4.MÜHLHÄUSER KIRMES UND WORBISEVENT
IM LEICHENSCHATTEN
IM LEICHENSCHATTEN
Sommer, Ferienstimmung, Urlaubslaune und Reiselust lagen in
der Luft. Wer aber eine Gutwettergarantie haben wollte, musste schon den Süden
anpeilen. Die Temperaturen bei uns in der Mitte Deutschlands rasten mal hoch
und fielen mal runter. Während uns die Frühjahrssonne sehr verwöhnt hatte,
waren wir in der schönsten Jahreszeit den Kapriolen der Natur ausgeliefert. Mal
Hitze, mal Kälte, erst Trockenheit, dann Dauerregen, Hagelschauer und
Hochwassergefahr überraschten uns von heute auf morgen. Der Wettermacher schien
manchmal verrückt zu spielen.
Ich
bemühte mich, in den Alltag, den ich bisher hatte, ohne Lucy an meiner Seite,
wieder einzutauchen, genoss meine Gesundheit, den Freundeskreis und mein
unbeschwertes Dasein. In einer Kleinstadt wie Heiligenstadt gibt es stets einen
Anlaufpunkt. Man fühlt sich nie alleine.
Mein
Radiowecker begrüßte mich am Morgen mit beschwingten Aufwachrhythmen und Mama
mit dem Frühstück. Es war ein trüber Tag, der da begann. Aber im Laufe der
Mittagsstunden sollte es wieder sommerlich werden. Ab und an nahm ich mir auch
die Freiheit, mittags ein Stündchen im Sommergarten zu dösen, vielleicht auch
heute. Abends relaxte ich vor den Fernsehangeboten. In den freien Stunden machte
ich manchmal einen Kurztrip, eine kleine Burgenausfahrt zum Handstein, Scharfenstein oder auf Burg Bodenstein. Dort
genoss ich die einmaligen
Panoramaaussichten über unser wunderschönes Thüringen. Manchmal traf ich auch
nette Verabredungen, um den Tag gesellig ausklingen zu lassen. So lief mein
Leben wie von selbst. Ich war nicht gewillt, mir den Alltag von einem Weibsbild
versauern zu lassen.
Die
eigene Urlaubsplanung war für den Herbst festgeschrieben, weil ich momentan
hier die Chefstellung halten musste. Wer Schulkinder hatte, wie David, bekam
das Vorrecht, in den Ferien seine Sehnsüchte auszuleben. Wer den
Ehetauglichkeitstest ablegen musste, wie Maren und Tim nahm ebenfalls eine
Sonderstellung ein. Sie hatten eine Toskanareise gebucht. Genau in diesem
Moment beneidete ich sie um ihr Liebesglück, dem offensichtlich gar nichts mehr
im Wege stand.
Freitag,
19.00 Uhr, die laue Abendluft verlockte mich dazu, einen Feierabendwhisky im
Garten zu genießen. So ein Drink nahm einfach die Anspannung des Tages von
Körper, Geist und Seele. Als sich der holzige Geschmack auf meinen Lippen
festgesetzt hatte, wurde ich aus dem Genuss gerissen. Ein heulendes, PS-starkes
Motorengeräusch zerfetzte meine Abendruhe. Das war Janniks Maschine, ich kannte
dieses Kawasaki-Johlen. Mit ein paar Schritten war ich am Gartentor.
„Hallo
Kumpel, welcher Windhauch treibt dich denn hierher? Freue mich, dass du mal
wieder Zeit für einen Mittelsmann hast. Stell das Motorrad ab und folge mir.
Ich relaxe gerade im Grünen!“
„Trotz
Ermittlungsstillstand soll ich am Wochenende meine Überstunden abfeiern.
Bezahlen kann die ja eh keiner mehr. Anordnung von oben!“
„Na,
dann herzlich willkommen außerhalb der Tatorte!“ Man sah ihm an, dass er die
Auszeit dringend benötigte. Seine Luchsaugen waren dunkel umrandet und litten offenbar
an Schlafmangel. „Dachte mir, ehe ich nach Hause düse, will ich ein Versprechen
einlösen, bevor es noch verjährt. Habe am Wochenende Zeit für die Biker-Tour so
nach dem Motto: Kultur, Vergnügen, Abenteuer!“ „Ist ja easy, bin dabei. Der
Wetterbericht klang hoffnungsvoll, also starten wir ins Sommerglück!“
Er
hob seine Brauen, als er mir gegenüber saß. „Ich ermittle hier einen
ausgereiften Whisky. Die Marke kenne ich ja noch gar nicht. Ist wohl etwas ganz
Besonderes?“ „Eine vortreffliche Rarität, echt schottisch. Ob du wohl einen
verkraften kannst? Musst ja nicht gleich wieder los brausen!“ „Aber
selbstverständlich vertrage ich einen. Bin auch nicht im Dienst und wie immer risikobereit,
schenk nur ein!“ „Auf unsere erste gemeinsame Ausfahrt.“
Genießerisch
schwenkten, schmeckten und schluckten wir den edlen Tropfen, der rauchig süß
brannte. „Echt Spitzenqualität. Am liebsten würde ich hier kleben bleiben und
halleluja singen!“ „Was spricht denn dagegen, dass wir die Flasche
niedermachen? Unser Gästezimmer ist frei!“ „Meine Abgespanntheit, meine
Unzufriedenheit betreffs der Kirmesleichenermittlungen und der Brummschädel
danach lassen mich besser passen!“
„Sag
bloß, die Kirmesleiche ist immer noch namenlos? Etwa auch der Täter?“ „Unseren
Untersuchungen nach schien die Tote keinen festen Wohnsitz zu haben, wir tippen
auf Prostituierten-WG und wissen lediglich, dass sie sich in den letzten Wochen
in Mühlhausen aufgehalten hat. Laut BKA muss sie illegal hier in Thüringen
gelebt haben. Sie war nirgendwo registriert, sie kann Russin, Rumänin, Polin
oder Kroatin, Jugoslawin oder Tschechin gewesen sein. Auch über die
Landesgrenzen hinaus konnte das LKA keinerlei Informationen einfangen.
Zeugenaussagen ergaben, dass diese Frau in Erotikklubs ihren Lebensunterhalt
verdient haben könnte, aber auch als Alina, Kuschelkatzen-Sandy, Maja oder Eva
Kontaktanzeigen aufgegeben hatte. Genaueres konnten wir nicht herausfinden. Als
Schwangere hatte sie in diesem Gewerbe keinen Platz mehr. Mit den
Ermittlungsergebnissen gibt sich die Staatsanwaltschaft nicht zufrieden. Ebenso
negativ wird gewertet, dass bisher keinerlei Anhaltspunkte zum Täter führen.
Das ist alles so ominös, aber auch kein Einzelfall. Vielerorts werden
unbekannte weibliche Leichen gefunden. Andererseits gehen fast täglich
Vermisstenanzeigen bei uns ein. Diese Person scheint aber noch niemand zu
vermissen. Eine Kette unerklärlicher Umstände, merkwürdiger Begebenheiten oder
unglücklicher Ereignisse. Unser Assistentenhirn, technisch auf dem neusten
Stand, hat sämtliche Sexualstraftäterkarteien gecheckt nach Leuten, die
vorbestraft sind oder erst kürzlich entlassen wurden. In dieser Region ist
bisher keiner von diesen aufgetaucht. Auszuschließen ist gar nichts. Vielleicht
war es ein Prommiliebchen, das wegen der Schwangerschaft und verschwinden musste. Wenn die Zivilisation
wüsste, was für Kriminalfälle unsere Nerven oftmals auf eine Zerreißprobe
stellen! Manchmal fühlt sich mein Kopf so heiß an, wie der Motor meiner
Maschine, wenn ich mit über 200Km/h über die Autobahn rase. Ich habe mir diesen
Beruf selbst auserwählt, weil ich unter einem Helfersyndrom leide, Abenteuer
liebe und Nervenkitzel brauche. Und weil die Arbeit bei mir an erster Stelle
rangiert, ist schon so manche Beziehung geplatzt.“ „Man kann eben nicht überall
Höchstleistungen vollbringen!“,tröstete ich.
„Damit
mir der Kopf nicht zu heiß läuft, lege ich am Wochenende eine Ermittlerpause
ein, will verhindern, dass mein Hirn nicht noch in Explosionsgefahr gerät. Starten
wir definitiv am Sonntag, brauche den Sonnabend noch zum Abschalten. Meine Bude
schreit außerdem nach Grundreinigung. Muss warten! Entspannung gehört auch zum
Leben. Nur so durch die Gegend jagen, das muss nicht sein. Ich lass mir etwas
einfallen und ruf dich an. Hebe mir noch einen Edelschluck auf, der ist das
reinste Seelenwasser!“ „Gute Heimfahrt. Freue mich jetzt schon auf unsere
Tour!“
Ein
gelungener Tag war zur Neige gegangen, mit Weckruf, Gaumenfreuden,
Dösestündchen, Edeltropfen und Verabredung. „Die Welt kann zeitweise auch ohne
Frauen schön sein!“, flüsterte der Whisky.
„Hey
Kawasakifreak, lass uns morgen einfach auf Thüringentour gehen. Hier pulsieren
doch zur Sommerzeit Kunst, Kultur, Kirmesfestlichkeiten und man wird allerorts
freudig empfangen. Hab mal Eventsuche per Internet gemacht.“, vernahm ich die
Polizeistimme meines Freundes bereits am frühen Sonnabendmorgen. „Höre dir
meinen Vorschlag an. Wir gehen so ganz ohne Stau, Autobahnstress und
Höchstgeschwindigkeitsrennen auf Tour. Natur pur, Erlebnis Thüringen! Auf
heimischen Straßen können wir uns gemütlich zwischen Himmel und Erde hindurch
schlängeln. Ein ganz besonderes Highlight finden wir in Weimar, dort wird am
Sonntag, eine Biker-Scheune eingeweiht mit Musik, Crossstreckenrennen und
Gewinnspiel. Da könnten wir unsere Maschinen in Querlage austesten. Und jetzt
kommt das Beste. Dem Gewinner winken zwei Freikarten zum Sachsenringrennen im
nächsten Jahr. Das wär‘s doch!“ „Klingt recht verlockend! Bin mit Freude dabei.
So ein Ermittler als Kumpel hat doch was für sich. Genau die richtige
Sonntagsausfahrt zum Einkehren und Rasten. Momentan tanzt ja überall der Sommerbär.
Treffen uns um 9.00 Uhr in Leinefelde, Parkplatz „Eichsfelder Hof“. „Halte den Sonnenschein
fest!“ „Packe ihn in Sack und Tüten, bis morgen also!“
Die
Karre war blitzblank geputzt und funkelte wie ein Grashüpfer mit zwei Rädern,
meine Laune war bestens, aber kein Sonnenstrahl zeigte sich am Horizont. Als
ich los düste, ballten sich immer mehr dunkle Wölkchen zusammen, aber Männer
wie uns konnte nichts erschüttern. Ein Katzensprung bis Leinefelde, obwohl ich
Landstraße fuhr.
Jannik
empfing mich schon: „Na Alter, fast pünktlich!“ Nach Begrüßungsgequatsche und Zigarettenpause
machten wir uns helm- und regensicher. Unser erstes Ziel war Mühlhausen. Gas, Bremse, Kupplung bedienten
wir wie im Schlaf, genossen das Auf und Ab der Schwarzen Hose und lieferten uns
ein lockeres Kurvenspiel mit einigen wenigen Überholungsmanövern. So sausten
wir unbeschwert über die Lange Warte, durch Buchenwälder zwischen Harz und
Thüringer Wald und überließen unsere Sorgen dem Fahrtwind. Die höhere,
niederschlagsreiche Lage der Stadt Mühlhausen bescherte uns einen leichten
Nieselregen. Vor dem Blobach wurden wir von mehreren Sperrschildern überrascht.
Der Parkplatz war zum Rummelplatz geworden. Zwischenstopp! „Ach ja, hier wird
das große Kirmesfest gefeiert. Genau hier, wo sich die mittelalterlich
gepflegte Stadt von ihrer schönsten Seite zeigt, herrscht Kirmestreiben.“
Alles
war in Bewegung, sprich im Laufen, Schlendern und Rollen, um sich für den
großen Festumzug zu formieren. Aus sämtlichen Seitenstraßen zogen
Menschengruppen, Musikkapellen, Pferdegespanne, Reiter und Fahrzeuge zum
Blobach-Kirmesplatz. „Das kann dauern, bis wir hier wegkommen. Lass uns ein bisschen
Kirmesflair einfangen! Weißt du überhaupt, dass hier ein zehntägiges Treiben
herrscht, das von einem großen Jahrmarkt eingeleitet wird, auf dem
traditionelle Produkte angeboten werden, vom Kirmeskuchen bis zum Kirmeskleid,
einfach urig. In Mühlhausen agieren 30 Kirmesgemeinden, die alljährlich diese
Veranstaltungen organisieren, finanzieren und austragen. Du siehst ja, was sich
jetzt versammelt.“
„Machst
du hier Stadtführungen, weil du bestens informiert bist?“, neckte mich Jannik.
„Soll das ein Witz sein? Hatte mal eine Freundin aus Mühlhausen. Ist schon ein
paar Tage her. War mir zu sehr Großstadtdame. Sie wollte mich nicht mit der
Firma teilen. Mein Verwöhnprogramm hat ihr allerdings gefallen. Da stimmte die
Chemie einfach nicht. Habe dann den
Rückzug angetreten.“
„Nun
hast du mich aber neugierig gemacht. Das Umzugserlebnis nehmen wir jetzt
selbstverständlich mit, wo wir schon mal hier sind.“
Während
sich Schlumpffamilien schlumpfig bunt geschminkt und kostümiert zusammenfanden,
verneigten sich Bischöfe, Kardinäle und Nonnen vor ihrem Herrn. Cowboys und
Indianer prosteten sich an der Burgmauer zu. Aufsehenerregende männliche
Frauengestalten mit Perücken in pink, rot, gelb und orange, verziert mit der
passenden Federboa, stellten sich für ihre Gesinnung zur Schau. Wir mischten
uns unter die Zuschauermenge, die sich durch das innere Frauentor ins
Altstadtzentrum schlängelte. Vor der frisch polierten Marienkirche, die gerade
ihren Glockenschlag über die Stadt schickte, verharrten wir mit bewundernden
Blicken. Unser Interesse galt nicht nur diesem Wahrzeichen, sondern auch den stattlichen
Bürgerhäusern und liebevoll restaurierten Fachwerkbauten. Eine Faszination, der
man sich nicht entziehen konnte.
Kurz
vor 11.00 Uhr bewegte sich der große Festumzug anlässlich der Mühlhäuser Kirmes mit Pauken und Trompeten
durch die Altstadt. Zum Dank für dieses Aufgebot hatte sich die Regentrude wohl
schlafen gelegt. Nach eineinhalb Stunden war das bunte Spektakel vorüber.
Mehrere Trommelgewitter mussten wohl die Regenfrau wieder geweckt haben, denn
es tropfte erneut aus kleinen aufgetürmten Wolkenbergen. Akteure und Zuschauer
strömten auseinander, die meisten zum Festplatz. Wir ließen uns von der
wogenden Menge mit fortschwappen, direkt in ein Imbisszelt.
„Zwei
Kaffee und zwei Mal Bratwurst mit Kartoffelsalat!“, rief Jannik
kurzentschlossen der Bedienung zu. Ein Charaktertyp mit Denkerstirn, denn
danach überschlugen sich die Bestellungen. Als wir wieder ins Freie traten,
frohlockte die Sonne.
„Lass
uns noch eine Riesenradfahrt machen, ich möchte nur mal über den Dächern der
Kirmesstadt schweben oder einfach nur abheben.“ „Okay, diesen strahlenden
Moment können wir ausnutzen.“ Mit einem Mal gefiel uns das Lustspiel. „Die
Achterbahn würde mich auch reizen. Komm, den Spaß gönnen wir uns.“ „Aber nur,
wenn du mir versprichst, dass du auf das Ponyreiten verzichten kannst!“ Es tat
uns beiden wirklich gut, mal wieder ausgelassen zu sein und aus den
Alltagssorgen auszubrechen.
Völlig
gesättigt und vergnügt bestiegen wir wieder unsere Motorräder und tourten
weiter. Schon nach wenigen Kilometern hatten wir den Regen und unseren Frust abgeschüttelt.
Kurz vor Weimar machten wir noch eine Pinkelpause, damit wir uns unbeschwert in
das nächste Vergnügen stürzen konnten.
„Zuerst
sichern wir uns die Gewinnspielteilnahme. Die Biker-Scheune liegt am
Poseckschen Garten, Richtung Historischer Friedhof!“ „Freue mich schon auf den
Hauptgewinn!“ „Hast du etwa das Glück gepachtet?“ „Eigentlich nicht, aber wer
kein Glück in der Liebe hat, findet es im Spiel, heißt es doch so schön.“ Wir
schmunzelten, die Sonne lachte mit uns und der Tag wurde immer reizvoller.
Ritschies
Biker-Scheune; PS-Geheule zum Empfang, Zwei- und Dreiradfahrzeuge im Außen- und
Scheunenbereich, Neuheiten, Verbesserungen, Chromglanz! Wir betrachteten,
bestaunten und begutachteten die Glanzstücke der Technik. Danach tobten wir uns
ein Stündchen auf der Crossstrecke aus. Das war ein gigantisches Gespür. „Hier
findet jeder den richtigen Feuerstuhl. Einfach überwältigend!“, staunte ich.
„Hier endet aber auch für viele die reale Welt und man beginnt gen Himmel zu
schweben, seinen Träumen Flügel zu verleihen! Hier ist nicht jeder Luxus
bezahlbar.“ „Für solche Maschinen braucht man Sponsoren oder ein betuchtes
Elternhaus. Schade, dass ich nicht ins Renngeschäft eingestiegen bin. Die
Motorradleidenschaft hat bei mir bereits mit neun Jahren begonnen, als ich das
erste Mal in einem Kart-Center richtig Gas geben durfte und das Lenkrad in alle
möglichen Richtungen verdrehte!“ „Es lassen sich nicht alle Träume leben!“
Total
verblendet von so viel Entwicklung im Kfz-Bereich durchstreiften wir noch die
Werkstatt und genehmigten uns ein Stimmungsbier, natürlich alkoholfrei.
Danach
blickten wir mit weit aufgerissenen Staunaugen in Weimars Innenstadt. Musik lag
in der Luft, beschwingte Lustgestalten genossen die Nachmittagssonne in Kaffees
und Biergärten. Unzählige Thüringer und ihre Gäste hatten sich auf dem
weltbekannten Frauenplan auf einen „Schoppen bei Goethe“ eingefunden und
frönten diesem Volksfest. „Hier sind wir auch am rechten Fleck. Lass uns in
dieser ausgelassenen Runde dem Dichterfürsten zuprosten. Solch einem Gelage
kann man gar nicht entfliehen!“
Also
ließen wir uns vom Zauber Weimars, einer Stadt mit Charme, einfangen. Die
Bühnenprogramme waren unterschiedlichster Art und luden zum Verweilen ein. Den
Promillecheck im Auge, genehmigten wir uns eine Weißburgunderschorle Meißener
Herkunft nebst deftigem Zwiebelkuchen. „Welch eine köstliche Variation!“. Vom
Volksfestfieber ergriffen, spazierten wir noch über den Theaterplatz, um Goethe
und Schiller einen Guten Abend zu wünschen. „Was für eine imposante Metropole,
diese Kulturstadt Europas!“ „Das nächste Mal geben wir uns auf dem Zwiebelmarkt
ein Stelldichein!“, kam es Jannik in den Sinn. „Ich bin dabei!“ „Gebongt! Ein
lohnenswertes Ziel!“
Es
dämmerte bereits, als wir unsere Maschinen zur Heimfahrt bestiegen. „Habe Lust, mich noch ein bisschen
auszupowern. Kein Wettrennen oder so! Jeder gibt so viel Gas, wie er
verantworten kann!“, schlug mein Kripofreund vor. „Mit dir werde ich sowieso
nicht mithalten können.“ „ Jeder nach seinen Möglichkeiten. Ich denke, dass wir
diesen tollen erlebnisreichen Tag zum Abschalten auch hier beenden können. Ich
werde gleich über die Autobahn abdüsen.“
„Danke
für deine Gesellschaft. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Ein Freund ist die Hoffnung des Herzens! den
scheine ich in dir gefunden zu haben.“
„Gute
Ankunft zu Hause. Melde dich mal wieder und lass dich im Polizeirevier nicht
kaputt spielen!“
Diese
Ausfahrt ließen meine Lucyträume in Vergessenheit geraten.
Die
neue Woche versprach stressfrei zu werden, weil für Maren und Tim der Urlaub zu
Ende ging und ich die Verantwortung wieder teilen konnte. Dank der
Zuverlässigkeit unseres Teams liefen sämtliche Aufträge reibungslos ab.
Montagmorgen,
ein sonniger Augusttag! Bestens gelaunt und lecker gefrühstückt, wollte ich
gerade in den Tag starten, als das Handy in meiner Hosentasche zu hüpfen
begann. Ich saß gerade da, wo man das Toilettenpapier in den Händen hält und
nicht das iPod. Die Jeans hochraffend, fingerte ich es aus der Hosentasche.
Janniks Stimme klang wie Morgenmusik in meinen Ohren. „Grüß dich Ron. War ein
supergeiles Wochenende mit dir. Sitze bereits wieder am Schreibtisch in meinem
Büro, wo ungelöste Probleme mich fast erdrücken. Bin ganz alleine mit einem
Becher schwarzem Kaffee und starre die vier Wände an. Mein Kopf ist voller
Anhaltspunkte, ich bin rebellisch und wütend zugleich. Am liebsten würde ich
alles um mich rum zerschlagen.“ „Mensch Kumpel, was ist denn los mit dir, warst
gestern doch super drauf. Hat dich etwa die Kirmesleichendepri erfasst?“
„Muss
dich unbedingt im Büro sprechen. Sitze auf meinem Ermittlerstuhl wie
festgeschraubt. Könntest du bitte um 12.00 Uhr hier sein? Es ist mir wichtig,
dass du kommst. Eine heikle Situation, über die ich mit dir dienstlich reden
muss!“ „Wenn ich helfen kann, bin ich immer für dich da, das habe ich dir
versprochen. War eine echt easy Tour gestern! Bis dann!“
Rasch
überprüfte ich meinen Terminplan, informierte Mama, dass ich am Nachmittag nicht
verfügbar war. Im Laufe des Vormittages erledigte ich leicht irritiert noch ein
paar Aufträge im Büro. Die Stimme meines Freundes klang gar nicht wie Musik,
eher dienstlich, polizeilich! Brauchte er meinen Rat, meine Hilfe oder gar
meinen Segen?
…..„Super,
dass du pünktlich bist!“. Sein Handschlag wirkte kühl. „Wir haben heute Morgen
von den Kollegen aus Mühlhausen eine Todesfallmeldung hereinbekommen. Erneut
eine Kirmesleiche! Genau dort, wo wir zwei uns aufgehalten haben, nämlich am
Frauentor. Dort wurde die Leiche einer
weiblichen Person entdeckt. Erdrosselt, ohne Handtasche und Papiere, etwa zwischen
20 und 25 Jahre alt. Konnte bisher noch nicht identifiziert werden. Wann bist
du eigentlich in deiner Gartenstraße angekommen? Hast du nochmals auf dem Kirmesplatz
Rast gemacht? Zwei Frauenleichen und du warst vor Ort, am Tatort sozusagen. Das
kommt mir langsam spanisch vor. Vielleicht benutzt du mich ja als dein
Deckmäntelchen? Verstehe mich bitte nicht falsch, keiner will dir etwas
anhängen. Ich möchte lediglich eine ehrliche Ansage. Wir, die Kripo, können
keine Verdächtigung ausschließen.“
Zorn
kam auf und wütete in meinem Kopf. Ein Hämmern in der Brust wurde mit einem Mal
unerträglich. „Hat dir wer ins Hirn geschissen? Hast du sie nicht mehr alle?
Bin ich im falschen Film oder was geht hier ab? Wir waren doch gemeinsam zum
Festumzug in Mühlhausen. Auf der Heimfahrt bin ich am Kirmestrubel
vorbeigerauscht, war gegen 22.00 Uhr zu Hause!“, schrie ich ihn fast außer
Kontrolle geraten jähzornig an. Die Erregung ließ meine Zornesadern anschwellen
und meine Enttäuschung von diesem Freund war mit einem Mal grenzenlos. „Du
warst doch auf der gleichen Route wie
ich. Könntest du da nicht auch als Tatverdächtiger gelten? Es wäre ja möglich
gewesen, dass du noch im Alleingang einen Vergnügungsstopp eingelegt hast. Wäre
doch auch denkbar!“ „Beruhige dich, Junge, ich wollte doch lediglich eine
Information von dir, um Verdachtsmomente ausschließen zu können. Alles reine
Routine, ich bin Polizist, ermitteln ist mein Handwerk!“
So
langsam kam ich wieder runter. Er hatte eigentlich meine Ehre angekratzt, er
traute mir einen Mord zu. „Glaubst du wirklich, dass ich zu einer solchen Tat
imstande wäre? Glaubst du, dass ich Frauen töten muss, um sie zu vögeln? Ich
dachte, wir wären Freunde!“ Sprachlos geworden verlor ich fast die Orientierung.
„Solange kenne ich dich noch gar nicht. In meinem Job darf man nur sich selbst
vertrauen!“ „Kann ich jetzt gehen? Wenn du ein so guter Kripomann bist, wie du
glaubst, dann wirst du auch die Wahrheit herausfinden!
Vor
meinem Abgang hätte ich ihm am liebsten noch die Fresse poliert.“ Wieder einmal
enttäuscht von einem Menschen, dem ich glaubte, sehr nahe zu stehen, verließ
ich sein Büro.
In
der Firma angekommen, saß Manni, der schon auf mich lauerte. Er sah mir wohl
an, dass ich mich beschissen fühlte. „Hey Ron, schaust aus, als wäre dir eine
Leber über die Laus gelaufen. Pardon! Umgekehrt natürlich!“ „ Man kann
schneller in die Scheiße tappen, als man wieder rauskommt! Lass mal, das regelt
sich schon, alles nur Spekulation, Verdächtigung!“ „Wem sagst du das! Mein
Anliegen kann bis morgen warten. Melde mich wieder!“
Ratlos
und völlig irritiert suchte ich in einem Glas Whisky Trost und resümierte.
„Mühlhäuser
Kirmesleiche mit gleichen Opfermerkmalen wie bei uns, jung, hübsch, erdrosselt,
ohne nennenswerte Spuren und Papiere. Spielt ein Lustmörder hier seine
Spielchen oder handelte es sich nur um Zufallsopfer? Vorsätzliches Töten oder
Unglücksfall? Ich kannte die Chemie des Todes nicht. Sicher gibt es unzählige
Gründe, die die Bereitschaft zum Morden auslösen können. Auf jeden Fall ist es
eine Frage der Charakterstärke und Moral, ob man nur Tötungsabsichten hegt,
oder sie in die Tat umsetzt. Dafür kann es verschiedenartige Erklärungsversuche
geben. Geldgier, Rache, zermürbende Konflikte, Eifersucht, Lust, Depressionen,
Sucht, Ausweglosigkeit, traumatisierende Erinnerungen, Sterbehilfe oder auch
niederer Instinkt. Aber all das rechtfertigt noch lange keinen Mord.“
Nun
schüttelte ich den Kopf und schloss meine Augen, um etwas zu verarbeiten, was
so tief gedrungen war, dass es niemand sah, aber mich zermürbte. Meine Seele
schrie: „Ein Freund stellt deine Ehre, den Anstand und deine Moral in Frage!“
Wie kann man das verkraften? Diesmal sagte mir der Feierabendwhisky: „Alles nur
Spekulation! Komm mal weg von derartigen Faseleien, du weißt doch am besten,
dass du nicht getötet hast!“
Es
gibt diese Momente im Leben, in denen man Unbehagen spürt, obwohl die
Gewissensweste schneeweiß ist.
„Ron
komm nach unten, die Heiratswilligen sind zurück!“, erschallte Mamas Stimme,
begleitet von Marens Lachen. Augenblicklich freute ich mich auf das Wiedersehen
und hoffte, meine Sinneswahrnehmungen umpolen zu können. Wenn meine Schwester
etwas erlebt hatte, dann gab sie es mit Worten, Händen, Füßen und der passenden
Gesichtsmimik wider. So war sie halt, die Lebenslust in Person. Im Moment war
ich ihr sehr dankbar dafür, dass sie den Abend rettete. Ihre
Urlaubsschwärmereien machten mich direkt neidisch. In diesem Moment wäre ich am
liebsten in ein Urlaubsparadies entflohen.
„Stellt
euch vor, wir haben beschlossen, das Junggesellinnen- und Junggesellenaus
zünftig zu gestalten. In einer Spaßnacht hatten wir die verrücktesten Ideen. „Da
ja unsere Jungs zum größten Teil Rot-Weiß-Fans sind, habe ich vorgeschlagen,
mit ihnen zum Fußballspiel nach Erfurt zu fahren. Auf dem Schwarzmarkt erhascht
man immer noch Karten. Anschließend wollen wir Herren der Schöpfung die Nachtbars
durchstreifen, um unsere Chancen bei den Damen auszutesten. Mal sehen, ob wir
das hinbekommen.“
Maren
konterte: „So ganz aus den Augen wollen wir uns aber nicht verlieren, darum
werden wir Frauen unseren Spaß ebenfalls in der Landeshauptstadt suchen. Erfurt
bietet unzählige Möglichkeiten, Freiheit auszuleben und auszukosten, bevor man
sich dem Ehebund verschreibt.
Lucy
und Bea als Brautjungfern, Lisa, meine Ferienfreundin und ich sind doch zu
jedem Spaßprogramm bereit. Wir werden als Straßenverkäuferinnen durch die Stadt
ziehen, ich binde mir einen Bauchladen um und biete Schokoladenherzen,
Waffelherzen, Gummibärchenherzen und Spaßmacher an, um die Hochzeitskasse zu
füllen! Nur mein Herz werde ich ganz fest halten, natürlich für dich mein
lieber Tim. Du siehst also, ich bin zu sämtlichen Schandtaten bereit, wenn es
um die Liebe geht!“
Ich
rang mir ein Schmunzeln ab, Mama hatte noch ein paar Vorschläge parat und das
Glückspaar probte schon den Hochzeitskuss.
„Laut
Internetveranstaltungsplan findet nicht
nur ein Heimspiel statt, sondern es sind auch noch Karten für eine
Travestie-Schau in der Messehalle zu haben. Da holen wir uns dann die
knackigsten Boys von der Bühne. Wie findet ihr das?“ „Kann ja eine peinliche
Nummer werden?“, unkte unsere Ma.
„Klingt
recht ausgefallen und lustig, aber ihr werdet das schon hinbekommen. Vergesst
bloß die Lippenstifte nicht, damit ihr jedem Kerl, der euch gefällt, euren
Kussmund aufdrücken könnt!“ „Das ist doch Programmpunkt Nummer eins!“
Wir
wurden im Junggesellinnenabschiedsgefasele unterbrochen. Ein mir bestens
bekanntes Motorengeräusch vor unserer Haustür ließ mich nach draußen eilen. Im
Schein des Bewegungsmelders machte ich Janniks Gestalt aus, die gerade den Helm
abzog. „Habe Nachtdienst und mich mal kurz aus dem Revier geschlichen. Muss dir
was ganz Wichtiges mitteilen. Streich das Gequatsche von heute Morgen und
deinen Ärger darüber, du bist raus aus dem Ermittlungsfeuer. Als der
Todeszeitpunkt heute gegen 20.00 Uhr per Fax reinkam, habe ich bereut, dass ich
dich geladen hatte. Wenn du um 22.00 Uhr zu Hause warst, dann kannst du dich
unmöglich zum Tatzeitpunkt in Mühlhausen rumgedrückt haben. Laut KTU-Bericht
muss die Unbekannte zwischen ein und drei Uhr in der Morgendunkelheit getötet
worden sein. Damit bist du alibifrei. Muss schnellstens zurück. Lass es mich
wissen, wenn du für ein Freundschaftsbier offen bist!“
Mit
dem Aufheulen seiner Maschine ersparte er mir jegliche Entgegnungen. Damit
endete dieser Montag doch nicht so furchtbar, wie ich glaubte.
Leichenfund auf Kirmesplatz
Mühlhausen
(dapd) Am Montag wurde in den frühen Morgenstunden vom Reinigungsteam der
Stadtverwaltung Mühlhausen eine tote Frau auf dem Damen-WC an der Stadtmauer
entdeckt. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Person in den Nachtstunden zwischen
ein und drei Uhr ums Leben kam. Beamte der Spurensicherung, die am Tatort
mehrere Stunden arbeiteten, fanden weder im Toilettenhäuschen noch auf dem
Blobachplatz verwertbare Anhaltspunkte. Laut Sprecherin der Polizeiinspektion
war der Körper nicht von Gewaltspuren gekennzeichnet. Leblos, an die Wand
angelehnt, mit zerzauster Frisur (dunkelbraunes Haar – Pagenschnitt) auf der
Toilette sitzend, hatte man das aufgefunden. Die Frau trug lediglich ihre
Festbekleidung, einen lindgrünen Overall mit Spaghettiträgern und tailliertem
Gummizug, einen weißen Seidenblazer, dazu passend weiße Knöchelsandaletten,
eine Esprit-Armbanduhr und Silbercreolen. Ansonsten konnten keine weiteren
Gegenstände sichergestellt werden, die auf die Identität der Leiche hinweisen
könnten. Die Ermittler arbeiten rund um die Uhr, unsere Sondereinheit
„Kirmesleiche“ hat sich bereits mit eingeschaltet. Ein Foto der Toten finden
Sie im Internet auf www.thueringen.de unter Landeskriminalamt Thüringen. Wer
eine junge Frau zwischen 20 und 25 Jahren vermisst, auf die unsere
Beschreibungsmerkmale zutreffen oder wer zum Tatzeitpunkt noch auf dem
Kirmesplatz war, wird dringend um Hinweise gebeten. Bitte melden Sie sich im
nächsten Polizeirevier. Sie können aber auch sämtliche Polizeidienststellen
kontaktieren. Jede noch so unbedeutende Beobachtung kann für uns schon ein
wichtiger Mosaikstein sein!“
Die
Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in ganz Thüringen, in unserer
Stadt, in den Straßen, in jedem Haus. Wiederholt ging sie mit Angst und Schrecken
einher. „Irrt da quer durch unserer Region ein Mordgeselle, der Kirmestanz und
–freude zum Töten nutzt?“, fragte man sich.
Sorgfältig
löste ich die Kirmesleichenmeldung aus dem Zeitungsblatt, ging bedächtigen
Schrittes zum Schreibtisch und schob den Zettel in eine Folienhülle zu der
kleinen Sammlung von Zeitungsausschnitten über das bisherige regionale Frauenopfer. Im Weglegen
begriffen, hielt ich inne, ließ mich in den Sessel fallen und ging die
Mordberichte noch einmal durch. Grobe Gemeinsamkeiten wiesen beide Fälle auf:
Frauen im Alter zwischen 20 und 25, hübsch, sexy, adrett gekleidet,
Todeszeitpunkt nach Mitternacht, Todesursache Erdrosseln, keinerlei
Misshandlungen, ohne Tasche und Papiere.
„Nicht
einmal ein Hinweiszettelchen, Reinigungskarte, Verkaufsbeleg oder ähnliches!“,
hatte Jannik erwähnt. Sie schienen alle auf Vergnügungstour gewesen zu sein. Ob
alleine oder zu zweit, dafür gab es keine Anhaltspunkte. War das nur ein
Zufall?
„Guten
Morgen Jannik, steht das Freundschaftsbierangebot noch? Wann hast du heute frei?“
„Toll, dass du anrufst. Hatte schon Gewissensbisse. Brüte über den
Ermittlungsergebnissen der Kollegen aus Mühlhausen und suche nach
Querverbindungen zu unserem Fall. Wenn es ein und derselbe Täter war, dann wird
er erfahrungsgemäß weitermachen und irgendwann begeht jeder einmal einen
Fehler. Das könnte uns voranbringen. Andererseits bedeutet das aber auch, dass
doppelter Einsatz gefragt ist. Wir müssen die nächsten Veranstaltungen auch
nachts noch besser absichern und Polizeipräsenz zeigen, wo immer was los ist.
Frauen sollte geraten werden, den Alleingang zu meiden. Unser Tag könnte 30
Stunden haben. Wir skizzieren Tatvorgänge, entwerfen Täterprofile, tauschen
unsere Vermutungen in allmorgendlichen Dienstgesprächen aus. Kommen aber nicht
wirklich weiter, obwohl die Öffentlichkeit nach Aufklärung schreit. Alles ist
wie ein Balanceakt, in dem das Landeskriminalamt die Richtung bestimmt.
Vorläufig ist Freizeit ein Luxus, den sich die Thüringer Polizei nicht leisten kann.
Einfach zu wenig Beamte im Freistaat. Gebe dir Bescheid, sobald wir Licht am
Ende des Kirmesleichentunnels sichten!“
Ich
runzelte die Stirn. So ein bisschen außer Konkurrenz mitzudenken, reizte mich,
aber im Kripolabyrinth wollte ich nicht umherirren. Anstrengung ohne Ende und
kein Erfolgserlebnis, das war nicht mein Ding. „Ja gut, klingt plausibel.
Hoffentlich fasst ihr den Verbrecher bald. Viel Glück!“ „Das werden wir
gebrauchen können, mein Freund. Auf der Polizeischule hat man uns
eingetrichtert: „Ihr müsst in das Hirn des Täters eindringen, wenn ihr seine
Handlungsabläufe rekonstruieren wollt!“ „Wie kann man als rechtschaffener
Kriminalbeamter die Psyche eines Mörders ergründen?“ „Muss auflegen, der Chef
steht in der Bürotür!“ „Klick, klack!“
Ich
lag bereits im Bett, aber Janniks letzte Bemerkung wollte nicht mit mir
einschlafen, mein starrer Blick wanderte zur Zimmerdecke, so als würde sich da
ein Horizont auftun. „Was geht im Kopf eines Mörders vor?“, fragte ich meine
Gedanken. Sollte ich mich auf dieses geistige Spiel einlassen? Eigentlich
nicht, aber es besetzte meine Sinne. Also folgte ich der intellektuellen
Herausforderung.
„Tötet
dieser Unbekannte, um selbst überleben zu können? Mordet dieser Mensch, um sein
Gewissen im Gleichgewicht zu halten oder sind Fehlschaltungen im Gehirn für
seine grausamenTaten verantwortlich?“
Die
menschliche Psyche schien mir einfach zu verschlungen, um in sie eindringen zu
können. Keiner wird als Mörder geboren. Also konnte die Bestimmung aus dem
Alltag kommen, aus dem Leben. Wenn jemand aus der Bahn geworfen wird, kann das
sein ganzes Dasein verändern und endlose Seelenschmerzen mit sich bringen. Der
Mensch verliert von jetzt auf gleich die Orientierung, die dem Leben Ziel und
Richtung gibt. Betroffene fragen sich vielleicht: „Welche Rolle hat mir das
Schicksal zugedacht? Wo auf meinem Weg auf Erden befinde ich mich gerade?“
Die
Anstrengungen des Tages zogen mich von dieser prekären Bewusstseinsebene
erlösenderweise in den Schlaf.
Bereits
zwei Tage später war das Mordrätsel von Mühlhausen gelöst.
TA
Mittwoch
TÖTUNG AUS EIVERSUCHT
Mühlhausen.
(dpa) „Nach genauster Spurensicherung und Leichenschau gestalteten sich die
Morduntersuchungen der Kripo in Mühlhausen zu einem erfolgreichen
Lösungsbericht. Bei der getöteten Frau handelt es sich um die 27-jährige
Magdalena Bellmann, wohnhaft und verheiratet in Mühlhausen. Den Ermittlungen
zur Folge handelte es sich um eine Beziehungstat. Als Täter konnte der 34 Jahre
alte Ehemann laut DANN-Spuren festgeschrieben werden. Rolf Bellmann war
anscheinend nicht gewillt, die von seiner Frau eingereichte Scheidung
hinzunehmen.
Weiterhin
geht die Kripo davon aus, dass er das Kirmesfest nutzen wollte, um seine Frau
in geselliger Runde umzustimmen. Als seine Absicht jedoch erfolglos blieb,
regelte er die Zwistigkeit mit Gewalt. Dabei war eine beträchtliche Menge
Alkohol im Spiel (2,5 Promille). Er muss ihr auf die Damentoilette am Festplatz
hinterhergeschlichen sein. Zuerst vergewaltigte er die sich wehrende Partnerin
und dann würgte er sie mit beiden Händen so lange, bis diese keine Luft mehr
bekam.
Er
selbst wurde in der gemeinsamen Wohnung erhängt aufgefunden. Sein
Abschiedsbekenntnis war kurz, krakelig, aber lesbar niedergeschrieben.
„Magdalena
gehört zu mir! Im Himmel und auf Erden!“
Der
Täter richtete sich selber! Man geht von einer Affekthandlung aus.
Offensichtlich liebte er seine Frau und wollte sie um keinen Preis verlieren.
Das bestätigten Zeugenaussagen aus dem Umfeld der Familie. Die Ehe der Beiden
war zum Glück kinderlos.
Es
bestehen keinerlei Zusammenhänge zwischen der Kirmesleiche aus Heiligenstadt
und dem Ehedrama in Mühlhausen.“
Polizeisprecher
Frank Wolf, Mühlhausen
Der
Zeitungsbericht war Balsam für meine Seele!
Dieser
Kirmesmord war aufgeklärt, aber noch immer wusste niemand, was für ein Gesicht
der Heimensteiner Kirmesmörder hatte
Unsere
Kleinstadtmenschen sahen immer noch in jedem Fremden, der ihre Wege kreuzte,
ein Mordgespenst. Das ging so weit, dass Firmen nur noch einheimische Bewerber
einstellten, mit den Hinterkopfgedanken: „Thüringer sind arbeitsam, gesellig,
gastfreundlich, naturverbunden, traditionsbewusst, kameradschaftlich, aber
keine Mörder!
So
ganz einerlei war es Maren nicht, dass ihre Abenteuerlust nun in den Hafen der
Ehe münden sollte. „Da warten neue Herausforderungen auf dich, die ebenfalls
deine ganze Kraft fordern und recht spannend sein können!“ „Denkst du etwa
daran, Patenonkel zu werden?“ „Einer von uns zwei muss ja für den Fortbestand
der Familie sorgen!
„Stell
dir vor, seit ich weiß, dass in unserer Nähe ein Frauenjäger auf der Pirsch
ist, lege ich sämtliche Wege, Tag und Nacht, mit dem Auto zurück. Findest du,
dass ich ein Angsthase geworden bin?“ „Ein bisschen Vorsicht ist angebracht,
aber bitte keine Übertreibung! Nicht auf jeder Feier lauert eine mordlustige
Männergestalt!“
„Weißt
du, dass ich unendlich froh bin, dass Tim und ich bald für immer
zusammengehören werden?“ „Für mich klingt das auch beruhigend, wenn man die Schwester
in guten und sicheren Händen weiß!“
In
der Wochenendzeitung fesselte mich der Leserbrief einer jungen Frau: „Man
stelle sich vor, auf einer Kirmesfeier zu sein, so mit Musik, Tanz,
Schmandkuchen, Spaß, Genuss und Rummelei, mit Kinderlachen und Herzenssprüngen
unterm sommerlichen Himmelsdach sitzend. Süßes in sämtlichen Verlockungen wird
feilgeboten, kandierte Äpfel, Bananen und Nüsse in Schokolade getränkt. Liebesherzen
groß und klein bringen unsere Sinne zum Jubeln. Auf jedem Volksfest die
gleichen Gerüche, ein ohrenbetäubendes Kreischen, Rufen und Scherzen oder gar
Schubsen, Besaufen, Streiten, Schlagen, Töten. Überdimensionale Stofftiere in
den Losbuden schreien: „Gewinn mich!“ Verlockende Angebote, geheimnisvolle
Begegnungen und dann so ganz ungeahnt wird eine männliche Figur lebendig und
raubt dir die Luft zum Atmen, haucht dein Leben aus, obwohl du doch nur mal
wieder ganz ausgelassen feiern wolltest. Abspannen, Abschalten, Abtauchen vom
Alltagsstress!
Gibt
es dafür eine Erklärung? Sicher! Aber, wer findet sie? Wann bekommen wir
diese?“ Wer ermittelt des Mörders Namen? Wer spricht das gerechte Urteil?“
Alexandra
Will, 20 Jahre – Bodenrode, Thüringen
P.S.
Ich bin im nächsten Jahr in unserem Dorf Kirmesmädchen und das möchte ich auch
noch erleben!
Diese
Gedanken gingen mir unter die Haut. Alexandras Kirmesangstaufschrei war
eindeutig. „Fasst den Mörder! Befreit uns Frauen von der Angst!“
Ebenso
zweifelhaft klang Janniks Ansage.
„Wir
kriegen trotz Denkmarathon und rauschender Superhirne nur noch Feuer von allen
Seiten. Die Mühlhäuser können wenigstens mit Fakten punkten, während wir auf
der Stelle trampeln. Wollte nur sagen, dass unser Bierabend noch warten muss.
Mein Geduldsfaden ist kurz vor dem Zerreißen. Gewiss ist, dass da ein Mörder
cleverer ist als die Polizei! Klingt blamabel, was? Wünsche dir eine
unbeschwerte Nacht!“
Schade,
dass mir das die Anrufbeantworterstimme sagte. Wie gerne hätte ich ihm von
meinen Profilbetrachtungen erzählt.
Die
Eventleichen schlugen hohe Wellen. Für jedes Sommerwochenende waren in ganz Thüringen
zahlreiche Veranstaltungen geplant. Es war Kirmessaison, eine Tradition, die
man nicht einfach so beenden konnte, denn viele Vereine warben bereits seit
Monaten mit ihrem Programm. Aus diesem Grund berief man eine Krisensitzung zur
Absicherung der Feierlichkeiten ein. Laut TLZ- und TA- Meldungen hatte man die
Verantwortlichen der Volksfeste, Ordnungsämter, Touristikverbände und
Polizeiinspektionen zusammengetrommelt, um auf übergeordneter Ebene in Erfurt
zu beraten. Nach mehreren Gesprächen und Auseinandersetzungen war man dort zu
dem Schluss gekommen, die angemeldeten Veranstaltungen stattfinden zu lassen.
„Solche Höhepunkte des kulturellen Lebens sind schließlich eine Werbung für die
gesamte Region. Sie geben uns Gelegenheit, die Reize unserer Landschaft, die
Schönheit unserer Dörfer und Städte, die
Kultur und den Handwerksfleiß der Menschen ins Rampenlicht zu rücken. Das
Gremium sprach sich dafür aus, unser Zusammenleben und die Brauchtumspflege
nicht abzuwürgen!“ So lautete die Begründung.
Diese
Herausforderung ging zuerst an Worbis, die Stadt, die geologisch betrachtet auf
Wasser steht. Hier, mitten im Eichsfeld, vereinte sich nicht nur ganz
Thüringen, die Gäste kamen aus allen Himmelsrichtungen, um mit den
Einheimischen die 850-jährige Ersterwähnung der Stadt gepaart mit dem 27.
Eichsfeldtag zu begehen. Sogar die Ministerin des Bundeslandes gab sich die
Ehre mit zu feiern. Vom 14. bis zum 16. September lockte Worbis so viele
Besucher wie nie zuvor an. Dazu hatten die Einwohner ihre beschaulichen
Fachwerkhäuser und Straßen mit bunten Wimpelketten und Fahnen geschmückt. Um
die Feststimmung anzuheizen, wurden Höhepunkte aller Art organisiert, wie
beispielsweise die Hochseilshow der Geschwister Weisheit. Ein Besucheransturm
erlebte man auch auf dem historischen Markt, der auf dem Gelände des
Franziskanerklosters drei Tage lang seine Pforten öffnete. Dort konnte man in
die Zeit des Mittelalters eintauchen und sich verzaubern lassen. Leider gab es
hier kein Klosterbier, aber dafür wurde Bockbier aus der heimischen „Brauerei
Neuspringe“ angezapft. Traditionell gestaltete sich der Jubiläumsumzug am
Sonntag zum Highlight der Festveranstaltungen. Wer nicht auf den Beinen war, um
das Spektakel mitzuerleben, wurde erst am folgenden Tag mit der Schockmeldung:
„FRÖHLICHER UMZUG MIT TÖDLICHEM AUSGANG“
konfrontiert.
Bebende
Frauenherzen gerieten da erneut aus dem Takt. Wütende Männer begannen Zweifel
an der Thüringer Polizei laut werden zu lassen. Nichtsahnend wurde geurteilt: „Wenn
man die Bullen braucht, sind sie nicht da!“ „Unterbesetzung bei der Polizei ist
das Problem!“
Auch
meine Schwester Maren reagierte
aufgebracht. „Oh Schreck, schon wieder ein Eventopfer! Da hat der Kirmesmörder
wohl erneut das Lied vom Tod gespielt. Nimmt diese Panik denn gar kein Ende?“
„Es ist doch noch gar nicht erwiesen, ob man überhaupt von einem Tötungsdelikt
ausgehen kann und außerdem war von einer Männerleiche die Rede. Komm mal wieder
runter und mach dich nicht fertig, auf Hochzeiten gab es bisher keine Leiche.
Mal hören, ob ich Jannik aushorchen kann. Halte dich auf dem Laufenden, wenn
ich mehr weiß!“
Ehrlich
gesagt wurde auch ich von Unruhe
erfasst. Die Eventleichen hatten sich bei uns noch nie so gehäuft wie in
diesem Sommer. Es klang doch seltsam, so gar nicht mehr nach friedlichem
Vergnügen.
„Sei
gegrüßt Herr Oberkommissar! Ron hier! Sitzt ihr immer noch auf Treibeis? Was
ist da eigentlich genau in Worbis abgelaufen? Hat euer Phantom diesmal einen
Mann erwischt? Kannst du schon was preisgeben?“ „Mahlzeit erst mal, zum Essen
muss ich mir wenigstens die Zeit nehmen, auch Nerven brauchen Nahrung. Hast
Glück Ron, soeben ist ein Zeitungskommentar von Natalie Hünger und Fabian Klaus
auf meinen Bildschirm geflattert. TLZ- Dienstag! Habe die wichtigsten Details
bereits markiert. „…Am Sonntag war gegen 15.30 Uhr ein 36-jährieger Mann währen
des Festumzugs ums Leben gekommen, als er versucht hatte, während der Fahrt auf
einen Umzugswagen aufzusteigen. Er fuhr als Moderator auf dem letzten Wagen.
Der Akteur rutschte offenbar beim Aufsteigen ab und geriet unter ein Rad des
Tiefladers. Er war sofort tot.“
Weiterhin
wurde gemeldet: „Während der Feierlichkeiten hielten sich etwa 15000 Menschen
in der Stadt auf, so dass man längst noch nicht von einem Unfall ausgehen kann.“
Es
steht mal wieder die Ermittlungsarbeit an. Noch sind wir außen vor. Zum Glück
auch, denn uns fehlen selbst die Erleuchtungen. Die Bandbreite möglicher Täter
und Motive ist endlos bei derartigen Volksfesten. Wir wissen nicht, was da noch
auf uns zumarschiert, es wird immer komplizierter! Sei froh, dass deine Arbeit
gegenständlicher ist. Tschüss dann mal!“
„Muss
Maren gleich beruhigen. Sie sieht ihrer Hochzeit entgegen und träumt von
Frauenleichen. Das passt doch so ganz und gar nicht zu ihr. Danke für die
Auskunft. Ich wünsche euch viel Leuchtkraft, damit ihr endlich aus dem Tunnel
kommt!“ „Grüß das Brautpaar von mir, wenn möglich, werde ich zum Poltern
anrollen!“ „Wäre erstklassig, aber findet bis dahin euren Verdächtigen!“
Zum
Glück entspannte sich die Situation, als Tim und Maren von ihren
Abschiedsgaudis erzählten. „Ich will zum letzten Mal so richtig die Sau
rauslassen!“ „Was soll denn das bedeuten?“, monierte meine Schwester. „Lass
dich überraschen mein Brautschatz!“ „Na dann werde ich wohl die Männerwelt
letztmalig herausfordern müssen, solange ich noch ledig bin!“ „Meinen Segen
habt ihr alle beide! Gut dass die Hochzeitsglocken die Leichengesänge
übertönen.“
Am
Sonntag zog ein verführerischer Kuchenduft durchs ganze Haus. Mama werkelte und
hatte alles auf Hochglanz poliert, so als würden wir Papstbesuch bekommen. „Wen
erwartest du heute?“ „Seit wann bist du denn so zerstreut und vergesslich?
Völlig ungewohnt von dir. Familientreffen. Tims Eltern kommen zu Besuch. Sie
möchten mit uns das Hochzeitsprogramm absprechen. Einige Details müssen noch
konkretisiert werden.“ „Hast ja Recht, der Termin ist mir total verrutscht. Ruf
mich runter, wenn sie da sind!“ Schon wurde alles, was nichts mit dem großen
Ereignis zu tun hatte, ausgeblendet.
Plötzlich
steckte mein Schwesterherz völlig in der Hochzeitseuphorie. „Am 15. September
wollen wir unsere Abschiedspartys veranstalten. Sowohl die
Junggesellinnentruppe, als auch die Junggesellenmannschaft werden mit einem
Vergnügungsbus in die Landeshauptstadt touren.“ Tim, ebenfalls im Hochzeitsfieber,
fiel ins Wort. „Ich habe unter www.busbar.de-einen tolles Amigefährt gebucht,
mit dem mein Bekannter Ben eine gute Geschäftsidee hatte. Nach dem Mittagessen
heißt es für die Jungs, ab in das Steigerwald Stadion. Wo der FC-Rot-Weiß-
Erfurt gegen Hansa Rostock antritt. Diesem Match fiebern wir jetzt schon
entgegen, außer David, der weniger auf Hochzeit steht. Damit die Mädels ohne
uns nicht gar so viele Dummheiten machen, wird Taxi Lutz mit seiner Susi die
Damen begleiten! Genauer gesagt, er fährt euch auch wieder nach Hause. Bei den
Männern ist ja Rückkehr ungewiss!“
„Auf
jeden Fall sicher! Sie können uns ja beim Hausieren unterstützen und vor
ungewollten Zudringlichkeiten beschützen. Um dem Freiheitstreiben der Männer keine
Grenzen zu setzen, war das Thüringenrückfahrtticket meine Idee.“, betonte Maren
„Für
den Polterabend ist der 27.September vorgesehen. Der wird selbstverständlich
bei euch im Brauthaus gefeiert. Unsere Verwandten und Duderstadtfreunde kommen
gerne nach Thüringen. Wir haben dieses Vergnügen bewusst zwei Tage vor den
Feierlichkeiten geplant, damit für alle noch genügend Zeit zum Aufräumen,
Ausnüchtern Älterwerden und die letzten Handgriffe bleiben.“ ,ergänzte Hanny,
Tims Mama.
„Hättet
ihr etwas dagegen, wenn mein Kripofreund Jannik mit Porzellan zerschlägt?“ „Auf
keinen Fall, dann hätten wir ja Polizeischutz kostenlos.“ „Vielleicht sollten
wir diesen Polizeikommissar aus Sicherheitsgründen mit auf die Burg einladen.“,
warf meine verängstigte Mama ein. „Es wird ihm bestimmt nicht schwer fallen,
Schönheiten wie euch im Auge zu behalten.“
Jetzt
kam Tims Papa zu Wort. „Ich habe den großen Festakt am 29. September mit den
Brautleuten bereits bestens organisiert. Wir werden stilvoll auf Burg Scharfenstein
feiern. Die Burganlage aus dem 13. Jahrhundert hat mich schon beim ersten
Anblick fasziniert. Sie ist nach langen umfangreichen Renovierungsarbeiten zu
einem lohnenswerten Ziel für Wanderer, Naturfreunde, Sportler, Pilger,
Kulturliebhaber und Festlichkeiten geworden. Von der Burgterrasse aus hat man
einen gigantischen Blick in die Landschaft. Bei klarem Wetter kann man seine
Augen sogar bis zum Brocken schicken. Deshalb haben wir den Sektempfang auch
dort geplant. Die anschließende Trauung wird im Kaminzimmer zelebriert. Danach
flattern weiße Tauben in den Glückshimmel der neuen Familie Hauser. Das weitere
Vergnügen findet im großen Festsaal statt. Dort erwartet uns ein fürstliches
Hochzeitsessen und wir wecken wir mit Musik und Tanz sämtliche Burggespenster
auf. Und das kann bis zum ersten Morgenhahnkrähen dauern.“
Schon
bald waren lustige Flyer für den Junggesellen- und Junggesellinnenausflug
erstellt. Die Hochzeits- und Geburtstagseinladungen hatten die Gäste bereits
erhalten. Damit keinem die Termine entgingen, wurden die Einladungen zusätzlich
im Firmenbereich von Maren ausgehangen.
„Endlich
mal wieder eine erfreuliche Botschaft, die einen regelrecht beflügelt!“, jubelte
Kalle.
In
den aktuellen Meldungen zum tödlichen Festumzugsausgang in Worbis hieß es: „Die
letzten Ermittlungen der Kripo bestätigen einen tragischen Unglücksfall im
Freudentaumel des Volksfestes. Es kann niemandem die Schuld zugewiesen werden.
der Fahrzeugführer hatte die Promillegrenze nicht überschritten, wie die anschließende
Blutuntersuchung zeigte. Damit ist das Beweisverfahren abgeschlossen.“
Diese
Nachricht löste Erleichterung aus und bestätigte, dass Thüringen noch nicht zum
Eventfriedhof geworden war.
Fotos, Claudia Götzr