Dienstag, 20. März 2018

" Rüsselflirt und Nashornliebe" - 5.Kapitel


Bei diesen Erlebnissen flatterte manchmal ein ganzes Geschwader von Schmetterlingen in meinem Bauch.

5. Rüsselflirt und Nashornliebe

Im Omaruru-Gebiet bestaunte ich den Fortschritt. Stromleitungen, Wasserpipelines, eine Lodge neben der anderen und saftiges Farmerland. „Die Besitzer haben sich hier die Natur zu eigen gemacht und investiert. Windräder und Wasserbrunnen werden auf jeder Ranch sichtbar.“, erfuhr ich von Hanna.
Da die Entfernung von der Etosha-Pfanne bis nach Swakop über 1000 km betrug, peilten wir noch eine Gästefarm an. Der Prospekt der Omaruru-Lodges versprach Tierbegegnungen hautnah, komfortable Bungalows und grüne Oasen. Unser Anfahrtsweg war schroff und felsig. Wir tuckerten auf der schmalen Piste bergauf und rollten mal wieder abwärts. Völlig unerwartet entdeckte ich in dieser Einöde ein Prinzessinnenschloss, völlig aus dem Rahmen gefallen. „Seht mal dort, was ist denn das für eine Kulisse? Dreht man hier einen Märchenfilm?“, wollte ich wissen.
Meine einheimischen Freunde begannen schallend zu lachen und verlangsamten die Fahrt, als wir an einem pinkfarbenen Eingangsportal vorbei rollten. „Also doch Filmkulisse!“
„Diese Ranch hat Lady Gaga hier erworben. Anwohner wollen sie auch schon hoch zu Ross an diesem Ort gesichtet haben!“, klärte mich Hanna auf. „Das Objekt sieht genau so ausgeflippt aus wie die Besitzerin. Diese Lady scheint nicht nur ein Faible für Musik zu haben, sondern auch für die Naturbühne.“, ergänzte Rosi. Nun war ich im Bilde.
Ein prunkvolles Portal verriet uns, dass wir am Ziel waren. „Omaruru Game Lodges“ prangte über der Einlassschranke. „Dieses edle Anwesen wurde von einem Schweizer Architekten aus der Taufe gehoben und nach seinen Wunschträumen gestaltet. Das gesamte Gebiet ist ein Schmuckstück. Alles erlesen, edel und einmalig!“, ergänzte Carl, der einen sehr ausgeprägten Sinn für das Schöne hatte.
„Die genialen Rundhütten, architektonisch einzigartig, fanden sofort den Zuspruch der Safariliebhaber, außergewöhnlich teuer, aber unübertroffen im Komfort. Wer sich diesen Luxus leisten kann, wird in jedem Fall das Verwöhnprogramm seines Lebens verbuchen können.“, das wusste Mia, die hier sogar bekannt war.
Ich kam ins Grübeln: „Wie kann man nur so viel Pracht in so einem teils armen Land zur Schau stellen? Krassere Gegensätze habe ich noch nirgendwo erlebt.“
„Auch das ist Namibia!“
Im Eingangsbereich erblickte ich die Wohnwürfel der schwarzen Angestellten. Ein Parkplatz setzte uns fest. Das Lodgegelände durfte nicht mit persönlichen Fahrzeugen durchstreift werden. „Zum Schutz der Anlagen und Tiere!“, erklärte Hanna. In der Rezeption hieß man uns freundlich willkommen. Als wir das Anmeldeformular ausgefüllt hatten, erhielten wir die Bungalowschlüssel. Unser Gepäck wurde von Kofferboys zu den Rundgemächern gebracht.
Eine Bekannte begrüßte Mia herzlich. „Schön, dass ihr da seid, habe euch die begehrtesten Zimmer reserviert.“ „Das ist ja fantastisch, wenn du mich in Swakop mal wieder besuchst, werde ich mich revanchieren.“
Die Anlage, die wir durchschritten, glich dem Garten Eden. Blütenpracht und satte grüne Rasenflächen versetzten uns in Erstaunen. Hier war die Wasserversorgung abgesichert. Selbst mein Weltmensch Carl kannte dieses Paradies noch nicht und zeigte sich tief beeindruckt. Eine riesige Pfauenschönheit schillerte uns vor der Eingangstür entgegen. Als wir sie mit gebannten Blicken musterten, gab sie den Weg frei. „Was für ein farbenberauschender Empfang! Logieren wir hier mit den Tieren Tür an Tür?“, platzte es aus mir heraus.
„In gewisser Weise schon!“, entgegnete Mia. Rosi, ebenfalls verzaubert, sagte: „Das ist das grüne Herz Namibias, dank modernster Bewässerungssysteme und dem Einsatz der Weißen. Leider fehlt dem Land das Geld, um in sämtlichen Regionen für genügend Trinkwasser zu sorgen.“
Die Einzigartigkeit des Wohnbereiches machte mich fast sprachlos. Ein großes halbrundes Panoramafenster ließ die Wildnis vor unseren Augen Revue passieren. Auf dem Bett sitzend, bewunderte ich ein Pfauenpärchen, das vor Liebreiz sprühte. „Hallo Schatz, bist du angekommen? Alles echt, wahrhaftig und zum Anfassen. Wir sind zum Kaffeetrinken verabredet.“, vernahm ich Carls Stimme.
Das Restaurant war ebenfalls im Stil der afrikanischen Rundhäuser architektonisch fabelhaft konstruiert und ausgestattet. „Hier hat ein Meister des Fachs seine Lebensträume verwirklicht, Mensch und Natur auf wunderbarste Weise vereint. Einfach genial!“
Mein Kopf wanderte hin und her, meine Augen kreisten von oben nach unten, von rechts nach links, um alles einfangen zu können. Über jeder Holzsitzgruppe prangte ein präparierter Tierkopf. „Ich habe das Gefühl, von einem Nashorn ins Visier genommen zu werden. Zum Glück kann es sein Horn nicht senken.“, registrierte ich.
Hanna erzählte: „Dieser Anblick wird immer seltener. Erst kürzlich sind Wilderer hier im Versorgungsgebäude eingebrochen, haben dem Elefantenkopf die Stoßzähne abgesägt und einem frei laufenden Nashorn die Waffe nebst Stolz geraubt. Inzwischen hat der Besitzer einen Tierarzt beauftragt, seinen Nashörnern bei Betäubung das Einhorn zu entfernen. Klingt grausam, ist aber zum Schutz ihrer selbst.“
Erster Omaruru-Safaritrip! Voller Spannung begaben wir uns auf die Pirsch im großen Wildreservat. Zwei fesche Burschen erwarteten uns bereits vor dem offenen Geländewagen mit Ranchlogo, der nur für uns fünf reserviert war. Normen, blond, tief gebräunt und keck, lächelte uns entgegen, stellte seinen Guide vor sowie die eigene Person. „Ich bin Holländer, Sam, mein Schüler, lebt hier in Namibia. Er soll euch heute zeigen, was er schon alles gelernt hat. Seid begrüßt! Ich hoffe, wir können euch in den nächsten Stunden ungewöhnliche Tierbegegnungen bieten.“
Wir hievten uns auf die Sitzbänke und ließen uns im Entdeckerfieber den lauen Wind um die Ohren säuseln. Am Flugplatzgelände wurde gestoppt. Hier standen in zwei Hallen die Hubschrauber. Der eine gehörte dem Boss, der andere stand den Gästen für Rundflüge zur Verfügung. „Ihr könnt unseren Wildreichtum aus sämtlichen Perspektiven betrachten. Wir laden rasch Futter, dann kommt der Countdown ins Rollen!“ Als Stroh und Futtertüten verstaut waren, holperten wir einem neuen Abenteuer entgegen. „Dieses Revier ist dreigegliedert. Im ersten Gebiet leben unsere Großtiere, eigentlich frei, werden aber gehegt und gepflegt. Futterstellen und Wasserlöcher durchziehen das Farmland.“
Wildhüterhütten mitten im Tierrevier versetzten uns in Erstaunen. Alles war unter Kontrolle und bestens organisiert. Wir fuhren durch ausgetrocknete Flussläufe und karge Landschaften. Zebras, Antilopen, Gnus und Onyxe stellten sich uns zur Schau. Jetzt wurde das Highlight der Tour von Sam angekündigt: „Ihr wollen werden Elefanten Essen geben. Euch nichts tun, Chef von Zirkus gehört. Menschen nein fremd!“
Nun kam die Welle Wahnsinn ins Rollen. Mein Herz pochte laut vor Aufregung, als uns auf einer Lichtung eine Dickhäuterfamilie begrüßte, so als hätten sie bereits auf uns gewartet. Vier Elefanten, zwei Weibchen und zwei Jungtiere, warteten auf das Stelldichein von Zwei- und Vierbeinern. Rasch warfen die Guides das Stroh auf einen leeren Platz, um den Elefantenhunger zu stillen. Danach verteilten sie Apfelstückchen an uns. „Damit könnt ihr sie anlocken!“, so Normen.
Mia hielt als erste unerschrocken ihre Futterhand den Kolossen entgegen. Diese mussten wohl geahnt haben, dass es noch einen leckeren Nachtisch gab. Im Nu galt ihr Interesse uns und sie wendeten sich lüstern dem Jeep zu. Auch Hanna war ohne Scheu bereit, die Tiere zu bewirten. Selbst Carl und Rosi zeigten keine Berührungsängste. Sie gehörten eben zu diesem Land wie die Dickhäuter. Nur ich verharrte in der Unentschlossenheit.
Normen beobachtete den Annäherungsversuch und erzählte: „Kühe mit ihren einjährigen Jungen sind relativ ungefährlich. Ihre Aufmerksamkeit gilt einzig und allein dem Nachwuchs. Die Bullen hat man außer Gefecht gesetzt, damit sie in diesem Revier nicht alles abgrasen und ihrer Angriffslust freien Lauf lassen können. Hier ist der Kindergarten.“
So allmählich löste sich das Spannungsfeld, die Apfelarme wurden zusehends länger und die Tiere steuerten ungebremst auf uns zu. „Jeep nicht weg! Sitzen still! Nicht Angst zeigen!“, so Sam. Nun rüsselten sich zuerst die Jungtiere an uns heran, in der zweiten Reihe kamen die Mütter. Ich erlebte den aufregendsten Flirt meines Lebens. Endlich fasste ich den Mut, meine Apfelstücke anzubieten, wenn auch zögerlich und mit zittrigen Fingern. Meine Blicke schweiften irritiert in sämtliche Richtungen, aus Angst vor dem Ungewissen. Erschrocken zog ich den Kopf ein und die Hand zurück, als ein gewaltiger Rüssel über mir ins Schwingen kam, ähnlich einer Cobra, die mir hätte  erdrosseln können.
Blick nach vorne! Meine Freundinnen und sogar Carl hatten ihr Vergnügen am Wildtierfüttern. „Hab keine eine Scheu, zeige Mut, ein Foto muss sein!“, beflügelte mich das Gemüt. „Augen auf und durch! Wenn sie auf Menschenfleisch Appetit gehabt hätten, wäre schon ein Unglück passiert!“, sagte ich zu mir selbst.
Mit schlotternden Knien bot ich einem Einjährigen meine Apfelkost feil. Erste Berührungssignale! Ein Schlabbern und Abtasten setzten ein. Meine Hände wurden nach einigen Zuckungen bedeutend ruhiger. Es kam eine Vertrautheit auf. „Wir sind doch alle Gast auf dieser Erde!“ Das süffig triefende Elefantenmaul fand die Leckerbissen von Menschenhand gereicht. Zum Dank liebkoste es meine Hand und den Arm mit schleimigen Streicheleinheiten. Der Bann war gebrochen, Vertrauen aufgebaut und Nähe wurde zugelassen. Kaum zu fassen, ich genoss den ersten Rüsselflirt meines Lebens, ungewohnt, aber herzzerreißend. Als der neue Freund von Zärtlichkeiten abließ, wanderten meine neugierigen Blicke nach oben, wo es irgendwie schattig geworden war. Schlagartig fiel ich in den Strudel des Entsetzens, als ich über meinem Kopf zwei gewaltig gefährliche Stoßzähne blitzen sah. „Will dich da wer platt machen? Diese Hauer schrauben dich fest, machen dich alle!“, schrie meine Angst.
In Panik verfallen suchte ich unter der Sitzbank Schutz. Ein Lachen wurde laut. Hannas Stimme war zu vernehmen: „Hier lebt man mit den Tieren, bei euch steckt man sie in den Zoo. Hier sind sie Realität, in Deutschland nur Anschauungsmaterial!“
„Kannst wieder auftauchen, das sind doch nur Kuschelelefanten!“, klang Carl belustigt.
Belehrung von Normen: „Wenn der Wildtrieb ausbricht, hat es sich allerdings ausgekuschelt. Jede Pirschfahrt ist ein Aufbruch ins Ungewisse. Aber wir sind bewaffnet und können in Gefahrensituationen eingreifen.“
„Elefanten schlafen fast nie! Forscher haben herausgefunden, dass die Kühe im Durchschnitt nur zwei Stunden am Tag absolut ruhen. Und das nicht mal am Stück. Manchmal schlafen sie sogar tagelang nicht. Sie ruhen meist mit geschlossenen Augen im Stehen. Dann hängt der Rüssel schlaff nach unten.“ ,erfuhren wir noch.
Immer noch skeptisch, schraubte ich mich vorsichtig nach oben. Ein Muttertier hatte mir die Breitseite zugekehrt. Nun fand ich endlich heraus, was es mit dem Begriff „Elefantenhaut“ auf sich hatte. Diese war unansehnlich, fast ekelerregend, dick, porös, rissig, schwarz grau gegerbt und mit Narben gezeichnet. Symbolisch für Wildnis, Kraft und Überlebenskampf. Die Entdeckung ließ Mitleid aufkommen!
Unser einmaliges Wildgigantenabenteuer musste natürlich festgehalten werden. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich, „Klein- Mensch“, Elefanten gefüttert hatte, ohne Zaun und Barrieren. Dass meine Hände einen Elefantenrüssel zu fassen bekamen und diesen sogar liebkosten. Ein achtes Weltwunder schien geschehen zu sein. Dies gab meinen Lebensdimensionen neue Impulse.
Noch vor Erlebnisfreude bebend, kam ich so langsam wieder runter, als wir weiterpirschten. Vier Zebras, die am Wegesrand verharrten, kamen unerwartet auf uns zu, so als hätten sie auf Beute gelauert. „Sind das auch Zirkustiere, oder können sie uns zur Gefahr werden?“, wollte ich wissen.
„Nicht zu Futter, nur zu Gucken!“, so Sam. Also stoppten wir und die Kameras machten klick, klick! Unsere Faszination hielt an, als Tierherden den Weg pflasterten. Hier gab es Fressen, hier gab es Wasser! Wasserböcke belustigten uns mit ihrer Sprungkraft. Mit dem WC-Deckel auf dem Hinterteil unverkennbar. Der weiße Ring hob sich deutlich vom Felldunkel ab.
Um in den Kleintierbereich zu gelangen, mussten wir ein Lodgetor passieren, das von einem Kameldornbaum kunstvoll geschmückt war. Sam machte Halt und Normen sprang vom Jeep. Rasch bekam ich von ihm ein paar aufgesammelte Früchte zugeworfen. In den halbrunden Schoten, samit grau, raschelten die Samen. Behutsam wickelte ich den Schatz in ein Tempotaschentuch ein. „Danke vielmals! Hast wohl meine Gedanken gelesen? Mal schauen, ob die auch in Deutschland wachsen. Wenn ich einen Strauch gezüchtet habe, schicke ich dir ein Foto. Ich liebe alles, was in Namibia lebt und wächst.“
Neue Entdeckungen! Eine Schweinchenmeute wühlte im Dreck. Honigdachse und Schakale umschlichen die Erdferkel listig. Paviane folgten uns mit viel Geschrei. Ob sie sich wohl etwas zum Stibitzen erhofften? Sam erläuterte uns die Vogel- und Pflanzenvielfalt, bevor wir in das Giraffenreich holperten. „Ach, was sind das doch für langhalsige Schönheiten, sie schauen von oben herab auf das Geschehen und haben stets den Überblick. Beim Zupfen wirken sie sogar stoisch gelassen und ihre Trinkstellung ist einfach famos!“, resümierte ich.
„Wusstest du, dass sie auf den Knien schlafen? Ein Weibchen ist 14 Monate trächtig und kann nur ein Tierbaby in 2 Jahren zur Welt befördern. Das Junge plumpst einfach aus der Gebärmutter heraus und rettet sich auf die Stelzen.“, wusste Normen.
Frech und bissig sagten uns Straußsoldaten den Kampf an. Als Sam Gas gab, wippten sie enttäuscht davon. Immergrüne Weißdornsträucher am Wegesrand! Hanna kommentierte: „Diese Schönheiten werden bei uns häufig als Weihnachtsbäume aufgestellt, weil sie eben ganzjährig grün sind.“
Jetzt war Hippofütterung angesagt. Ein Riesenexemplar von Flusspferd hatte sein eigenes Reich, das zu unserem Erstaunen umzäunt war. Wir erkundeten im Schutz unserer Guides die Anlage. Das Objekt unserer Begierde relaxte im Pool. Zuerst bestiegen wir eine Aussichtsplattform, um uns über den Lebensraum der Flusskuh zu informieren. Als Sam die Futterstelle bestückt hatte, schnaubte sich die Zentnerkuh aus dem Wasser. Normen erzählte uns: „Für ihre 4 Tonnen Kampfgewicht müssen die Tiere täglich etwa 70 kg Futter vertilgen, dazu reicht das Gras nicht aus. Erst vor zwei Jahren entstand diese Anlage, weil zwei Flusspferde von den Zebras gerissen wurden. Das Miteinander hat anscheinend doch nicht harmoniert. Ein gewisser Wildtrieb ist instinktiv.“
Auch ein Gepardenpärchen und ein gefährlich erscheinender Leopard hatten ihr eigenes Terrain. Aus Reichweite verfolgten wir das Fressritual, das mich regelgecht erstaunte. In einer Schüssel trugen die Boys lecker riechende und mundgerecht zerteilte Antilopenfleischhappen herbei und warfen diese nacheinander über den Zaun. Die Raubtiere schlichen sich aus dem Buschwerk an, registrierten kurz die Zuschauer, fletschten ihre Zähne und schnappten dann nach einem Beutehappen. Damit verschwanden sie sofort im Dickicht, um ein ungestörtes Fressvergnügen zu haben. Danach holten sie sich den nächsten Brocken. Erst, als nicht mehr nachgelegt wurde, entzogen sie sich unseren neugierigen Blicken, lediglich der Leopard schlich noch am Zaun entlang, um uns zu belauschen.
Völlig baff von so viel Wildtierimpressionen saßen wir danach total besessen im Restaurant vor unserem Abendessen. Ein Jeder speicherte die Sensationen des Tages für sich ab. Erst als ein sehr verführerisch duftendes Abendessen aufgetischt wurde, schalteten wir auf Gaumenfreuden um. Die exotischen Salate und saftigen in Bier getränkten Onyxsteaks waren ein Hochgenuss. Der Südafrikawein wurde von Schluck zu Schluck süffiger. „So sauwohl habe ich mich lange nicht gefühlt!“, zwitscherte ich in die Runde.
Neben uns dinnierte eine japanische Reisegruppe, bebrillt und fotosüchtig.
Die Glasfront des Restaurants gab uns den Blick zum Tummelplatz der Tiere frei. „Welch ein berauschendes Panoramakino, vom Sonnenuntergang ins Licht gesetzt sowie von der Farbkulisse des Buschs und den Tierkörpersilhouetten umrahmt. Das ist ja traumhaft schön!“, freute ich mich.
Durch das geöffnete obere Fenster drang ein Geschnattere, Gegackere und Geschnabele der Wasservögel in den Raum. „Unsere gefiederten Freunde tauschen ihre Tageserlebnisse aus, genau wie wir!“ „Hast du alles verstanden?“, scherzte Carl, den ich mit meiner grenzenlosen Begeisterung für sein Namibia täglich beglückte.
Als die Dunkelheit eingebrach, versammelten sich so nach und nach die tierischen Lodgebewohner zum letzten Fraß. Auf Strohmatten und in Giraffenfutterkörben wurde von den Pflegern das Abendmahl verteilt. Wir hatten unendlich viel Vergnügen bei diesem Fressspektakel, fast jeder machte eine neue Entdeckung. Völlig diszipliniert, dem Gesetz des Stärkeren folgend, bekamen die Kleintiere erst zum Schluss freie Bahn zur Futterstelle. Alles schien so geordnet kampflos, authentisch und urig. Man kann sich dieses Zusammenspiel der Tierarten wohl nur vorstellen, wenn man es in einer Liveshow gesehen hat.
Im nächtlichen Abendvergnügen erlebte ich ganz unerwartet mein größtes Highlight des Tages, einen Nashornflirt. Diese Nashörner hatten bereits auf meiner ersten Reise in den afrikanischen Busch besonders anziehend auf mich gewirkt. Aber sie hatten mir auch eine Lektion erteilt: Zu viel Nähe kann tödlich sein!
5. Rüsselflirt und Nashornliebe
Im Omaruru-Gebiet bestaunte ich den Fortschritt. Stromleitungen, Wasserpipelines, eine Lodge neben der anderen und saftiges Farmerland. „Die Besitzer haben sich hier die Natur zu eigen gemacht und investiert. Windräder und Wasserbrunnen werden auf jeder Ranch sichtbar.“, erfuhr ich von Hanna.
Da die Entfernung von der Etosha-Pfanne bis nach Swakop über 1000 km betrug, peilten wir noch eine Gästefarm an. Der Prospekt der Omaruru-Lodges versprach Tierbegegnungen hautnah, komfortable Bungalows und grüne Oasen. Unser Anfahrtsweg war schroff und felsig. Wir tuckerten auf der schmalen Piste bergauf und rollten mal wieder abwärts. Völlig unerwartet entdeckte ich in dieser Einöde ein Prinzessinnenschloss, völlig aus dem Rahmen gefallen. „Seht mal dort, was ist denn das für eine Kulisse? Dreht man hier einen Märchenfilm?“, wollte ich wissen.
Meine einheimischen Freunde begannen schallend zu lachen und verlangsamten die Fahrt, als wir an einem pinkfarbenen Eingangsportal vorbei rollten. „Also doch Filmkulisse!“
„Diese Ranch hat Lady Gaga hier erworben. Anwohner wollen sie auch schon hoch zu Ross an diesem Ort gesichtet haben!“, klärte mich Hanna auf. „Das Objekt sieht genau so ausgeflippt aus wie die Besitzerin. Diese Lady scheint nicht nur ein Faible für Musik zu haben, sondern auch für die Naturbühne.“, ergänzte Rosi. Nun war ich im Bilde.
Ein prunkvolles Portal verriet uns, dass wir am Ziel waren. „Omaruru Game Lodges“ prangte über der Einlassschranke. „Dieses edle Anwesen wurde von einem Schweizer Architekten aus der Taufe gehoben und nach seinen Wunschträumen gestaltet. Das gesamte Gebiet ist ein Schmuckstück. Alles erlesen, edel und einmalig!“, ergänzte Carl, der einen sehr ausgeprägten Sinn für das Schöne hatte.
„Die genialen Rundhütten, architektonisch einzigartig, fanden sofort den Zuspruch der Safariliebhaber, außergewöhnlich teuer, aber unübertroffen im Komfort. Wer sich diesen Luxus leisten kann, wird in jedem Fall das Verwöhnprogramm seines Lebens verbuchen können.“, das wusste Mia, die hier sogar bekannt war.
Ich kam ins Grübeln: „Wie kann man nur so viel Pracht in so einem teils armen Land zur Schau stellen? Krassere Gegensätze habe ich noch nirgendwo erlebt.“
„Auch das ist Namibia!“
Im Eingangsbereich erblickte ich die Wohnwürfel der schwarzen Angestellten. Ein Parkplatz setzte uns fest. Das Lodgegelände durfte nicht mit persönlichen Fahrzeugen durchstreift werden. „Zum Schutz der Anlagen und Tiere!“, erklärte Hanna. In der Rezeption hieß man uns freundlich willkommen. Als wir das Anmeldeformular ausgefüllt hatten, erhielten wir die Bungalowschlüssel. Unser Gepäck wurde von Kofferboys zu den Rundgemächern gebracht.
Eine Bekannte begrüßte Mia herzlich. „Schön, dass ihr da seid, habe euch die begehrtesten Zimmer reserviert.“ „Das ist ja fantastisch, wenn du mich in Swakop mal wieder besuchst, werde ich mich revanchieren.“
Die Anlage, die wir durchschritten, glich dem Garten Eden. Blütenpracht und satte grüne Rasenflächen versetzten uns in Erstaunen. Hier war die Wasserversorgung abgesichert. Selbst mein Weltmensch Carl kannte dieses Paradies noch nicht und zeigte sich tief beeindruckt. Eine riesige Pfauenschönheit schillerte uns vor der Eingangstür entgegen. Als wir sie mit gebannten Blicken musterten, gab sie den Weg frei. „Was für ein farbenberauschender Empfang! Logieren wir hier mit den Tieren Tür an Tür?“, platzte es aus mir heraus.
„In gewisser Weise schon!“, entgegnete Mia. Rosi, ebenfalls verzaubert, sagte: „Das ist das grüne Herz Namibias, dank modernster Bewässerungssysteme und dem Einsatz der Weißen. Leider fehlt dem Land das Geld, um in sämtlichen Regionen für genügend Trinkwasser zu sorgen.“
Die Einzigartigkeit des Wohnbereiches machte mich fast sprachlos. Ein großes halbrundes Panoramafenster ließ die Wildnis vor unseren Augen Revue passieren. Auf dem Bett sitzend, bewunderte ich ein Pfauenpärchen, das vor Liebreiz sprühte. „Hallo Schatz, bist du angekommen? Alles echt, wahrhaftig und zum Anfassen. Wir sind zum Kaffeetrinken verabredet.“, vernahm ich Carls Stimme.
Das Restaurant war ebenfalls im Stil der afrikanischen Rundhäuser architektonisch fabelhaft konstruiert und ausgestattet. „Hier hat ein Meister des Fachs seine Lebensträume verwirklicht, Mensch und Natur auf wunderbarste Weise vereint. Einfach genial!“
Mein Kopf wanderte hin und her, meine Augen kreisten von oben nach unten, von rechts nach links, um alles einfangen zu können. Über jeder Holzsitzgruppe prangte ein präparierter Tierkopf. „Ich habe das Gefühl, von einem Nashorn ins Visier genommen zu werden. Zum Glück kann es sein Horn nicht senken.“, registrierte ich.
Hanna erzählte: „Dieser Anblick wird immer seltener. Erst kürzlich sind Wilderer hier im Versorgungsgebäude eingebrochen, haben dem Elefantenkopf die Stoßzähne abgesägt und einem frei laufenden Nashorn die Waffe nebst Stolz geraubt. Inzwischen hat der Besitzer einen Tierarzt beauftragt, seinen Nashörnern bei Betäubung das Einhorn zu entfernen. Klingt grausam, ist aber zum Schutz ihrer selbst.“
Erster Omaruru-Safaritrip! Voller Spannung begaben wir uns auf die Pirsch im großen Wildreservat. Zwei fesche Burschen erwarteten uns bereits vor dem offenen Geländewagen mit Ranchlogo, der nur für uns fünf reserviert war. Normen, blond, tief gebräunt und keck, lächelte uns entgegen, stellte seinen Guide vor sowie die eigene Person. „Ich bin Holländer, Sam, mein Schüler, lebt hier in Namibia. Er soll euch heute zeigen, was er schon alles gelernt hat. Seid begrüßt! Ich hoffe, wir können euch in den nächsten Stunden ungewöhnliche Tierbegegnungen bieten.“
Wir hievten uns auf die Sitzbänke und ließen uns im Entdeckerfieber den lauen Wind um die Ohren säuseln. Am Flugplatzgelände wurde gestoppt. Hier standen in zwei Hallen die Hubschrauber. Der eine gehörte dem Boss, der andere stand den Gästen für Rundflüge zur Verfügung. „Ihr könnt unseren Wildreichtum aus sämtlichen Perspektiven betrachten. Wir laden rasch Futter, dann kommt der Countdown ins Rollen!“ Als Stroh und Futtertüten verstaut waren, holperten wir einem neuen Abenteuer entgegen. „Dieses Revier ist dreigegliedert. Im ersten Gebiet leben unsere Großtiere, eigentlich frei, werden aber gehegt und gepflegt. Futterstellen und Wasserlöcher durchziehen das Farmland.“
Wildhüterhütten mitten im Tierrevier versetzten uns in Erstaunen. Alles war unter Kontrolle und bestens organisiert. Wir fuhren durch ausgetrocknete Flussläufe und karge Landschaften. Zebras, Antilopen, Gnus und Onyxe stellten sich uns zur Schau. Jetzt wurde das Highlight der Tour von Sam angekündigt: „Ihr wollen werden Elefanten Essen geben. Euch nichts tun, Chef von Zirkus gehört. Menschen nein fremd!“
Nun kam die Welle Wahnsinn ins Rollen. Mein Herz pochte laut vor Aufregung, als uns auf einer Lichtung eine Dickhäuterfamilie begrüßte, so als hätten sie bereits auf uns gewartet. Vier Elefanten, zwei Weibchen und zwei Jungtiere, warteten auf das Stelldichein von Zwei- und Vierbeinern. Rasch warfen die Guides das Stroh auf einen leeren Platz, um den Elefantenhunger zu stillen. Danach verteilten sie Apfelstückchen an uns. „Damit könnt ihr sie anlocken!“, so Normen.
Mia hielt als erste unerschrocken ihre Futterhand den Kolossen entgegen. Diese mussten wohl geahnt haben, dass es noch einen leckeren Nachtisch gab. Im Nu galt ihr Interesse uns und sie wendeten sich lüstern dem Jeep zu. Auch Hanna war ohne Scheu bereit, die Tiere zu bewirten. Selbst Carl und Rosi zeigten keine Berührungsängste. Sie gehörten eben zu diesem Land wie die Dickhäuter. Nur ich verharrte in der Unentschlossenheit.
Normen beobachtete den Annäherungsversuch und erzählte: „Kühe mit ihren einjährigen Jungen sind relativ ungefährlich. Ihre Aufmerksamkeit gilt einzig und allein dem Nachwuchs. Die Bullen hat man außer Gefecht gesetzt, damit sie in diesem Revier nicht alles abgrasen und ihrer Angriffslust freien Lauf lassen können. Hier ist der Kindergarten.“
So allmählich löste sich das Spannungsfeld, die Apfelarme wurden zusehends länger und die Tiere steuerten ungebremst auf uns zu. „Jeep nicht weg! Sitzen still! Nicht Angst zeigen!“, so Sam. Nun rüsselten sich zuerst die Jungtiere an uns heran, in der zweiten Reihe kamen die Mütter. Ich erlebte den aufregendsten Flirt meines Lebens. Endlich fasste ich den Mut, meine Apfelstücke anzubieten, wenn auch zögerlich und mit zittrigen Fingern. Meine Blicke schweiften irritiert in sämtliche Richtungen, aus Angst vor dem Ungewissen. Erschrocken zog ich den Kopf ein und die Hand zurück, als ein gewaltiger Rüssel über mir ins Schwingen kam, ähnlich einer Cobra, die mir hätte  erdrosseln können.
Blick nach vorne! Meine Freundinnen und sogar Carl hatten ihr Vergnügen am Wildtierfüttern. „Hab keine eine Scheu, zeige Mut, ein Foto muss sein!“, beflügelte mich das Gemüt. „Augen auf und durch! Wenn sie auf Menschenfleisch Appetit gehabt hätten, wäre schon ein Unglück passiert!“, sagte ich zu mir selbst.
Mit schlotternden Knien bot ich einem Einjährigen meine Apfelkost feil. Erste Berührungssignale! Ein Schlabbern und Abtasten setzten ein. Meine Hände wurden nach einigen Zuckungen bedeutend ruhiger. Es kam eine Vertrautheit auf. „Wir sind doch alle Gast auf dieser Erde!“ Das süffig triefende Elefantenmaul fand die Leckerbissen von Menschenhand gereicht. Zum Dank liebkoste es meine Hand und den Arm mit schleimigen Streicheleinheiten. Der Bann war gebrochen, Vertrauen aufgebaut und Nähe wurde zugelassen. Kaum zu fassen, ich genoss den ersten Rüsselflirt meines Lebens, ungewohnt, aber herzzerreißend. Als der neue Freund von Zärtlichkeiten abließ, wanderten meine neugierigen Blicke nach oben, wo es irgendwie schattig geworden war. Schlagartig fiel ich in den Strudel des Entsetzens, als ich über meinem Kopf zwei gewaltig gefährliche Stoßzähne blitzen sah. „Will dich da wer platt machen? Diese Hauer schrauben dich fest, machen dich alle!“, schrie meine Angst.
In Panik verfallen suchte ich unter der Sitzbank Schutz. Ein Lachen wurde laut. Hannas Stimme war zu vernehmen: „Hier lebt man mit den Tieren, bei euch steckt man sie in den Zoo. Hier sind sie Realität, in Deutschland nur Anschauungsmaterial!“
„Kannst wieder auftauchen, das sind doch nur Kuschelelefanten!“, klang Carl belustigt.
Belehrung von Normen: „Wenn der Wildtrieb ausbricht, hat es sich allerdings ausgekuschelt. Jede Pirschfahrt ist ein Aufbruch ins Ungewisse. Aber wir sind bewaffnet und können in Gefahrensituationen eingreifen.“
„Elefanten schlafen fast nie! Forscher haben herausgefunden, dass die Kühe im Durchschnitt nur zwei Stunden am Tag absolut ruhen. Und das nicht mal am Stück. Manchmal schlafen sie sogar tagelang nicht. Sie ruhen meist mit geschlossenen Augen im Stehen. Dann hängt der Rüssel schlaff nach unten.“ ,erfuhren wir noch.
Immer noch skeptisch, schraubte ich mich vorsichtig nach oben. Ein Muttertier hatte mir die Breitseite zugekehrt. Nun fand ich endlich heraus, was es mit dem Begriff „Elefantenhaut“ auf sich hatte. Diese war unansehnlich, fast ekelerregend, dick, porös, rissig, schwarz grau gegerbt und mit Narben gezeichnet. Symbolisch für Wildnis, Kraft und Überlebenskampf. Die Entdeckung ließ Mitleid aufkommen!
Unser einmaliges Wildgigantenabenteuer musste natürlich festgehalten werden. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich, „Klein- Mensch“, Elefanten gefüttert hatte, ohne Zaun und Barrieren. Dass meine Hände einen Elefantenrüssel zu fassen bekamen und diesen sogar liebkosten. Ein achtes Weltwunder schien geschehen zu sein. Dies gab meinen Lebensdimensionen neue Impulse.
Noch vor Erlebnisfreude bebend, kam ich so langsam wieder runter, als wir weiterpirschten. Vier Zebras, die am Wegesrand verharrten, kamen unerwartet auf uns zu, so als hätten sie auf Beute gelauert. „Sind das auch Zirkustiere, oder können sie uns zur Gefahr werden?“, wollte ich wissen.
„Nicht zu Futter, nur zu Gucken!“, so Sam. Also stoppten wir und die Kameras machten klick, klick! Unsere Faszination hielt an, als Tierherden den Weg pflasterten. Hier gab es Fressen, hier gab es Wasser! Wasserböcke belustigten uns mit ihrer Sprungkraft. Mit dem WC-Deckel auf dem Hinterteil unverkennbar. Der weiße Ring hob sich deutlich vom Felldunkel ab.
Um in den Kleintierbereich zu gelangen, mussten wir ein Lodgetor passieren, das von einem Kameldornbaum kunstvoll geschmückt war. Sam machte Halt und Normen sprang vom Jeep. Rasch bekam ich von ihm ein paar aufgesammelte Früchte zugeworfen. In den halbrunden Schoten, samit grau, raschelten die Samen. Behutsam wickelte ich den Schatz in ein Tempotaschentuch ein. „Danke vielmals! Hast wohl meine Gedanken gelesen? Mal schauen, ob die auch in Deutschland wachsen. Wenn ich einen Strauch gezüchtet habe, schicke ich dir ein Foto. Ich liebe alles, was in Namibia lebt und wächst.“
Neue Entdeckungen! Eine Schweinchenmeute wühlte im Dreck. Honigdachse und Schakale umschlichen die Erdferkel listig. Paviane folgten uns mit viel Geschrei. Ob sie sich wohl etwas zum Stibitzen erhofften? Sam erläuterte uns die Vogel- und Pflanzenvielfalt, bevor wir in das Giraffenreich holperten. „Ach, was sind das doch für langhalsige Schönheiten, sie schauen von oben herab auf das Geschehen und haben stets den Überblick. Beim Zupfen wirken sie sogar stoisch gelassen und ihre Trinkstellung ist einfach famos!“, resümierte ich.
„Wusstest du, dass sie auf den Knien schlafen? Ein Weibchen ist 14 Monate trächtig und kann nur ein Tierbaby in 2 Jahren zur Welt befördern. Das Junge plumpst einfach aus der Gebärmutter heraus und rettet sich auf die Stelzen.“, wusste Normen.
Frech und bissig sagten uns Straußsoldaten den Kampf an. Als Sam Gas gab, wippten sie enttäuscht davon. Immergrüne Weißdornsträucher am Wegesrand! Hanna kommentierte: „Diese Schönheiten werden bei uns häufig als Weihnachtsbäume aufgestellt, weil sie eben ganzjährig grün sind.“
Jetzt war Hippofütterung angesagt. Ein Riesenexemplar von Flusspferd hatte sein eigenes Reich, das zu unserem Erstaunen umzäunt war. Wir erkundeten im Schutz unserer Guides die Anlage. Das Objekt unserer Begierde relaxte im Pool. Zuerst bestiegen wir eine Aussichtsplattform, um uns über den Lebensraum der Flusskuh zu informieren. Als Sam die Futterstelle bestückt hatte, schnaubte sich die Zentnerkuh aus dem Wasser. Normen erzählte uns: „Für ihre 4 Tonnen Kampfgewicht müssen die Tiere täglich etwa 70 kg Futter vertilgen, dazu reicht das Gras nicht aus. Erst vor zwei Jahren entstand diese Anlage, weil zwei Flusspferde von den Zebras gerissen wurden. Das Miteinander hat anscheinend doch nicht harmoniert. Ein gewisser Wildtrieb ist instinktiv.“
Auch ein Gepardenpärchen und ein gefährlich erscheinender Leopard hatten ihr eigenes Terrain. Aus Reichweite verfolgten wir das Fressritual, das mich regelgecht erstaunte. In einer Schüssel trugen die Boys lecker riechende und mundgerecht zerteilte Antilopenfleischhappen herbei und warfen diese nacheinander über den Zaun. Die Raubtiere schlichen sich aus dem Buschwerk an, registrierten kurz die Zuschauer, fletschten ihre Zähne und schnappten dann nach einem Beutehappen. Damit verschwanden sie sofort im Dickicht, um ein ungestörtes Fressvergnügen zu haben. Danach holten sie sich den nächsten Brocken. Erst, als nicht mehr nachgelegt wurde, entzogen sie sich unseren neugierigen Blicken, lediglich der Leopard schlich noch am Zaun entlang, um uns zu belauschen.
Völlig baff von so viel Wildtierimpressionen saßen wir danach total besessen im Restaurant vor unserem Abendessen. Ein Jeder speicherte die Sensationen des Tages für sich ab. Erst als ein sehr verführerisch duftendes Abendessen aufgetischt wurde, schalteten wir auf Gaumenfreuden um. Die exotischen Salate und saftigen in Bier getränkten Onyxsteaks waren ein Hochgenuss. Der Südafrikawein wurde von Schluck zu Schluck süffiger. „So sauwohl habe ich mich lange nicht gefühlt!“, zwitscherte ich in die Runde.
Neben uns dinnierte eine japanische Reisegruppe, bebrillt und fotosüchtig.
Die Glasfront des Restaurants gab uns den Blick zum Tummelplatz der Tiere frei. „Welch ein berauschendes Panoramakino, vom Sonnenuntergang ins Licht gesetzt sowie von der Farbkulisse des Buschs und den Tierkörpersilhouetten umrahmt. Das ist ja traumhaft schön!“, freute ich mich.
Durch das geöffnete obere Fenster drang ein Geschnattere, Gegackere und Geschnabele der Wasservögel in den Raum. „Unsere gefiederten Freunde tauschen ihre Tageserlebnisse aus, genau wie wir!“ „Hast du alles verstanden?“, scherzte Carl, den ich mit meiner grenzenlosen Begeisterung für sein Namibia täglich beglückte.
Als die Dunkelheit eingebrach, versammelten sich so nach und nach die tierischen Lodgebewohner zum letzten Fraß. Auf Strohmatten und in Giraffenfutterkörben wurde von den Pflegern das Abendmahl verteilt. Wir hatten unendlich viel Vergnügen bei diesem Fressspektakel, fast jeder machte eine neue Entdeckung. Völlig diszipliniert, dem Gesetz des Stärkeren folgend, bekamen die Kleintiere erst zum Schluss freie Bahn zur Futterstelle. Alles schien so geordnet kampflos, authentisch und urig. Man kann sich dieses Zusammenspiel der Tierarten wohl nur vorstellen, wenn man es in einer Liveshow gesehen hat.
Im nächtlichen Abendvergnügen erlebte ich ganz unerwartet mein größtes Highlight des Tages, einen Nashornflirt. Diese Nashörner hatten bereits auf meiner ersten Reise in den afrikanischen Busch besonders anziehend auf mich gewirkt. Aber sie hatten mir auch eine 
Lektion erteilt: Zu viel Nähe kann tödlich sein!