Ein Genussevent, das unsere Sinne vibrieren ließ...
Die interessantesten Entdeckungsreisen offenbaren sich, wenn
man mit wachen Augen durch die Welt streift. Unser wunderschönes Eichsfeld,
burgengekrönt, bergig geformt, von Kultur-und Handwerkskunst geprägt und kulinarisch
ein Highlight ist thüringisch paradiesisch.
Der Geburtstag unseres Sohnes, der gerade von einer Whiskytour
aus Schottland zurückgekehrt war, stand vor der Tür. Ich brauchte nicht lange,
um für ihn das passende Geschenk in der Heimatregion zu finden. Mit einem Klick
in die Webseite der Brauerei Neunspringe hatte ich es gefunden. Genau dort
wurde 2016 eine Vision zur Realität. Nach einer längeren Experimentierphase
konnte 2013 die erste Destille in Fässer abgefüllt werden. Damit war der Grundstein
für die Number Nine Spirituosen-Manufaktur GmbH gelegt. Eigentlich ist
Deutschland kein typisches Whiskyland, aber wer wagt, der gewinnt.
Bereits im 5. Jhd. haben christliche Mönche in den Klöstern
von Irland und Schottland die ersten Destillen auf den Weg gebracht, las ich
bei Wikipedia. Aus heutiger Sicht betrachtet, entspricht die Whiskyherstellung
einer Lebensphilosophie. Je ausgereifter der Tropfen ist, desto edler ist sein
Geschmack, vorzüglicher das Aroma und umso höher der Preis.
Mindestens 3 Jahre und
1Tag muss die Destille im Eichenfass gelagert werden, wenn diese als Whisky
marktfähig werden soll. Höhepunkt der Reife sind Whiskys nach 10 bis 15 Jahren
Fasslagerung. Diese Raritäten haben natürlich auch ihren Liebhaberpreis, wusste
ich von meinem Sohn.
Ein traditionsreiches mittelständiges Unternehmen in Worbis,
gleich um die Ecke, hatte es geschafft, sich mit Handarbeit auf diesen Markt zu
wagen. Unter der Leitung von Bernd Ehbrecht ist es der Brauerei gelungen, die
Wendetourbulenzen zu überwinden und treu nach dem Motto: „So schmeckt das
Eichsfeld“ Brautradition fortzusetzen. Absatzmärkte hat man bereits in ganz
Deutschland gefunden.
Die Wasserquelle wurde von uns schon mehrfach in Augenschein
genommen, aber die Verarbeitungszentrale noch nicht. Gedacht, gesagt getan! Wir
staunten nicht schlecht, als wir den gläsernen Verkaufsraum betraten. Völlig
überrascht von der exklusiven Produktvielfalt beäugten und bestaunten mein Mann
und ich das regionale Getränkeangebot. Die berühmte Cola, Apfelschorle, Pils
und das Papstbier hatten wir schon genossen, aber der Gin, sowie die Legende
der Rumangebote, Edelobstbrände, Kräutertropfen und das Lutherbier waren uns
noch geschmacksfremd Dem mussten wir auf die Spur kommen. In den Bann der
Faszination geraten, erwarben wir ein handsigniertes Whiskypräsent und buchten
eine Brauereibesichtigung.
Eventtag! Wir waren erwartungsfroh gestimmt, die Sonne schien
und unser Familiengrüppchen fand sich an einem Mittwoch um 14.00Uhr auf dem
Vorplatz der Brauerei ein. Frau Diegmann empfing uns mit Herzlichkeit. „Ich kann
Sie heute durch den vollen Produktionsprozess führen, weil wir nur an Werktagen
arbeiten. Zu Stoßzeiten gibt es auch mal Sonderschichten. Wir sind ein kleines
mittelständiges Unternehmen, das mit modernster Technik auf traditionelle Weise
Getränke braut.“
Unser Rundgang begann in der Flaschenabfüllhalle. Völlig
automatisch liefen die Glaskörper durch ein Sprudelbad und kamen glasklar
wieder heraus. Lediglich ein Arbeiter kontrollierte die Kästen am Ende des Reinigungsprozesses.
„Unser größtes Problem ist, dass jede Firma ihre eigenen Flaschen
unterschiedlichster Prägung hat. Hier wird aussortiert, was scheinbar passt,
aber doch nicht zu unserem Flaschensortiment gehört. Pro Tag werden 20 000
Flaschen befüllt, jedoch nicht immer vom gleichen Getränk, das bedeutet
Produktionsumstellung!“
Im Labor, wo eine strenge technologische Kontrolle erfolgte,
ging es leiser zu. Dort erfuhren wir mehr über die breite Palette der
wohlschmeckenden Erfrischungsangebote, die außergewöhnlichen Biersorten und
exzellenten Brände.
Nach einem Gang über den Innenhof, wo LKW`s beladen wurden, Getränkewagen
und Festzeltzubehör standen, erreichten wir einen Kesselraum mit glänzenden
Edelstahltanks. „Hier vollzieht sich der Gärungsprozess, bei dem Alkohol und Kohlendioxid
gebildet werden.“
„Nun befinden wir uns in der Filtrationsanlage. In drei
Bottichen werden die festen Sudbestandteile von den flüssigen getrennt. Die
Technologie macht es möglich, dass 50 hl pro Stunde gefiltert werden können.“
Neugierig schauten wir durch ein Glasfenster, das den Prozess verdeutlichte.
„Da Qualität und Reinheit unser oberstes Gebot sind, müssen
Tanks und Schläuche ständig gereinigt werden, deshalb sieht es in der
Reinigungsstation nicht ganz so sauber aus!“ Wir stellten fest, dass der Geruch
auch nicht einladend war.
Danach erkundeten wir das Geheimnis der Fasslagerung. Kleinere
Fasstürmchen, mit dem Jahrgang beschriftet und in unterschiedlich großen
Holzbehältern aufgestapelt, ließen das Endprodukt erahnen. „Verschiedenartige Holzfassqualitäten,
Wasserbeschaffenheit, Vorgebrauch und Standort prägen den Reifeprozess, das
Aroma und den Wert des Edelbrands. Ein guter Tropfen muss mindestens 40%
Alkohol enthalten.“ Erst bei der Verkostung begriff ich, dass die Lagerung das
Endprodukt definiert. Ich bin kein Whiskyfan und mag es nicht zu rauchig, habe
aber einen sehr wohlschmeckenden Mädelstropfen entdeckt, im Cherryfass gereift.
Dieser schmeckte rauchzart, fruchtig und recht genüsslich.
In der Lagerhalle konnten wir uns noch einmal von der
versandfertigen Getränkepalette überzeugen, fachgerecht abgefüllt und edel verpackt.
Abgerundet wurde unser eindrucksvoller Rundgang durch eine
vorzüglich angerichtete Imbisstafel, auf der Eichsfelder Schlachtespezialitäten
Gaumenfreuden aufkommen ließen und der Getränkeverkostung, die uns regelrecht
in Stimmung brachte. Das Lutherbier schmeckte herzhaft süßlich, eigentlich nach
Frauentrunk. Zu erwähnen wären auch der „Reformator Kräuterlikör“, „Reformator
Bierbrand“ und „Reformator Williamsbirnen Brand“, der mit einem besonders
weichem, leicht süßem Fruchtaroma verführen kann.
Im Verkaufsraum hielt jeder nach seinen Eventfavoriten
Ausschau, um weitere Glücksereignisse feiern zu können. Ein großes Dankeschön an das Brauereiteam. Respekt und
Anerkennung möchte ich besonders dem Chef zollen, der ein Eichsfelder
Unternehmen wieder zum Blühen gebracht hat und Frau Diegmann, die uns durch die
Brauerei führte.
Jetzt wissen wir, was hinter den Begriffen Mälzen, Schroten, Maischen,
Gären, Destillieren und Lagern steckt.
Auf jeden Fall war mein Sohn mit dieser
Geburtstagsüberraschung mehr als glücklich. Und wenn ich dem Glück wieder
einmal frönen möchte, lasse ich meine Sinne mit einem Cherrywhisky in das Reich
der Zufriedenheit tröpfeln.
„WARUM DENN IN DIE FERNE SCHWEIFEN… .“