Bei diesen Erlebnissen flatterte manchmal ein ganzes Geschwader von Schmetterlingen in meinem Bauch.
5. Rüsselflirt und Nashornliebe
Im Omaruru-Gebiet bestaunte ich den Fortschritt. Stromleitungen,
Wasserpipelines, eine Lodge neben der anderen und saftiges Farmerland. „Die
Besitzer haben sich hier die Natur zu eigen gemacht und investiert. Windräder
und Wasserbrunnen werden auf jeder Ranch sichtbar.“, erfuhr ich von Hanna.
Da die Entfernung von der Etosha-Pfanne bis nach Swakop über 1000 km
betrug, peilten wir noch eine Gästefarm an. Der Prospekt der Omaruru-Lodges
versprach Tierbegegnungen hautnah, komfortable Bungalows und grüne Oasen. Unser
Anfahrtsweg war schroff und felsig. Wir tuckerten auf der schmalen Piste
bergauf und rollten mal wieder abwärts. Völlig unerwartet entdeckte ich in
dieser Einöde ein Prinzessinnenschloss, völlig aus dem Rahmen gefallen. „Seht
mal dort, was ist denn das für eine Kulisse? Dreht man hier einen
Märchenfilm?“, wollte ich wissen.
Meine einheimischen Freunde begannen schallend zu lachen und
verlangsamten die Fahrt, als wir an einem pinkfarbenen Eingangsportal vorbei
rollten. „Also doch Filmkulisse!“
„Diese Ranch hat Lady Gaga hier erworben. Anwohner wollen sie auch
schon hoch zu Ross an diesem Ort gesichtet haben!“, klärte mich Hanna auf. „Das
Objekt sieht genau so ausgeflippt aus wie die Besitzerin. Diese Lady scheint
nicht nur ein Faible für Musik zu haben, sondern auch für die Naturbühne.“,
ergänzte Rosi. Nun war ich im Bilde.
Ein prunkvolles Portal verriet uns, dass wir am Ziel waren. „Omaruru
Game Lodges“ prangte über der Einlassschranke. „Dieses edle Anwesen wurde von
einem Schweizer Architekten aus der Taufe gehoben und nach seinen Wunschträumen
gestaltet. Das gesamte Gebiet ist ein Schmuckstück. Alles erlesen, edel und
einmalig!“, ergänzte Carl, der einen sehr ausgeprägten Sinn für das Schöne
hatte.
„Die genialen Rundhütten, architektonisch einzigartig, fanden sofort
den Zuspruch der Safariliebhaber, außergewöhnlich teuer, aber unübertroffen im
Komfort. Wer sich diesen Luxus leisten kann, wird in jedem Fall das
Verwöhnprogramm seines Lebens verbuchen können.“, das wusste Mia, die hier sogar
bekannt war.
Ich kam ins Grübeln: „Wie kann man nur so viel Pracht in so einem teils
armen Land zur Schau stellen? Krassere Gegensätze habe ich noch nirgendwo
erlebt.“
„Auch das ist Namibia!“
Im Eingangsbereich erblickte ich die Wohnwürfel der schwarzen
Angestellten. Ein Parkplatz setzte uns fest. Das Lodgegelände durfte nicht mit
persönlichen Fahrzeugen durchstreift werden. „Zum Schutz der Anlagen und
Tiere!“, erklärte Hanna. In der Rezeption hieß man uns freundlich willkommen.
Als wir das Anmeldeformular ausgefüllt hatten, erhielten wir die
Bungalowschlüssel. Unser Gepäck wurde von Kofferboys zu den Rundgemächern
gebracht.
Eine Bekannte begrüßte Mia herzlich. „Schön, dass ihr da seid, habe
euch die begehrtesten Zimmer reserviert.“ „Das ist ja fantastisch, wenn du mich
in Swakop mal wieder besuchst, werde ich mich revanchieren.“
Die Anlage, die wir durchschritten, glich dem Garten Eden. Blütenpracht
und satte grüne Rasenflächen versetzten uns in Erstaunen. Hier war die
Wasserversorgung abgesichert. Selbst mein Weltmensch Carl kannte dieses
Paradies noch nicht und zeigte sich tief beeindruckt. Eine riesige
Pfauenschönheit schillerte uns vor der Eingangstür entgegen. Als wir sie mit
gebannten Blicken musterten, gab sie den Weg frei. „Was für ein
farbenberauschender Empfang! Logieren wir hier mit den Tieren Tür an Tür?“,
platzte es aus mir heraus.
„In gewisser Weise schon!“, entgegnete Mia. Rosi, ebenfalls verzaubert,
sagte: „Das ist das grüne Herz Namibias, dank modernster Bewässerungssysteme
und dem Einsatz der Weißen. Leider fehlt dem Land das Geld, um in sämtlichen
Regionen für genügend Trinkwasser zu sorgen.“
Die Einzigartigkeit des Wohnbereiches machte mich fast sprachlos. Ein
großes halbrundes Panoramafenster ließ die Wildnis vor unseren Augen Revue
passieren. Auf dem Bett sitzend, bewunderte ich ein Pfauenpärchen, das vor
Liebreiz sprühte. „Hallo Schatz, bist du angekommen? Alles echt, wahrhaftig und
zum Anfassen. Wir sind zum Kaffeetrinken verabredet.“, vernahm ich Carls
Stimme.
Das Restaurant war ebenfalls im Stil der afrikanischen Rundhäuser
architektonisch fabelhaft konstruiert und ausgestattet. „Hier hat ein Meister
des Fachs seine Lebensträume verwirklicht, Mensch und Natur auf wunderbarste
Weise vereint. Einfach genial!“
Mein Kopf wanderte hin und her, meine Augen kreisten von oben nach
unten, von rechts nach links, um alles einfangen zu können. Über jeder
Holzsitzgruppe prangte ein präparierter Tierkopf. „Ich habe das Gefühl, von
einem Nashorn ins Visier genommen zu werden. Zum Glück kann es sein Horn nicht
senken.“, registrierte ich.
Hanna erzählte: „Dieser Anblick wird immer seltener. Erst kürzlich sind
Wilderer hier im Versorgungsgebäude eingebrochen, haben dem Elefantenkopf die
Stoßzähne abgesägt und einem frei laufenden Nashorn die Waffe nebst Stolz
geraubt. Inzwischen hat der Besitzer einen Tierarzt beauftragt, seinen
Nashörnern bei Betäubung das Einhorn zu entfernen. Klingt grausam, ist aber zum
Schutz ihrer selbst.“
Erster Omaruru-Safaritrip! Voller Spannung begaben wir uns auf die
Pirsch im großen Wildreservat. Zwei fesche Burschen erwarteten uns bereits vor
dem offenen Geländewagen mit Ranchlogo, der nur für uns fünf reserviert war.
Normen, blond, tief gebräunt und keck, lächelte uns entgegen, stellte seinen
Guide vor sowie die eigene Person. „Ich bin Holländer, Sam, mein Schüler, lebt
hier in Namibia. Er soll euch heute zeigen, was er schon alles gelernt hat.
Seid begrüßt! Ich hoffe, wir können euch in den nächsten Stunden ungewöhnliche
Tierbegegnungen bieten.“
Wir hievten uns auf die Sitzbänke und ließen uns im Entdeckerfieber den
lauen Wind um die Ohren säuseln. Am Flugplatzgelände wurde gestoppt. Hier
standen in zwei Hallen die Hubschrauber. Der eine gehörte dem Boss, der andere
stand den Gästen für Rundflüge zur Verfügung. „Ihr könnt unseren Wildreichtum
aus sämtlichen Perspektiven betrachten. Wir laden rasch Futter, dann kommt der
Countdown ins Rollen!“ Als Stroh und Futtertüten verstaut waren, holperten wir
einem neuen Abenteuer entgegen. „Dieses Revier ist dreigegliedert. Im ersten
Gebiet leben unsere Großtiere, eigentlich frei, werden aber gehegt und
gepflegt. Futterstellen und Wasserlöcher durchziehen das Farmland.“
Wildhüterhütten mitten im Tierrevier versetzten uns in Erstaunen. Alles
war unter Kontrolle und bestens organisiert. Wir fuhren durch ausgetrocknete
Flussläufe und karge Landschaften. Zebras, Antilopen, Gnus und Onyxe stellten
sich uns zur Schau. Jetzt wurde das Highlight der Tour von Sam angekündigt:
„Ihr wollen werden Elefanten Essen geben. Euch nichts tun, Chef von Zirkus
gehört. Menschen nein fremd!“
Nun kam die Welle Wahnsinn ins Rollen. Mein Herz pochte laut vor
Aufregung, als uns auf einer Lichtung eine Dickhäuterfamilie begrüßte, so als
hätten sie bereits auf uns gewartet. Vier Elefanten, zwei Weibchen und zwei
Jungtiere, warteten auf das Stelldichein von Zwei- und Vierbeinern. Rasch
warfen die Guides das Stroh auf einen leeren Platz, um den Elefantenhunger zu
stillen. Danach verteilten sie Apfelstückchen an uns. „Damit könnt ihr sie
anlocken!“, so Normen.
Mia hielt als erste unerschrocken ihre Futterhand den Kolossen
entgegen. Diese mussten wohl geahnt haben, dass es noch einen leckeren
Nachtisch gab. Im Nu galt ihr Interesse uns und sie wendeten sich lüstern dem
Jeep zu. Auch Hanna war ohne Scheu bereit, die Tiere zu bewirten. Selbst Carl
und Rosi zeigten keine Berührungsängste. Sie gehörten eben zu diesem Land wie
die Dickhäuter. Nur ich verharrte in der Unentschlossenheit.
Normen beobachtete den Annäherungsversuch und erzählte: „Kühe mit ihren
einjährigen Jungen sind relativ ungefährlich. Ihre Aufmerksamkeit gilt einzig
und allein dem Nachwuchs. Die Bullen hat man außer Gefecht gesetzt, damit sie
in diesem Revier nicht alles abgrasen und ihrer Angriffslust freien Lauf lassen
können. Hier ist der Kindergarten.“
So allmählich löste sich das Spannungsfeld, die Apfelarme wurden
zusehends länger und die Tiere steuerten ungebremst auf uns zu. „Jeep nicht
weg! Sitzen still! Nicht Angst zeigen!“, so Sam. Nun rüsselten sich zuerst die
Jungtiere an uns heran, in der zweiten Reihe kamen die Mütter. Ich erlebte den
aufregendsten Flirt meines Lebens. Endlich fasste ich den Mut, meine
Apfelstücke anzubieten, wenn auch zögerlich und mit zittrigen Fingern. Meine
Blicke schweiften irritiert in sämtliche Richtungen, aus Angst vor dem
Ungewissen. Erschrocken zog ich den Kopf ein und die Hand zurück, als ein
gewaltiger Rüssel über mir ins Schwingen kam, ähnlich einer Cobra, die mir hätte erdrosseln können.
Blick nach vorne! Meine Freundinnen und sogar Carl hatten ihr Vergnügen
am Wildtierfüttern. „Hab keine eine Scheu, zeige Mut, ein Foto muss sein!“,
beflügelte mich das Gemüt. „Augen auf und durch! Wenn sie auf Menschenfleisch
Appetit gehabt hätten, wäre schon ein Unglück passiert!“, sagte ich zu mir
selbst.
Mit schlotternden Knien bot ich einem Einjährigen meine Apfelkost feil.
Erste Berührungssignale! Ein Schlabbern und Abtasten setzten ein. Meine Hände
wurden nach einigen Zuckungen bedeutend ruhiger. Es kam eine Vertrautheit auf.
„Wir sind doch alle Gast auf dieser Erde!“ Das süffig triefende Elefantenmaul
fand die Leckerbissen von Menschenhand gereicht. Zum Dank liebkoste es meine
Hand und den Arm mit schleimigen Streicheleinheiten. Der Bann war gebrochen,
Vertrauen aufgebaut und Nähe wurde zugelassen. Kaum zu fassen, ich genoss den
ersten Rüsselflirt meines Lebens, ungewohnt, aber herzzerreißend. Als der neue
Freund von Zärtlichkeiten abließ, wanderten meine neugierigen Blicke nach oben,
wo es irgendwie schattig geworden war. Schlagartig fiel ich in den Strudel des
Entsetzens, als ich über meinem Kopf zwei gewaltig gefährliche Stoßzähne
blitzen sah. „Will dich da wer platt machen? Diese Hauer schrauben dich fest,
machen dich alle!“, schrie meine Angst.
In Panik verfallen suchte ich unter der Sitzbank Schutz. Ein Lachen
wurde laut. Hannas Stimme war zu vernehmen: „Hier lebt man mit den Tieren, bei
euch steckt man sie in den Zoo. Hier sind sie Realität, in Deutschland nur
Anschauungsmaterial!“
„Kannst wieder auftauchen, das sind doch nur Kuschelelefanten!“, klang
Carl belustigt.
Belehrung von Normen: „Wenn der Wildtrieb ausbricht, hat es sich
allerdings ausgekuschelt. Jede Pirschfahrt ist ein Aufbruch ins Ungewisse. Aber
wir sind bewaffnet und können in Gefahrensituationen eingreifen.“
„Elefanten schlafen fast nie! Forscher haben herausgefunden, dass die
Kühe im Durchschnitt nur zwei Stunden am Tag absolut ruhen. Und das nicht mal
am Stück. Manchmal schlafen sie sogar tagelang nicht. Sie ruhen meist mit
geschlossenen Augen im Stehen. Dann hängt der Rüssel schlaff nach unten.“
,erfuhren wir noch.
Immer noch skeptisch, schraubte ich mich vorsichtig nach oben. Ein
Muttertier hatte mir die Breitseite zugekehrt. Nun fand ich endlich heraus, was
es mit dem Begriff „Elefantenhaut“ auf sich hatte. Diese war unansehnlich, fast
ekelerregend, dick, porös, rissig, schwarz grau gegerbt und mit Narben
gezeichnet. Symbolisch für Wildnis, Kraft und Überlebenskampf. Die Entdeckung
ließ Mitleid aufkommen!
Unser einmaliges Wildgigantenabenteuer musste natürlich festgehalten
werden. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich, „Klein- Mensch“,
Elefanten gefüttert hatte, ohne Zaun und Barrieren. Dass meine Hände einen
Elefantenrüssel zu fassen bekamen und diesen sogar liebkosten. Ein achtes
Weltwunder schien geschehen zu sein. Dies gab meinen Lebensdimensionen neue
Impulse.
Noch vor Erlebnisfreude bebend, kam ich so langsam wieder runter, als
wir weiterpirschten. Vier Zebras, die am Wegesrand verharrten, kamen unerwartet
auf uns zu, so als hätten sie auf Beute gelauert. „Sind das auch Zirkustiere,
oder können sie uns zur Gefahr werden?“, wollte ich wissen.
„Nicht zu Futter, nur zu Gucken!“, so Sam. Also stoppten wir und die
Kameras machten klick, klick! Unsere Faszination hielt an, als Tierherden den
Weg pflasterten. Hier gab es Fressen, hier gab es Wasser! Wasserböcke
belustigten uns mit ihrer Sprungkraft. Mit dem WC-Deckel auf dem Hinterteil
unverkennbar. Der weiße Ring hob sich deutlich vom Felldunkel ab.
Um in den Kleintierbereich zu gelangen, mussten wir ein Lodgetor
passieren, das von einem Kameldornbaum kunstvoll geschmückt war. Sam machte
Halt und Normen sprang vom Jeep. Rasch bekam ich von ihm ein paar aufgesammelte
Früchte zugeworfen. In den halbrunden Schoten, samit grau, raschelten die
Samen. Behutsam wickelte ich den Schatz in ein Tempotaschentuch ein. „Danke
vielmals! Hast wohl meine Gedanken gelesen? Mal schauen, ob die auch in
Deutschland wachsen. Wenn ich einen Strauch gezüchtet habe, schicke ich dir ein
Foto. Ich liebe alles, was in Namibia lebt und wächst.“
Neue Entdeckungen! Eine Schweinchenmeute wühlte im Dreck. Honigdachse
und Schakale umschlichen die Erdferkel listig. Paviane folgten uns mit viel
Geschrei. Ob sie sich wohl etwas zum Stibitzen erhofften? Sam erläuterte uns
die Vogel- und Pflanzenvielfalt, bevor wir in das Giraffenreich holperten.
„Ach, was sind das doch für langhalsige Schönheiten, sie schauen von oben herab
auf das Geschehen und haben stets den Überblick. Beim Zupfen wirken sie sogar
stoisch gelassen und ihre Trinkstellung ist einfach famos!“, resümierte ich.
„Wusstest du, dass sie auf den Knien schlafen? Ein Weibchen ist 14
Monate trächtig und kann nur ein Tierbaby in 2 Jahren zur Welt befördern. Das
Junge plumpst einfach aus der Gebärmutter heraus und rettet sich auf die
Stelzen.“, wusste Normen.
Frech und bissig sagten uns Straußsoldaten den Kampf an. Als Sam Gas
gab, wippten sie enttäuscht davon. Immergrüne Weißdornsträucher am Wegesrand!
Hanna kommentierte: „Diese Schönheiten werden bei uns häufig als
Weihnachtsbäume aufgestellt, weil sie eben ganzjährig grün sind.“
Jetzt war Hippofütterung angesagt. Ein Riesenexemplar von Flusspferd
hatte sein eigenes Reich, das zu unserem Erstaunen umzäunt war. Wir erkundeten
im Schutz unserer Guides die Anlage. Das Objekt unserer Begierde relaxte im
Pool. Zuerst bestiegen wir eine Aussichtsplattform, um uns über den Lebensraum
der Flusskuh zu informieren. Als Sam die Futterstelle bestückt hatte, schnaubte
sich die Zentnerkuh aus dem Wasser. Normen erzählte uns: „Für ihre 4 Tonnen
Kampfgewicht müssen die Tiere täglich etwa 70 kg Futter vertilgen, dazu reicht
das Gras nicht aus. Erst vor zwei Jahren entstand diese Anlage, weil zwei
Flusspferde von den Zebras gerissen wurden. Das Miteinander hat anscheinend
doch nicht harmoniert. Ein gewisser Wildtrieb ist instinktiv.“
Auch ein Gepardenpärchen und ein gefährlich erscheinender Leopard
hatten ihr eigenes Terrain. Aus Reichweite verfolgten wir das Fressritual, das
mich regelgecht erstaunte. In einer Schüssel trugen die Boys lecker riechende
und mundgerecht zerteilte Antilopenfleischhappen herbei und warfen diese nacheinander
über den Zaun. Die Raubtiere schlichen sich aus dem Buschwerk an, registrierten
kurz die Zuschauer, fletschten ihre Zähne und schnappten dann nach einem
Beutehappen. Damit verschwanden sie sofort im Dickicht, um ein ungestörtes
Fressvergnügen zu haben. Danach holten sie sich den nächsten Brocken. Erst, als
nicht mehr nachgelegt wurde, entzogen sie sich unseren neugierigen Blicken,
lediglich der Leopard schlich noch am Zaun entlang, um uns zu belauschen.
Völlig baff von so viel Wildtierimpressionen saßen wir danach total
besessen im Restaurant vor unserem Abendessen. Ein Jeder speicherte die
Sensationen des Tages für sich ab. Erst als ein sehr verführerisch duftendes
Abendessen aufgetischt wurde, schalteten wir auf Gaumenfreuden um. Die
exotischen Salate und saftigen in Bier getränkten Onyxsteaks waren ein
Hochgenuss. Der Südafrikawein wurde von Schluck zu Schluck süffiger. „So
sauwohl habe ich mich lange nicht gefühlt!“, zwitscherte ich in die Runde.
Neben uns dinnierte eine japanische Reisegruppe, bebrillt und
fotosüchtig.
Die Glasfront des Restaurants gab uns den Blick zum Tummelplatz der
Tiere frei. „Welch ein berauschendes Panoramakino, vom Sonnenuntergang ins
Licht gesetzt sowie von der Farbkulisse des Buschs und den
Tierkörpersilhouetten umrahmt. Das ist ja traumhaft schön!“, freute ich mich.
Durch das geöffnete obere Fenster drang ein Geschnattere, Gegackere und
Geschnabele der Wasservögel in den Raum. „Unsere gefiederten Freunde tauschen
ihre Tageserlebnisse aus, genau wie wir!“ „Hast du alles verstanden?“, scherzte
Carl, den ich mit meiner grenzenlosen Begeisterung für sein Namibia täglich
beglückte.
Als die Dunkelheit eingebrach, versammelten sich so nach und nach die
tierischen Lodgebewohner zum letzten Fraß. Auf Strohmatten und in Giraffenfutterkörben
wurde von den Pflegern das Abendmahl verteilt. Wir hatten unendlich viel
Vergnügen bei diesem Fressspektakel, fast jeder machte eine neue Entdeckung.
Völlig diszipliniert, dem Gesetz des Stärkeren folgend, bekamen die Kleintiere
erst zum Schluss freie Bahn zur Futterstelle. Alles schien so geordnet
kampflos, authentisch und urig. Man kann sich dieses Zusammenspiel der
Tierarten wohl nur vorstellen, wenn man es in einer Liveshow gesehen hat.
Im nächtlichen Abendvergnügen erlebte ich ganz unerwartet mein größtes
Highlight des Tages, einen Nashornflirt. Diese Nashörner hatten bereits auf
meiner ersten Reise in den afrikanischen Busch besonders anziehend auf mich
gewirkt. Aber sie hatten mir auch eine Lektion erteilt: Zu viel Nähe kann
tödlich sein!
5. Rüsselflirt und Nashornliebe
Im Omaruru-Gebiet bestaunte ich den Fortschritt. Stromleitungen,
Wasserpipelines, eine Lodge neben der anderen und saftiges Farmerland. „Die
Besitzer haben sich hier die Natur zu eigen gemacht und investiert. Windräder
und Wasserbrunnen werden auf jeder Ranch sichtbar.“, erfuhr ich von Hanna.
Da die Entfernung von der Etosha-Pfanne bis nach Swakop über 1000 km
betrug, peilten wir noch eine Gästefarm an. Der Prospekt der Omaruru-Lodges
versprach Tierbegegnungen hautnah, komfortable Bungalows und grüne Oasen. Unser
Anfahrtsweg war schroff und felsig. Wir tuckerten auf der schmalen Piste
bergauf und rollten mal wieder abwärts. Völlig unerwartet entdeckte ich in
dieser Einöde ein Prinzessinnenschloss, völlig aus dem Rahmen gefallen. „Seht
mal dort, was ist denn das für eine Kulisse? Dreht man hier einen
Märchenfilm?“, wollte ich wissen.
Meine einheimischen Freunde begannen schallend zu lachen und
verlangsamten die Fahrt, als wir an einem pinkfarbenen Eingangsportal vorbei
rollten. „Also doch Filmkulisse!“
„Diese Ranch hat Lady Gaga hier erworben. Anwohner wollen sie auch
schon hoch zu Ross an diesem Ort gesichtet haben!“, klärte mich Hanna auf. „Das
Objekt sieht genau so ausgeflippt aus wie die Besitzerin. Diese Lady scheint
nicht nur ein Faible für Musik zu haben, sondern auch für die Naturbühne.“,
ergänzte Rosi. Nun war ich im Bilde.
Ein prunkvolles Portal verriet uns, dass wir am Ziel waren. „Omaruru
Game Lodges“ prangte über der Einlassschranke. „Dieses edle Anwesen wurde von
einem Schweizer Architekten aus der Taufe gehoben und nach seinen Wunschträumen
gestaltet. Das gesamte Gebiet ist ein Schmuckstück. Alles erlesen, edel und
einmalig!“, ergänzte Carl, der einen sehr ausgeprägten Sinn für das Schöne
hatte.
„Die genialen Rundhütten, architektonisch einzigartig, fanden sofort
den Zuspruch der Safariliebhaber, außergewöhnlich teuer, aber unübertroffen im
Komfort. Wer sich diesen Luxus leisten kann, wird in jedem Fall das
Verwöhnprogramm seines Lebens verbuchen können.“, das wusste Mia, die hier sogar
bekannt war.
Ich kam ins Grübeln: „Wie kann man nur so viel Pracht in so einem teils
armen Land zur Schau stellen? Krassere Gegensätze habe ich noch nirgendwo
erlebt.“
„Auch das ist Namibia!“
Im Eingangsbereich erblickte ich die Wohnwürfel der schwarzen
Angestellten. Ein Parkplatz setzte uns fest. Das Lodgegelände durfte nicht mit
persönlichen Fahrzeugen durchstreift werden. „Zum Schutz der Anlagen und
Tiere!“, erklärte Hanna. In der Rezeption hieß man uns freundlich willkommen.
Als wir das Anmeldeformular ausgefüllt hatten, erhielten wir die
Bungalowschlüssel. Unser Gepäck wurde von Kofferboys zu den Rundgemächern
gebracht.
Eine Bekannte begrüßte Mia herzlich. „Schön, dass ihr da seid, habe
euch die begehrtesten Zimmer reserviert.“ „Das ist ja fantastisch, wenn du mich
in Swakop mal wieder besuchst, werde ich mich revanchieren.“
Die Anlage, die wir durchschritten, glich dem Garten Eden. Blütenpracht
und satte grüne Rasenflächen versetzten uns in Erstaunen. Hier war die
Wasserversorgung abgesichert. Selbst mein Weltmensch Carl kannte dieses
Paradies noch nicht und zeigte sich tief beeindruckt. Eine riesige
Pfauenschönheit schillerte uns vor der Eingangstür entgegen. Als wir sie mit
gebannten Blicken musterten, gab sie den Weg frei. „Was für ein
farbenberauschender Empfang! Logieren wir hier mit den Tieren Tür an Tür?“,
platzte es aus mir heraus.
„In gewisser Weise schon!“, entgegnete Mia. Rosi, ebenfalls verzaubert,
sagte: „Das ist das grüne Herz Namibias, dank modernster Bewässerungssysteme
und dem Einsatz der Weißen. Leider fehlt dem Land das Geld, um in sämtlichen
Regionen für genügend Trinkwasser zu sorgen.“
Die Einzigartigkeit des Wohnbereiches machte mich fast sprachlos. Ein
großes halbrundes Panoramafenster ließ die Wildnis vor unseren Augen Revue
passieren. Auf dem Bett sitzend, bewunderte ich ein Pfauenpärchen, das vor
Liebreiz sprühte. „Hallo Schatz, bist du angekommen? Alles echt, wahrhaftig und
zum Anfassen. Wir sind zum Kaffeetrinken verabredet.“, vernahm ich Carls
Stimme.
Das Restaurant war ebenfalls im Stil der afrikanischen Rundhäuser
architektonisch fabelhaft konstruiert und ausgestattet. „Hier hat ein Meister
des Fachs seine Lebensträume verwirklicht, Mensch und Natur auf wunderbarste
Weise vereint. Einfach genial!“
Mein Kopf wanderte hin und her, meine Augen kreisten von oben nach
unten, von rechts nach links, um alles einfangen zu können. Über jeder
Holzsitzgruppe prangte ein präparierter Tierkopf. „Ich habe das Gefühl, von
einem Nashorn ins Visier genommen zu werden. Zum Glück kann es sein Horn nicht
senken.“, registrierte ich.
Hanna erzählte: „Dieser Anblick wird immer seltener. Erst kürzlich sind
Wilderer hier im Versorgungsgebäude eingebrochen, haben dem Elefantenkopf die
Stoßzähne abgesägt und einem frei laufenden Nashorn die Waffe nebst Stolz
geraubt. Inzwischen hat der Besitzer einen Tierarzt beauftragt, seinen
Nashörnern bei Betäubung das Einhorn zu entfernen. Klingt grausam, ist aber zum
Schutz ihrer selbst.“
Erster Omaruru-Safaritrip! Voller Spannung begaben wir uns auf die
Pirsch im großen Wildreservat. Zwei fesche Burschen erwarteten uns bereits vor
dem offenen Geländewagen mit Ranchlogo, der nur für uns fünf reserviert war.
Normen, blond, tief gebräunt und keck, lächelte uns entgegen, stellte seinen
Guide vor sowie die eigene Person. „Ich bin Holländer, Sam, mein Schüler, lebt
hier in Namibia. Er soll euch heute zeigen, was er schon alles gelernt hat.
Seid begrüßt! Ich hoffe, wir können euch in den nächsten Stunden ungewöhnliche
Tierbegegnungen bieten.“
Wir hievten uns auf die Sitzbänke und ließen uns im Entdeckerfieber den
lauen Wind um die Ohren säuseln. Am Flugplatzgelände wurde gestoppt. Hier
standen in zwei Hallen die Hubschrauber. Der eine gehörte dem Boss, der andere
stand den Gästen für Rundflüge zur Verfügung. „Ihr könnt unseren Wildreichtum
aus sämtlichen Perspektiven betrachten. Wir laden rasch Futter, dann kommt der
Countdown ins Rollen!“ Als Stroh und Futtertüten verstaut waren, holperten wir
einem neuen Abenteuer entgegen. „Dieses Revier ist dreigegliedert. Im ersten
Gebiet leben unsere Großtiere, eigentlich frei, werden aber gehegt und
gepflegt. Futterstellen und Wasserlöcher durchziehen das Farmland.“
Wildhüterhütten mitten im Tierrevier versetzten uns in Erstaunen. Alles
war unter Kontrolle und bestens organisiert. Wir fuhren durch ausgetrocknete
Flussläufe und karge Landschaften. Zebras, Antilopen, Gnus und Onyxe stellten
sich uns zur Schau. Jetzt wurde das Highlight der Tour von Sam angekündigt:
„Ihr wollen werden Elefanten Essen geben. Euch nichts tun, Chef von Zirkus
gehört. Menschen nein fremd!“
Nun kam die Welle Wahnsinn ins Rollen. Mein Herz pochte laut vor
Aufregung, als uns auf einer Lichtung eine Dickhäuterfamilie begrüßte, so als
hätten sie bereits auf uns gewartet. Vier Elefanten, zwei Weibchen und zwei
Jungtiere, warteten auf das Stelldichein von Zwei- und Vierbeinern. Rasch
warfen die Guides das Stroh auf einen leeren Platz, um den Elefantenhunger zu
stillen. Danach verteilten sie Apfelstückchen an uns. „Damit könnt ihr sie
anlocken!“, so Normen.
Mia hielt als erste unerschrocken ihre Futterhand den Kolossen
entgegen. Diese mussten wohl geahnt haben, dass es noch einen leckeren
Nachtisch gab. Im Nu galt ihr Interesse uns und sie wendeten sich lüstern dem
Jeep zu. Auch Hanna war ohne Scheu bereit, die Tiere zu bewirten. Selbst Carl
und Rosi zeigten keine Berührungsängste. Sie gehörten eben zu diesem Land wie
die Dickhäuter. Nur ich verharrte in der Unentschlossenheit.
Normen beobachtete den Annäherungsversuch und erzählte: „Kühe mit ihren
einjährigen Jungen sind relativ ungefährlich. Ihre Aufmerksamkeit gilt einzig
und allein dem Nachwuchs. Die Bullen hat man außer Gefecht gesetzt, damit sie
in diesem Revier nicht alles abgrasen und ihrer Angriffslust freien Lauf lassen
können. Hier ist der Kindergarten.“
So allmählich löste sich das Spannungsfeld, die Apfelarme wurden
zusehends länger und die Tiere steuerten ungebremst auf uns zu. „Jeep nicht
weg! Sitzen still! Nicht Angst zeigen!“, so Sam. Nun rüsselten sich zuerst die
Jungtiere an uns heran, in der zweiten Reihe kamen die Mütter. Ich erlebte den
aufregendsten Flirt meines Lebens. Endlich fasste ich den Mut, meine
Apfelstücke anzubieten, wenn auch zögerlich und mit zittrigen Fingern. Meine
Blicke schweiften irritiert in sämtliche Richtungen, aus Angst vor dem
Ungewissen. Erschrocken zog ich den Kopf ein und die Hand zurück, als ein
gewaltiger Rüssel über mir ins Schwingen kam, ähnlich einer Cobra, die mir hätte erdrosseln können.
Blick nach vorne! Meine Freundinnen und sogar Carl hatten ihr Vergnügen
am Wildtierfüttern. „Hab keine eine Scheu, zeige Mut, ein Foto muss sein!“,
beflügelte mich das Gemüt. „Augen auf und durch! Wenn sie auf Menschenfleisch
Appetit gehabt hätten, wäre schon ein Unglück passiert!“, sagte ich zu mir
selbst.
Mit schlotternden Knien bot ich einem Einjährigen meine Apfelkost feil.
Erste Berührungssignale! Ein Schlabbern und Abtasten setzten ein. Meine Hände
wurden nach einigen Zuckungen bedeutend ruhiger. Es kam eine Vertrautheit auf.
„Wir sind doch alle Gast auf dieser Erde!“ Das süffig triefende Elefantenmaul
fand die Leckerbissen von Menschenhand gereicht. Zum Dank liebkoste es meine
Hand und den Arm mit schleimigen Streicheleinheiten. Der Bann war gebrochen,
Vertrauen aufgebaut und Nähe wurde zugelassen. Kaum zu fassen, ich genoss den
ersten Rüsselflirt meines Lebens, ungewohnt, aber herzzerreißend. Als der neue
Freund von Zärtlichkeiten abließ, wanderten meine neugierigen Blicke nach oben,
wo es irgendwie schattig geworden war. Schlagartig fiel ich in den Strudel des
Entsetzens, als ich über meinem Kopf zwei gewaltig gefährliche Stoßzähne
blitzen sah. „Will dich da wer platt machen? Diese Hauer schrauben dich fest,
machen dich alle!“, schrie meine Angst.
In Panik verfallen suchte ich unter der Sitzbank Schutz. Ein Lachen
wurde laut. Hannas Stimme war zu vernehmen: „Hier lebt man mit den Tieren, bei
euch steckt man sie in den Zoo. Hier sind sie Realität, in Deutschland nur
Anschauungsmaterial!“
„Kannst wieder auftauchen, das sind doch nur Kuschelelefanten!“, klang
Carl belustigt.
Belehrung von Normen: „Wenn der Wildtrieb ausbricht, hat es sich
allerdings ausgekuschelt. Jede Pirschfahrt ist ein Aufbruch ins Ungewisse. Aber
wir sind bewaffnet und können in Gefahrensituationen eingreifen.“
„Elefanten schlafen fast nie! Forscher haben herausgefunden, dass die
Kühe im Durchschnitt nur zwei Stunden am Tag absolut ruhen. Und das nicht mal
am Stück. Manchmal schlafen sie sogar tagelang nicht. Sie ruhen meist mit
geschlossenen Augen im Stehen. Dann hängt der Rüssel schlaff nach unten.“
,erfuhren wir noch.
Immer noch skeptisch, schraubte ich mich vorsichtig nach oben. Ein
Muttertier hatte mir die Breitseite zugekehrt. Nun fand ich endlich heraus, was
es mit dem Begriff „Elefantenhaut“ auf sich hatte. Diese war unansehnlich, fast
ekelerregend, dick, porös, rissig, schwarz grau gegerbt und mit Narben
gezeichnet. Symbolisch für Wildnis, Kraft und Überlebenskampf. Die Entdeckung
ließ Mitleid aufkommen!
Unser einmaliges Wildgigantenabenteuer musste natürlich festgehalten
werden. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich, „Klein- Mensch“,
Elefanten gefüttert hatte, ohne Zaun und Barrieren. Dass meine Hände einen
Elefantenrüssel zu fassen bekamen und diesen sogar liebkosten. Ein achtes
Weltwunder schien geschehen zu sein. Dies gab meinen Lebensdimensionen neue
Impulse.
Noch vor Erlebnisfreude bebend, kam ich so langsam wieder runter, als
wir weiterpirschten. Vier Zebras, die am Wegesrand verharrten, kamen unerwartet
auf uns zu, so als hätten sie auf Beute gelauert. „Sind das auch Zirkustiere,
oder können sie uns zur Gefahr werden?“, wollte ich wissen.
„Nicht zu Futter, nur zu Gucken!“, so Sam. Also stoppten wir und die
Kameras machten klick, klick! Unsere Faszination hielt an, als Tierherden den
Weg pflasterten. Hier gab es Fressen, hier gab es Wasser! Wasserböcke
belustigten uns mit ihrer Sprungkraft. Mit dem WC-Deckel auf dem Hinterteil
unverkennbar. Der weiße Ring hob sich deutlich vom Felldunkel ab.
Um in den Kleintierbereich zu gelangen, mussten wir ein Lodgetor
passieren, das von einem Kameldornbaum kunstvoll geschmückt war. Sam machte
Halt und Normen sprang vom Jeep. Rasch bekam ich von ihm ein paar aufgesammelte
Früchte zugeworfen. In den halbrunden Schoten, samit grau, raschelten die
Samen. Behutsam wickelte ich den Schatz in ein Tempotaschentuch ein. „Danke
vielmals! Hast wohl meine Gedanken gelesen? Mal schauen, ob die auch in
Deutschland wachsen. Wenn ich einen Strauch gezüchtet habe, schicke ich dir ein
Foto. Ich liebe alles, was in Namibia lebt und wächst.“
Neue Entdeckungen! Eine Schweinchenmeute wühlte im Dreck. Honigdachse
und Schakale umschlichen die Erdferkel listig. Paviane folgten uns mit viel
Geschrei. Ob sie sich wohl etwas zum Stibitzen erhofften? Sam erläuterte uns
die Vogel- und Pflanzenvielfalt, bevor wir in das Giraffenreich holperten.
„Ach, was sind das doch für langhalsige Schönheiten, sie schauen von oben herab
auf das Geschehen und haben stets den Überblick. Beim Zupfen wirken sie sogar
stoisch gelassen und ihre Trinkstellung ist einfach famos!“, resümierte ich.
„Wusstest du, dass sie auf den Knien schlafen? Ein Weibchen ist 14
Monate trächtig und kann nur ein Tierbaby in 2 Jahren zur Welt befördern. Das
Junge plumpst einfach aus der Gebärmutter heraus und rettet sich auf die
Stelzen.“, wusste Normen.
Frech und bissig sagten uns Straußsoldaten den Kampf an. Als Sam Gas
gab, wippten sie enttäuscht davon. Immergrüne Weißdornsträucher am Wegesrand!
Hanna kommentierte: „Diese Schönheiten werden bei uns häufig als
Weihnachtsbäume aufgestellt, weil sie eben ganzjährig grün sind.“
Jetzt war Hippofütterung angesagt. Ein Riesenexemplar von Flusspferd
hatte sein eigenes Reich, das zu unserem Erstaunen umzäunt war. Wir erkundeten
im Schutz unserer Guides die Anlage. Das Objekt unserer Begierde relaxte im
Pool. Zuerst bestiegen wir eine Aussichtsplattform, um uns über den Lebensraum
der Flusskuh zu informieren. Als Sam die Futterstelle bestückt hatte, schnaubte
sich die Zentnerkuh aus dem Wasser. Normen erzählte uns: „Für ihre 4 Tonnen
Kampfgewicht müssen die Tiere täglich etwa 70 kg Futter vertilgen, dazu reicht
das Gras nicht aus. Erst vor zwei Jahren entstand diese Anlage, weil zwei
Flusspferde von den Zebras gerissen wurden. Das Miteinander hat anscheinend
doch nicht harmoniert. Ein gewisser Wildtrieb ist instinktiv.“
Auch ein Gepardenpärchen und ein gefährlich erscheinender Leopard
hatten ihr eigenes Terrain. Aus Reichweite verfolgten wir das Fressritual, das
mich regelgecht erstaunte. In einer Schüssel trugen die Boys lecker riechende
und mundgerecht zerteilte Antilopenfleischhappen herbei und warfen diese nacheinander
über den Zaun. Die Raubtiere schlichen sich aus dem Buschwerk an, registrierten
kurz die Zuschauer, fletschten ihre Zähne und schnappten dann nach einem
Beutehappen. Damit verschwanden sie sofort im Dickicht, um ein ungestörtes
Fressvergnügen zu haben. Danach holten sie sich den nächsten Brocken. Erst, als
nicht mehr nachgelegt wurde, entzogen sie sich unseren neugierigen Blicken,
lediglich der Leopard schlich noch am Zaun entlang, um uns zu belauschen.
Völlig baff von so viel Wildtierimpressionen saßen wir danach total
besessen im Restaurant vor unserem Abendessen. Ein Jeder speicherte die
Sensationen des Tages für sich ab. Erst als ein sehr verführerisch duftendes
Abendessen aufgetischt wurde, schalteten wir auf Gaumenfreuden um. Die
exotischen Salate und saftigen in Bier getränkten Onyxsteaks waren ein
Hochgenuss. Der Südafrikawein wurde von Schluck zu Schluck süffiger. „So
sauwohl habe ich mich lange nicht gefühlt!“, zwitscherte ich in die Runde.
Neben uns dinnierte eine japanische Reisegruppe, bebrillt und
fotosüchtig.
Die Glasfront des Restaurants gab uns den Blick zum Tummelplatz der
Tiere frei. „Welch ein berauschendes Panoramakino, vom Sonnenuntergang ins
Licht gesetzt sowie von der Farbkulisse des Buschs und den
Tierkörpersilhouetten umrahmt. Das ist ja traumhaft schön!“, freute ich mich.
Durch das geöffnete obere Fenster drang ein Geschnattere, Gegackere und
Geschnabele der Wasservögel in den Raum. „Unsere gefiederten Freunde tauschen
ihre Tageserlebnisse aus, genau wie wir!“ „Hast du alles verstanden?“, scherzte
Carl, den ich mit meiner grenzenlosen Begeisterung für sein Namibia täglich
beglückte.
Als die Dunkelheit eingebrach, versammelten sich so nach und nach die
tierischen Lodgebewohner zum letzten Fraß. Auf Strohmatten und in Giraffenfutterkörben
wurde von den Pflegern das Abendmahl verteilt. Wir hatten unendlich viel
Vergnügen bei diesem Fressspektakel, fast jeder machte eine neue Entdeckung.
Völlig diszipliniert, dem Gesetz des Stärkeren folgend, bekamen die Kleintiere
erst zum Schluss freie Bahn zur Futterstelle. Alles schien so geordnet
kampflos, authentisch und urig. Man kann sich dieses Zusammenspiel der
Tierarten wohl nur vorstellen, wenn man es in einer Liveshow gesehen hat.
Im nächtlichen Abendvergnügen erlebte ich ganz unerwartet mein größtes
Highlight des Tages, einen Nashornflirt. Diese Nashörner hatten bereits auf
meiner ersten Reise in den afrikanischen Busch besonders anziehend auf mich
gewirkt. Aber sie hatten mir auch eine
Lektion erteilt: Zu viel Nähe kann tödlich sein!
Lektion erteilt: Zu viel Nähe kann tödlich sein!