolge nach, denn ich weiß immer noch nicht, was unsere Beziehung kaputt
zu machen scheint.“
Seine Worte klangen ehrlich und ließen meine Knie
weich werden. In meiner Brust prallten Gegensätze aufeinander. Die Gefühle
fuhren Achterbahn.
Sanftmütig legte er seinen Arm um meine Schulter. „Du
Dummerchen, ich habe mit keiner anderen Frau geschlafen. Jede Nacht habe ich
mir gewünscht, am Morgen neben dir aufzuwachen. Wir gehören zusammen!“
Die
Berührung seines Körpers und der männliche Tabakduft, den seine Haut
versprühte, fühlten sich mit einem Mal ziemlich gut an. Die lodernde Flamme des
Betrogenseins war zur verlöschenden Glut herabgebrannt.
„Liebste Babsi, das muss alles ein Missverständnis
sein. Die letzte Frau, die mich im Bett glücklich gemacht hat, warst du.
Manchmal verwechselt man Glück mit Vergnügen. Du bist mir wichtig. Du bist der
wertvollste Diamant, den ich jemals in den Händen gehalten habe.“
Seine Verteidigungsrede war ein glattes Bekenntnis,
dem ich eigentlich nur Vermutungen entgegensetzen konnte. „In diesen Tagen, als
du mich angerufen hast, war mein Schlafgemach vergeben. Du hast mit Maria, der
Frau meines Bruders Konrad gesprochen. Sie stammt aus Namibia und lehnt es
manchmal ab, deutsch zu kommunizieren, einfach aus Landesstolz. Konrad war
darum bemüht, bei einem Herzspezialisten in Swakopmund einen OP-Termin zu
bekomme. Bei ihnen in Pretoria gibt es keine renommierten Herzchirurgen. Im
Überraschungseffekt habe ich versäumt, dir von dem Blitzbesuch zu erzählen.
Weißt du Schatz, Maria ist eine Frau, die immer im Trend gekleidet erscheint.
Ihr Reisekoffer ist überdimensional und braucht viel Kleiderschrank. Du kennst das doch."
Jetzt mussten wir beide lachen und mein Verhalten
kam mir kindisch vor. Wie das Leben so spielt! Nun ergriff ich die
Wiedergutmachungsinitiative, entkorkte einen Versöhnungssekt und leistete
Abbitte. „Ich denke, wir müssen in Sachen Beziehung noch einiges festlegen.
Heutzutage funktionieren hunderte von Fernverbindungen, auch im Liebesleben.
Mit zunehmendem Alter ist man nicht mehr so wild auf Sex, man bevorzugt den
Genuss.“
Nur durch ihn war in mir auf wundersame Weise die
Liebe zu einem Partner wieder aufgebrochen. Da auch er sein eigener Arbeitgeber
war, beschlossen wir einen Liebesurlaub in Hamburg. „Für eine Woche lassen wir
unsere Söhne mal Verantwortung tragen. Auch unsere Familien sollten sich näher
kommen, denn die Vergangenheit ist schon ein Spiel des Schicksals. Ich mache
dich mit dem neuen Hamburg und dem deutschen Alltag vertraut, vielleicht denkst
du ja mal über Rückkehr nach! Wusstest du eigentlich, dass unsere Stadt mehr
Brücken als Venedig hat?“ Jetzt staunte mein Carl. „Das kann ich nicht glauben,
aber wir werden es herausfinden.“
Als der Mann meiner Träume sich zurückgezogen
hatte, um Heimatgespräche zu führen, kontaktierte ich Jim. „Hallo Großer, hast
du noch Lust auf Familienunternehmen oder würdest du lieber abtauchen? Muss es
jetzt wissen, da ich gerne für eine Woche frei machen möchte. Habe unverhofft
Besuch bekommen, ein Gast, der mir sehr am Herzen liegt.“
„Kommt er zufällig aus Namibia und heißt Salomon?“ „Hellseher,
ja, meine Namibialiebe ist hier!“, jubelte ich. „Freut mich! Bin bereit, für
dich die Verantwortung zu übernehmen. Habe festgestellt, dass der Elan von
Familiengenen angekurbelt wird. Warte auf deine Anweisungen!“ „Super!
Besprechen alles morgen früh sieben Uhr!“
Im Versöhnungsrausch verbrachten wir die gemeinsame
Nacht, die ein Gespür von erotischer Anziehungskraft aufkommen ließ und
jegliche Zweifel zu Luftblasen verpuffte. Am Horizont leuchtete wieder ein
Licht, Carl und Namibia warteten auf mich.
Gleich nach dem Frühstück fuhren wir ins „Lindner
Hotel“, um sein Gepäck abzuholen. „Es ist mir ein Bedürfnis, dort auszuchecken, denn bei dir
fühle ich mich heimischer.“
Das war ein super Bekenntnis. In der Suite angekommen,
begann Carl sofort, die Morgentoilette zu vollenden, streifte sich ein frisches
Hemd über und packte seine Sachen. Nun trat er behutsam auf mich zu, küsste
meinen Hals, die Lippen und ergoss einen Wall von Zärtlichkeiten über meinem
Gesicht. Dann trat er wieder zurück, um ein Geheimnis zu lüften.
„Schließe bitte deine wunderschönen Augen!“ Behutsam
fasste er meine Hände und führte mich ins spürbar Leere. Als ich in den
Flurspiegel schaute, strahlte ich wie die Sonne. Meinen Hals zierte eine
außergewöhnliche Goldkette. Ein Unikat, gefertigt von seinen eigenen Händen. In
der Figur des Schutzengels war das Spiel von Licht und Schatten in Gold
sichtbar, einfach bedeutungsvoll.
„Ein wahres Meisterwerk der Kunst!“, staunte ich.
„Danke für das Kompliment. Du weißt doch, ich arbeite mit Herzblut, mit
Steinen, Edelmetallen und ganz viel Liebe! Betrachte das Schmuckstück als
Treuebeweis für die Frau, die mein Herz erobert hat!“
Völlig baff schlussfolgerte ich: „Alles im Leben
scheint seine Bestimmung zu haben, die man leider hin und wieder zu spät
erkennt.“ „Ich spürte schon beim Klassentreffen, dass sich zwischen uns ein
unsichtbares Band gewoben hatte.“
Auf der Rückfahrt zum Speditionsgelände begann ich bereits, Carl das
moderne Hamburg zu zeigen. Er bestaunte Gebäude, Plätze und auch Gassen, die
das Stadtbild prägten. Schon als wir aufbrachen, war er recht euphorisiert.
„Hier scheint das Leben an sämtlichen Ecken und Enden zu pulsieren. Überall
regt und bewegt sich etwas. Wir befinden uns am Tor zur Welt. Wenn es doch in
Namibia auch so aufschwungsfreudig vorwärts gehen würde.“
In einem Fischrestaurant, an der Alster gelegen, genossen
wir Lachs vom Feinsten und gaben uns den weiteren Genüssen hin. Carl, vor
Faszination sprühend, kaufte sich hier und da eine Info-Lektüre, in die er sich
am Nachmittag vertiefte.
Vom Näherkommen inspiriert, blätterten wir an
diesem Abend in den Dokumenten der Vergangenheit und wälzten Fotoalben. Es
freute mich, dass Carl sichtlich interessiert an meinem bisherigen Leben war.
„Imposant am Ostseestrand! Bist du das? Dein Mann
war ja ein Schönling! Ihr scheint das Meer genauso zu lieben wie die Salomons.
Echt eine Gemeinsamkeit!“
Ich war in Erinnerungen abgedriftet und vernahm
seine Worte wie eine Stimme aus der Ferne. Im Verlauf des weiteren Abends
schwebte jeder von uns in familiären, teils verflossenen Erinnerungen.
„Da du ja viel Morgenschlaf brauchst, bevor sich
deine Kreativität entblättert, werde ich zeitig ins Büro abdriften und für etwa
zwei Stunden den Steuerknopf in die Hände nehmen. Danach frühstücken wir
gemeinsam und dann geht es auf Stadttour. Wäre dir dieses Tagesprogramm recht?“
Mein Namibia-Gast drehte sinnend an seinem goldenen
Siegelring mit den Initialen C.S. und fragte: „Wieviel Wünsche habe ich frei?“
„Drei, genau wie im Märchen!“ „Mit dir zusammen zu sein, ist ja schon
märchenhaft.“, schmeichelte er mir. „Ich bin begierig darauf, deine Söhne
kennen zu lernen. Ich bin neugierig auf deine Arbeitswelt und deine
Verantwortung, der du dich täglich stellen musst. Verzaubere mich von Hamburg!“
„Das klingt ja wie ein Forderungskatalog. Da muss
ich wohl mein ganzes Logistikwissen aufbieten, um deinen Ansprüchen gerecht
werden zu können.“
Ein Gefühl der Herausforderung umfing mich. In
Namibia hatte mir Carl seine Welt zu Füßen gelegt, nun war für mich der
Zeitpunkt gekommen, ihm das Leben in Deutschland schmackhaft zu machen.
„Vielleicht könnte meine Heimat auch wieder die
deine werden. Bei uns lässt es sich weitaus angenehmer leben. Die soziale
Absicherung im Alter steht auf höchstem Niveau. Freiheit, Demokratie und
Wohlstand sind garantiert. Niemand muss hungern oder Bildungsängste ausstehen.
Jeder hat ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein. Hier sind wir im
Fahrwasser des Fortschritts, während eure schwarzen Machthaber erst im Begriff
sind, den Inhalt dieses Wortes zu verstehen. Wer weiß, ob sie jemals erfahren,
was ein Sozialamt ist und Hartz IV bedeutet.“, versuchte ich, ihn zu umgarnen.
Im Lauf der Woche führte ich meinen Gast überall
dorthin, wo es Glanzpunkte gab, zum Hafen, auf den Fischmarkt und durch die
Speicherstadt. Bei der Hafenrundfahrt flackerte plötzlich auch bei Carl Heimatverbundenheit
auf. „In Hamburg strecken sich die Kais wie hellgraue Tentakel ins blaue Meer. Handelsschiffe
hinterlassen weiße Fahrspuren. Segeljachten, luxeriös aber auch bescheiden,
ziehen mit aufgeblähten Segeln ihre Spaßbahnen, fast wie damals. Alles ist nur
viel moderner und größer geworden!“ Dann hafteten sein Blick an den Hochhäusern, die sich
im Hintergrund gen Himmel reckten. „Einfach gigantisch diese Wohnkulisse!“
Natürlich flanierten wir auch auf der Reeperbahn.
„Nicht nur nachts um halb eins ist dieser Stadtteil Sankt Pauli voller
Faszination. Ein Mix aus Erotik, Spaß, Kultur und Kunst lockt täglich tausende
Show- und Vergnügungslustige an.“
„Die Attraktion schlechthin sind doch wohl die zahlreichen
Kultkneipen. Wie ich weiß, nahmen die Karriere von Hans Albers und den Beatles
genau hier ihren Anfang!“
Bei einem Alsterspaziergang ,Hand in Hand, bemerkte
mein Begleiter: „Es wird mir wohl sehr schwer fallen, dich vom Nabel der Welt
in mein Namibia zu entführen.“
Diplomatisch überging ich seine Bemerkung.
Als ich am Donnerstag den Morgenstress, die Telefonate
und Auftragsbesprechung mit Jim abgeschüttelt hatte, entdeckte ich Carl vor
der Bücherwand im Arbeitszimmer. Drei Werke lagen verstreut auf der
Tischplatte. Er musste wohl darin geblättert haben. Interessiert warf ich einen
Blick auf eines der Bücher: „Shakespeare – Romeo und Julia“. Schmunzelnd
begrüßte ich ihn mit Morgenkuss. „Einen deutschen guten Morgen mein Romeo,
deine Julia ist jetzt für dich frei!“
„Ich fühle mich überglücklich. Darf ich um deine Hand
bitten?“ Galant geleitete er mich zum Frühstückstisch, der fürstlich gedeckt
war. Kaffeeduft lag im Raum und Tränen der Rührung kullerten über meine
geröteten Wangen.
„Es ist schon eine Ewigkeit her, dass mich ein Mann
so verwöhnt hat.“
„In unserem Alter sollte man seine Tage mit Bedacht
genießen, denn das Lebensband wird immer kürzer.“, philosophierte er.
Zwei Tage vor Carls Abreise stand der Familienabend
an. Nach den Erzählungen war die Begegnung geplant, Partytime,
Kennenlernvergnügen, aber vielleicht auch ein Wagnis. Es sollte alles recht
gemütlich im Hause Baumann ablaufen, denn mit Mann Nummer drei an meiner Seite
änderte sich die Lebenskonstellation. Würden Kay und Tim einen Draht zu ihrem
Nichtvater finden? Würden sie meine Entscheidung für einen Neuanfang
akzeptieren? Würden sie vielleicht sogar glauben, dass ihre Erbschaft in Gefahr
wäre? Glücklicherweise rissen mich zwei Partyservice-Boys aus den Befürchtungen.
Der Countdown lief, wir speisten vorzüglich, redeten über tausend Dinge und
verglichen das Leben an beiden Enden der Welt miteinander. Ein Zusammensein
voller Harmonie und Wertschätzung!
„Dein Namibier ist ein großartiger Mensch,
lebensfroh, weltoffen, realistisch und vertrauenswürdig, nur leider kein
Deutscher mehr.“, resümierte Jim tags darauf.
Kay betrachtete unsere Beziehung ganz locker. Er
fand es gut, dass wir nicht gleich von Heirat und Zusammenleben sprachen. „Ihr
lebt in zwei wunderbaren Welten, erforscht sie, genießt die Zweisamkeit, aber
fesselt euch nicht!“
Erlebnisreiche Tage und aufregende erotische Nächte
lagen hinter uns, auch die letze war ein Fest der Sinne. Wir liebten uns mit
Zurückhaltung und dann mal wieder mit wilder Begierde, ein Geben und ein
Nehmen, danach schliefen wir eng aneinandergekuschelt ein. Uns beiden war schon
bewusst, dass es eine große Weile dauern würde, bis wir wieder Nähe spüren
könnten.
Abschiedsschmerz zeichnete unsere Gesichter, als
wir auf dem Hamburger Flughafen ankamen.
„Du hörst täglich von mir, versprochen! Gleich wenn
ich in Swakop bin, regele ich mit Rosi, Hanna und Mia meine Safaribegleitung.
Man kann euch Frauen doch nicht alleine in die Wildnis reisen lassen! Adieu
mein Babsi-Schatz!“
Im Abschiedskuss vereint, flüsterte ich: „Ich liebe
ganz Namibia und ganz besonders dich. Hoffentlich nicht nur ein Sommernachtstraum!“
Wenige Minuten später flog dieser fürs erste davon.
Die Zeit der Wiedersehensfreude wurde durch ein
unerwartetes Ereignis aufgemischt. Diesmal war es mein Tattoosohn Kay, der für
Überraschung sorgte. „Hallo Mama, habe Neuigkeiten zu verkünden, komme doch
morgen gegen 16.00 Uhr bei uns vorbei auf einen Kaffeeplausch. Wäre uns wichtig
und wir würden uns freuen.“, so lautete die Ansage.
Familie hatte Priorität, deshalb verließ ich
vorzeitig das Büro und machte mich auf den Weg zum Studio.
„Mensch Sohnemann, deine Junggesellenbude ist ja
recht gemütlich geworden. Seit du mit Prad eine WG gegründet hast, war ich ja
noch gar nicht hier. Wohnkultur vom Feinsten, hochwertiges Mobiliar, weiße
Lederpolsterecke, urig bequem, viel Komfort und Elektronik!“, lobte ich.
Der Tisch war stilvoll gedeckt, Damastdecke,
Servietten, Käsetorte und sogar ein Schälchen Sahne stand neben dem
Milchkännchen.
„Das wirkt ja richtig feierlich! Gibt es einen
besonderen Anlass? Wer hat denn den leckeren Kuchen gebacken, schaut ganz nach
Eigenproduktion aus?“ „Der Kuchenbäcker war ich! Herzlich willkommen Frau
Baumann!“, entgegnete Prad.
„Toll, dass ihr mich mal eingeladen habt. Wie ich
sehe, geht es euch beiden bestens. Schön, dass euer Geschäft so gut floriert.“
„Wir sind happy, privat und beruflich!“,
versicherte Kay. Nun fiel ihm sein Mitbewohner ins Wort: „Liebe Barbara, da du
ja weißt, dass meine Eltern nicht mehr an meiner Seite stehen, möchten wir dich
mit als erste in unsere Lebenspläne einweihen. Kay und ich, wir lieben uns,
innig und von ganzem Herzen.“
Ich verstummte!
„Mama, wir haben uns geoutet und möchten
Weihnachten heiraten. Mit uns passt das bestens. Die Feier soll im kleinsten
Rahmen stattfinden. Wir wollen kein Aufsehen erregen und alles an die große
Glocke hängen. Prad will mir gerne in seiner Heimatstadt München das Ja-Wort
geben.“ „Ehrlich Jungs, jetzt ich bin ich aber baff und total überrascht! Aber
es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als eure Absicht zu respektieren und
mich mit der neuen Situation vertraut zu machen."
Wie ernst es ihnen mit der Beziehung war, wurde mir
erst zu Hause bewusst. Ihr beider Leben verlief bisher erfolgreich, sie harmonierten
bestens miteinander, hatten ein schönes Zuhause und schienen glücklich zu sein.
Was konnte man mehr von einer Partnerschaft erwarten? Es passte! Mit diesen
Gedanken wurden meine Großmutterhoffnungen erst einmal ins Abseits gedrängt.
1. Erst geküsst und dann geliebt
"Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg zum Propheten kommen. Was ist los mit der Barbarafrau? Warum warst du in den letzten Tagen nie erreichbar? Gab es Sendeausfälle in Hamburg? Ich habe mir ernsthafte Sorgen um dein Wohlbefinden gemacht.“
Die Berührung seines Körpers und der männliche Tabakduft, den seine Haut versprühte, fühlten sich mit einem Mal ziemlich gut an. Die lodernde Flamme des Betrogenseins war zur verlöschenden Glut herabgebrannt.
Ich verstummte!
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