Sonntag, 4. März 2018

" Ovambo-und Etoshafaszinationen"-4.Kapitel






Als Hanna merkte, dass ich wehmütig gestimmt in unserem Safari-VW meinen Platz einnahm, tröstete sie: „Das Highlight unserer Abenteuertour steht uns ja noch bevor. Wenn du erst einmal das unvergessliche Panorama der Etosha-Pfanne eingefangen hast, werden deine Sinne flimmern. Der Nationalpark misst etwa 300 km von Ost nach West und 100 km von Nord nach Süd. Rund 30 künstlich angelegte Wasserstellen und Quellen locken Tiere an, die dort aus relativ größter Nähe beobachtet werden können. Hier kann man die ursprüngliche Wildnis erleben und ist mittendrin im Tagkino. „Etosha“ bedeutet in der Ovambosprache: Dort, wo kein Wasser ist. Wenn man die salzverkrustete Pfanne durchquert und den flimmernden Luftspiegelungen der Mittagshitze ausgesetzt ist, spürt man etwas von Unendlichkeit und Ewigkeit!“
Wie gebannt, lauschte ich ihren Worten, die mir einen Ort deuteten, an dem der Himmel die Erde zu küssen schien. Ich war bereit für ein neues Wagnis und wollte dieses Namibia mit all seinen Facetten und Widersprüchen aufspüren, erkunden und lieben lernen.
„Auf geht es also gen Norden!“, verkündete der Chauffeur, während er das Lenkrad übernahm. Mich ergriff ein Gefühl überschäumender Lebensfreude. Baumbesetzte Steppen und Savannen, immer üppiger werdende Buschwälder, grünes Weideland, aber auch vertrocknete Dornensträucher flogen an uns vorbei. Nun eine Teerstraße, schmal, staubig, Siedlerhütten links und rechts. Menschen und Tiere teilten sich die Unterkünfte.
Es war Wochenende, Feiertags- und Kirchgangsstimmung. Die Straßenränder wurden plötzlich mit Lebewesen geschmückt. Schwarze kamen stolzen Schrittes aus ihren ärmlichen Behausungen heraus, um zum nächsten Gotteshaus zu pilgern. Sie trugen alle Sonntagskleidung. Dunkelhäutige, weiß beflaggt! Frauen, elegant gekleidet und Kinderscharen hüpften in neonfarbigen T-Shirts froh gestimmt neben den Erwachsenen her. Ältere trugen Klappstühle, um sich einen Sitzplatz zu sichern. Es offenbarte sich uns eine friedliche, wohlgefällige Welt. „Für mich unvorstellbar, wie gebügelt, geschniegelt und geweißt die ihren Hütten entspringen. Die Kleiderordnung ist perfekt sonntäglich und die Freude in den dunklen Gesichtern echt.“
„Ich finde ja die bunten Gummibärchen, schwarz gelockt, so exotisch niedlich. Diese Kinder sind eine Schöpfung der absoluten Schönheit!“, schwärmte Rosi.
Ziegenduell auf der Straßenmitte! Unser Hupen beendete den Zweikampf. Meine Handykamera hielt diese bewegenden Momente fest, ebenso wie das Afrikataxi, ein Pritschenwagen, total überladen, mit Krusselköpfen, die uns freundlich zuwinkten. Nun erstaunten mich Ziegenhirten in Hawaiihemden, die nur auf ihre Handys starrten, statt die Tiere zusammenzuhalten.
Um die Mittagszeit erreichten wir Shighuru, eine moderne Kleinstadt. Das Thermometer war inzwischen auf 32 Grad C hochgeklettert. Grund für eine Verschnaufpause. Mich erstaunten die Kondomautomaten in den WCs. „Diese Vorsorge war eine sehr wichtige Regierungsmaßnahme zur Eindämmung der Aidsgefahr. Die Afrikaner brauchen Aufklärung!“
„In etwa einer Stunde machen wir noch einen Zwischenstopp, um dir eine weitere Attraktion zu zeigen!“, bemerkte Carl. Schon bald erfuhr ich von Hanna, dass es sich um einen sagenumwobenen Bergsee handelte. Auf dem Grund sollen noch Schätze und Munition aus dem ersten Weltkrieg zu finden sein. Deshalb ist der Ort auch ein Taucherparadies geworden. Über die Bergung wird nur orakelt.“
Inzwischen hatten wir etwa 700 km durch Namibias Norden zurückgelegt. Abseits der Fahrbahn suchten wir den Weg zur Übernachtungsfarm. Holter di Polter erreichten wir das Eingangsportal, über dem „Sachsenheim“ prangte. Unter dem Schild war zu lesen: „Sie kommen als Fremde und gehen als Freunde.“
„Klingt ja verheißungsvoll! Hat sich hier etwa ein deutscher Sachse beheimatet?“, fragte ich ungläubig.
„Wir werden es herausfinden. Bei uns ist nichts unmöglich.“, meinte Rosi. Eine kleine, aber recht gemütliche Wohnanlage, offenbarte sich unseren neugierigen Blicken. Das Farmerhaus, im Westernstil angelegt, hatte eine große Terrasse, auf der wir mit duftendem Kaffee und verführerischer Schokoladentorte willkommen geheißen wurden. Unsere Gästebungalows waren ebenso einladend. Nachdem wir die Zweibettzimmer in Besitz genommen hatten, trieb uns die Hitze zuerst in den Pool, der Abkühlung versprach. Beim Planschen und Schwimmen wurden uns Getränke gereicht, wir flunkerten, resümierten, lachten und prosteten dem Glück entgegen. Wie von Zauberhand geschoben, zogen urplötzlich schwere dunkle Regenwolken auf und schwärzten den Horizont. In Windeseile entluden sich dramatische Himmelsformationen.
„Namibiaregen! Platzregen!“, jubelte Rosi. Unter dem Vordach sitzend, staunten wir über die großen Pfützen, die der Regen malte. „Dieser warme Guss ist für die Tier- und Pflanzenwelt ein Wachstumssegen!“ So heftig wie das Wasser niedergeprasselt war, so rasch versiegten die Regentropfen auch wieder und die Sonne erleuchtete den Nachmittag, an dem wir noch auf Erkundungstour gingen
Um 18.00 Uhr versammelte sich die Farmergemeinschaft mit den wenigen Gästen im Restaurantbereich, wo ein Abendbuffet mit heimischen Spezialitäten auf alle wartete. Jetzt stellte sich die Familie Sachse persönlich vor. Frau Maria war für den Ausschank zuständig, Tochter Nenja hatte die Bedienung im Griff und Gerd Sachse war Küchenchef und Teamleiter.
Mit viel Liebe zum Detail waren zwei Tischreihen auf der Terrasse originell afrikanisch eingedeckt. Sogar das Geschirr passte zum Ambiente.
Der Farmer eröffnete das Dinner, begrüßte seine Gäste mit viel Herzlichkeit, verwies stolz auf seine schwarzen Farmarbeiter, mit denen die Familie Sachse am Tisch saß. „Nun lade ich euch alle zum Abendessen ein, das Buffet ist im Haus angerichtet. Wenn ich meine Lieblingsgerichte koche, liege ich bei den Freunden immer richtig. Es gibt Kudu-Hackbällchen für die Fleischliebhaber, vielerlei Gemüsiges und Süßes. Lasst es euch munden!“
„Mir hat die Brokkoli-Süßkartoffelpfanne außergewöhnlich herzhaft geschmeckt. So etwas Pikantes gibt es bei uns gar nicht!“ „Diesen besonderen Geschmack erzielt man nur mit einem afrikanischen Kräutermix!“, fügte Hanna hinzu.
Bestens gelaunt und üppig gesättigt, kamen wir rasch mit den Einheimischen ins Plaudern und gaben uns dem Gästespaß mit Musik und Tanz hin. Ich schwebte in Carls Armen wie im achten Himmel. Ein paar Angestellte wagten auch ein Tänzchen mit unseren Freundinnen. Der Sonnenball ließ den Tag ausklingen und zauberte ein flimmerndes Bild, das die Abendstimmung romantisch umrahmte.
Am Montagmorgen holte uns ein prächtiger Hahn mit seinem „Kikeriki-Schrei“ in die neue Woche.
Ein vielseitiges Frühstück wappnete uns für die Weiterfahrt. Nun hatten wir erfahren, dass hier alle wie in einer großen Familie lebten und Gerd, Maria sowie Nenja bodenständige Weiße waren. Wir kamen wirklich als Fremde und reisten als Freunde ab.
Versunken im Rausch des Glückes, bemerkte ich gar nicht, wie rasch wir auf der Fernverkehrsstraße unserem nördlichen Ziel näher kamen. Meine Augen starrten auf die Visitenkarte der Sachsenheimfarm mit der Adresse: Gerd und Maria Sachse – POBOX 1713 – Tsumeb – NAMIBIA.
Je weiter wir uns vom Okavangodelta entfernt hatten, desto öder und trockener wurde die Landschaft. Mir erschien alles wie weiß gepudert. Sogar die Fahrzeuge, die uns entgegen kamen, schimmerten alle grauweiß hässlich.
„Hier ist die Natur vom Salzwüstensand der Etosha-Pfanne bereits verweht. Das Bühnenbild wird noch spannender!“, versprach Rosi. „Um den Wildtieren ein Überleben zu ermöglichen, wurde der Etosha-Park bereits 1907 angelegt und von Jahr zu Jahr erweitert. Dieser Nationalpark ist einer der herrlichsten und tierreichsten Naturschutzgebiete Afrikas. Das Territorium von 23 000 km² wird jetzt staatlich geleitet.“, setzte Mieke fort. Nun verkündete Carl das Safarimotto: „Die Wildnis ruft! Laut Prospektinfo werden im hier etwa 2000 Elefanten, 600 Zebras, 500 Gnus und 20 000 Springböcke beherbergt. Oryxantilopen, Flamingos und Wasservögel treten ebenfalls massenhaft auf. Es wäre eine endlose Kette, sämtliche Arten beim Namen zu nennen. Wir werden Unermessliches entdecken!“
Wir bezahlten eine recht hohe Eintrittsgebühr, bevor sich der Schlagbaum ins Wildtierreich öffnete.
Eine zupfende Giraffe jenseits der vorgeschriebenen Staubpfade schwenkte uns begrüßend ihren Kopf zu. Mehrere Zebraschönheiten waren auf Wanderschaft. „Bei dieser Hitze zieht es sämtliche Tierarten zu den Wasserstellen, die größtenteils durch Bohrbrunnen erschlossen oder künstlich angelegte Teiche erschaffen wurden.“, erklärte Mia. Jetzt kam der Verkehr der Schaulustugen ins Rollen. Safaribusse, offene Geländewagen, Jeeps und Lkw`s kreuzten unsere Wege. „Dort scheint das nächste Wasserparadies zu sein!“ Carl wechselte die Fahrtrichtung und Hanna klärte mich weiter auf. „Übermut kann tödlich sein! Hier darf man nur die markierten Routen befahren! Es ist bei Lebensgefahr verboten, sein Fahrzeug zu verlassen! Tierfütterungen und Berührungen sind ebenfalls strengstens zu unterlassen!“ Diese Verhaltensregeln wurden auf den jeweiligen Hinweisschildern noch einmal verdeutlicht. „Entweder man durchquert den Park mit einem Guide und öffentlichen Safari-Taxis oder in Eigenverantwortung, so wie wir.“, betonte Hanna.  „Zum Glück habe ich wohl die zuverlässigsten Reiseführer Namibias erwischt!“, lobte ich.
Als wir uns einer der Lebensquellen näherten, glaubte ich, mal wieder in das Reich der Träume eingetaucht zu sein. Eine Herde von etwa 20 Elefanten hatte sich zum Badespaß eingefunden, ihre kolossalen Körper überragten die übrigen Parkbewohner, von winzig (Wasservögel) über klein (Pelikane) bis groß (Zebras). Derartig vielfältige Tieransammlungen hatte ich noch nirgendwo zu Gesicht bekommen. Im instinktiven Einvernehmen hatte sich jeder Artgenosse seine Platzkarte gesichert. Lediglich die Elefanten beanspruchten ihr eigenes Terrain. „Was für ein tiergesellschaftliches Ereignis!“, stellte ich fest.
Carl hatte zwischen all den Safarifahrzeugen noch eine Lücke gefunden, in die er uns gekonnt hereinjonglierte. Jetzt war der Blick frei und aus Safaritouristen wurden Großbildjäger, lohnendere Motive gab es wohl kaum. „Beeindruckend, wie sich die Rüsseltiere, Giraffen, Kudus, Rehböcke, Pelikane, Hyänen, Antilopen, Gemsböcke, Flamingos, Geier und bunt gefiederte Wasservögel das Lebenselixier teilen!“, staunte ich.
„Du kennst doch das Sprichwort: ‚Frieden ernährt, Unfrieden zerstört!‘, das gilt sowohl im Mensch- als auch im Tierreich!“, warf Carl ein.
Später stoppten wir an einem wesentlich kleineren Wasserloch, in dem sich Bockis und Antilopen erfrischten. „Schaut mal nach rechts, dort zeigt sich uns ein sehr seltener Badespaß!“ Am Rand des Ufers lauerte eine Hyäne mitten im Wasser. „Ob sie wohl zum Trinkgenuss auch den Fleischgenuss findet?“, orakelte ich. Gespannt verfolgten wir das weitere Geschehen. In der Luft lag ein Knistern. Diese Spannung zerriss plötzlich, als Löwengebrüll in der Ferne vernehmbar war. Im Nu verflüchtigten sich die Vierbeiner, die Vögel flatterten aufgeschreckt gen Himmel. Wir dagegen harrten aus, um dem König der Wildnis auf die Spur zu kommen. Vergebens! Er hatte eine andere Richtung eingeschlagen. „Es gibt hier einen bestimmten Bereich, in dem wir bis jetzt immer Löwenbekanntschaft gemacht haben!“, tröstete Hanna.
Carl blies zum Rückzug. „Aus Kostengründen haben wir eine Lodges außerhalb des Camps gebucht. Hier im Park ist alles überteuert. Lasst uns zum Quartier aufbrechen!“
Erst jetzt spürte ich Hunger und Erschöpfung. Dazu besetzte eine brütende Hitze Körper und Geist. Wir hatten einen der heißesten Tage erwischt mit 42° C. Kaum vorstellbar, dass man diese Hitze in Deutschland ertragen würde. Momentan schützte uns das Autodach, und der Fahrtwind brachte Abkühlung. „Der brennende Horizont ist oft sehr bedrohlich für alles, was lebt und Wasser braucht!“, vernahm ich Hannas Stimme.
Wir fuhren gut 30 Minuten bis zum Safaricamp, das uns von einer Bergkette aus entgegen lächelte. Reizvolle Rundhütten, terrassenförmig angelegt, warteten auf uns, urig namibisch gemütlich. „Carl, schau dir doch mal diese exotischen Duschen an, einfach sensationell. Halbrund gefliest mit Elefantenrelief. Stell dir vor, der Wasserstrahl wird gerüsselt!“
Er lachte über meine kindliche Begeisterung, schloss mich fest in seine Arme. „Das kenne ich doch schon alles, mein Liebling. Ich lebe seit fast fünfzig Jahren in diesem Kameldornland.“ „Einfach imposant, urig, touristisch abgestimmt, diese Wohnanlage und obendrein in schwarzen Händen!“ Als ich auf eine kühle Rüsselerfrischung hoffte, wurde ich lauwarm berieselt. „Das Duschwasser wird doch nicht gekühlt. Sei froh, dass man bei dieser Trockenheit überhaupt so großzügig mit dem Wasser umgehen kann!“
Nach einem Erfrischungsgetränk aus der Kühlbox trafen wir uns zu einem Erkundungsgang durch das „Halai Camp“. Im Ankunftsbereich, wo die Fahrzeuge geparkt werden konnten, befanden sich neben der Rezeption auch Einkaufsstände und gastronomische Einrichtungen. Sogar ein kleines Museum, das die Buschkultur widerspiegelte, zog mich an. Gemütlich afrikanisch war der Innenhof gestaltet, sozusagen das Kulturzentrum des Camps. „Hier logieren wir immer, wenn wir der Etosha-Pfanne unsere Ehre erweisen!“, betonte Mia stolz.
Wir schlürften unseren Drink und entspannten in dieser zauberhafte Atmosphäre bis zur Abendessenszeit. Dann nahmen wir unsere Plätze auf der Restaurantterrasse ein und ließen uns mit einem Viergänge-Menü überraschen. Während wir die regionalen Köstlichkeiten verspeisten, spielte eine afrikanische Band Heimatmelodien, die mit Gesang umrahmt wurden. Geselligkeit, Gemütlichkeit und Neugierde brachten Menschen der verschiedensten Nationen auf wundervolle Weise zusammen. Ob sie wohl alle Namibia liebten oder nur aus geschäftlichen Gründen vor Ort waren?
Von den flimmernden Luftspiegelungen der Etosha-Pfanne überwältigt, fiel ich in einen Tiefschlaf, bis die Sonne wieder aufging. Hellwach lag ich nun neben meinem Herzbuben und war ihm dankbar dafür, dass er mir zuliebe mit vier Frauen durchs Land reiste. Jeder von uns zollte er den nötigen Respekt und war die Höflichkeit in Person. Rasch duschte ich mich und machte mich hübsch für ein neues Abenteuer.
Wir wollten mit die ersten im Wildtierreich sein, um die Morgenwäsche der Tiere nicht zu verpassen. Außerdem trieb mich die Neugier auf alles, was es hier zu entdecken gab, an. Während der Fahrt streckte ich meinen Hals durch den Fensterschlitz, der Kopf wippte im Rhythmus der Kurven. „Werde nicht übermütig!“, mahnte Rosi. „Könnte glatt abheben vor lauter Lebenslust!“
Auf einmal entdeckten wir eine dunkle Wolke, die majestätisch vor uns her zog. Es war ein seltener Anblick, den wir zu würdigen wussten. „Vielleicht ein Hoffnungsschimmer auf Regen!“
Neue Route, neue Kasse! Nichts ist mehr umsonst. Aber dieses atemberaubende Tierreich muss erhalten bleiben, also zahlen wir gerne!“, hörte ich Carl. Film ab! Klappe, die erste! Eine beschauliche Springbockherde trabte aus dem Busch heraus und stoppte unsere Fahrt. Zwei Böcke lieferten sich auf der Staubpiste ganz unerwartet ein heftiges Hörnergefecht, umringt von den sensationslustigen Artgenossen. Kudus grüßten uns vom rechten Wegesrand. Im welken Gras tuschelten zwei Onyxantilopen. Da, wo die meisten Tiere nicht hinreichten, zupften die stolzen Giraffenbewohner das letzte Blattgrün ab. So allmählich kam im Park Wuhling auf, Safarifahrzeuge knatterten aus mehreren Richtungen den Wasserstellen entgegen, um das Kompaktprogramm einzufangen, denn so wie wir unseren Morgenkaffee brauchten, lechzten auch die Tiere nach Wasser.
Die Schaulustigen wollten die Tierversammlung hautnah erleben und drängten in die ersten Ränge. So langsam wurde ich quirlig. „Carl, beeile dich, wenn wir schnell sind, erhaschen wir auch noch einen Logenplatz.“ Er gab Gas und zog eine salzstaubige Bahn hinter sich.
Geschafft, der Bühnenvorhang öffnete sich. Das Tierspektakel wurde von den langhalsigen Giraffen beherrscht, die in Kreuzbeinstellung den Durst stillten. Fast ein artistischer Akt!
Mia kommentierte: „Ein Glücksfall, so lange die Big Fivers nicht im Anmarsch sind. Die Löwen, Elefanten, Büffel, Leoparden und Nashörner gehören zu den gefährlichsten Tierarten im afrikanischen Busch!“
Klick, klick und wir pirschten weiter in eine öde wirkende Region, total eingesalzen. Gepuderte Termitenhügel waren das Herausragende. Doch schlagartig veränderte sich die Kulisse, als wir auf ein anderes Wasserloch zusteuerten. Elefanten, Zebras, Gnus und Flamingos tummelten sich in bunter Eintracht. Man vernahm ein Schlürfen, Schöpfen, Saugen und Prusten. Wildschweine rüsselten im Uferschlamm. „So friedlich geht es nicht immer zu!“
In der Mittagshitze gerieten auch die Tiere in den Trägheitszustand. Nirgendwo eine Klimaanlage oder ein kühler Lufthauch, also suchten sie Schutz im Baum- und Strauchschatten. Dicht aneinandergeschmiegt gaben Antilopengruppen ein Hörnerschwungbild ab. Ebenso hatten sich die Kudus militärisch exakt unter einem Sonnenblätterdach formiert. Das glänzende Fell der Pferdeantilopen leuchtete uns fröhlich entgegen. Fiesta!
„Nutzt ihr diesen Wildreichtum im Park nur für den Tourismus?“, wollte ich wissen. Hanna hatte die Antwort parat: „Überzählige Tiere werden zur Nachzucht, zur Versteigerung oder Fleischverarbeitung freigegeben. Manche fallen den Big Fives zum Fraß, einige verdursten. Am Widerwärtigsten ist es aber, wenn Wilderer den Trophäen nachjagen und vielen Gattungen ein miserables Kadaverschicksal bereiten.“
Großwildmomentaufnahmen! Während sich Springböcke und Kudus bereits ein feuchtfröhliches Stelldichein gaben, nahten die weiß gepuderten Queen-Elefanten gemächlich einherstampfend. Straußenvögel versuchten, sich in den Reigen zu drängen, erhielten aber keinen Spielraum. Plötzlich entfachte ein Tumult. Elefantenzoff! Rüssel umschlungen sich, Ohren umwedelten die Köpfe und riesige Körper prallten gegeneinander. Galante Ausweichmanöver und ein kräftiger Rüsselstups in das Hinterteil des Gegenübers belustigten uns. „So etwas hat ja die Welt noch nicht gesehen!“, triumphierte ich. „Duell der Wildgiganten!“ „Mag wohl ein Eifersuchtsakt gewesen sein. Beide begehren dieselbe Elefantenkuh, die im Abseits posiert! In derartigen Situationen sind sich Zwei- und Vierbeiner ähnlich.“, meinte Rosi.
Szenenwechsel! Wir wurden Wettkampfrichter, als die Zebras ein gigantisches Salzpfannenrennen veranstalteten. Jeder gegen jeden! Schwänze wedelten, Köpfe verdrehten sich und Beine liefen. Am Ziel waren alle Sieger und wir genossen den gestreiften Spaß.
„Verdammt, wenn wir nicht bald eine Löwenmähne aufspüren, zweifle ich an meinen früheren Begegnungen. Genau hier hatten wir im vorigen Sommer die unvergesslichsten Erlebnisse mit der Königsklasse!“, fluchte Hanna. „Lauter Zebras und Bockies, nirgendwo eine Raubkatze! Leckt uns doch am Arsch, wir suchen uns ein anderes Vergnügen!“, monierte Mia.
Fliegender Fahrerwechsel. Nun setzte sich Mia hinter das Lenkrad und Carl übernahm die Information: „Das mächtigste Raubtier Afrikas ist der Löwe. Er kann mit nur einem Prankenhieb verheerende Wunden schlagen und ist nachtsichtig. So gelingt es ihm, seine Beute im Dunkeln zu jagen. Diese Tiere leben in Rudeln und erkennen sich am Gebrüll. Zebras, Giraffen, Büffel und Antilopen sind ihre bevorzugte Beute.“
Etwas traurig über den misslungenen Pirscherfolg traten wir den Rückzug an und verweilten auf einem Höhenzug. Vor uns erstreckte sich das Etoshapfannen-Panorama, weiß glitzernd und einzigartig. Abendstimmung kam auf, es wurde leicht kühler, einfach erträglicher. Ein phänomenales Horizontspektrum, vom Sternenhimmel gekrönt, hielt uns gefangen. Lichtschweife schwebten über uns mit bizarren Farbnuancen, tiefblau, weinrot, gelborange, violett-schwarz und grau. Augenblicklich explodierte dieses Panorama und Traumspuren offenbarten sich. Wir erstarrten vor der Königsklasse Löwenpracht. Ein einsam gewaltiges Exemplar relaxte friedlich, unweit der Fahrspur unter einem Baum, beim Abendgebet: Lieber Gott, beschere mir für diese Nacht reiche Beute!“
Mia brachte den VW-Bus zum Halten und wir griffen zum Fernglas, um das Tier auf Augenhöhe erfassen zu können. „Ob der Löwe schläft, in die Landschaft späht oder sich auf die nächtliche Jagd vorbereitet, weiß man nie. In jedem Fall geht von ihm größte Gefahr aus!“, gab Hanna zu bedenken.
„Manchmal wünsche ich mir, die Gedanken anderer Lebewesen lesen zu können, um gescheiter zu werden. Aber eins steht fest, wir passen nicht in das Löwen- Beuteschema!“, bemerkte ich.
„Vielleicht belauert er aber auch die Kuduherde dort drüben und wartet darauf, ein abgeschlagenes Tier niederstrecken zu können.“
Rosi spann den Faden weiter: „Der Todesschrei eines Opfertieres bedeutet Gefahr für den Jäger. Eilt die Herde herbei, ist der Löwe chancenlos.“
Uns fehlte die Zeit, um auf die Entwicklung der Geschehnisse zu warten. Also peilten wir den nächsten Wasserspaß an, wo bereits eine Touristenansammlung herrschte. Nur mit Mühe fanden wir eine Beobachtungslücke. „Hurra, ein Elefantenpool! Bei diesen Safaris habe ich mich bedingungslos in diese Dickhäuter verliebt, kolossal und doch gefühlvoll!“
Schon konnten wir das Erfrischungsvergnügen von fünf gewaltig großen Queenelefanten beobachten. Eine Elefantenkuh schlängelte ihren Rüssel ins kühle Nass und schöpfte den Rüsselschlauch mit kunstvollen Drehungen voll. Mit Schwung und Geschick landete das Wasser im Maul. „Prost!“, dachte ich.
Der Bulle zelebrierte ein völlig anderes Saufritual. Er füllte seinen Rüssel und gab ein Spritzbad auf seine Füße ab. Danach wurde die Rüsseldusche systematisch zur Erfrischung des gesamten Körpers. Ich schoss fantastische Fotos durch die Fensteröffnung. Im selben Moment sprang ein Pirschmensch mit seiner Kamera zwischen den Fahrzeugen rum und drängte nach vorne. „Ein Lebensmüder!“, schrie Mia. „Diese Chaoten gibt es überall!“
Mittagshungrig stoppten wir im Etosha-Camp und steuerten den-Imbiss an, teuer und wenig schmackhaft. Trotzdem kauften wir Getränke, Souvenirs und machten Pullerpause. „Pfui Teufel, sind die Toiletten ekelhaft! Hier wird nur abgezockt, seit das Camp in Regierungshand ist.“, schimpfte Mia.
Die Parkanlage selbst bot aber so manche Attraktionen, die für mich eine neue Endeckung waren. Also verweilten wir ein Stündchen im Tierpanorama hautnah. Im Osten hatte man eine komfortable Wohnanlage errichtet, visavis lag das Wildtierreich, getrennt durch ein Wasserbad. Auf der einen Seite vergnügte sich die Tierwelt und auf der anderen lauschten wir. Naturtheater vom Feinsten. In den Beobachtungsrängen waren sogar Hochsitze angelegt, damit man das Geschehen besser überschauen konnte. Einfach sensationell, wie sich Mensch und Tier von Angesicht zu Angesicht gegenüber standen. Man schaute der Gefahr förmlich ins Auge, lediglich durch eine Wassergrenze getrennt. Hanna konnte von diesem magischen Ort eine merkwürdige Begebenheit preisgeben: „Beim Grillfest der Touristen ist es mehrfach vorgekommen, dass Fleischstücke plötzlich vom Rost verschwunden waren. Wie das, fragte man sich? Listige Löffelhunde, die abends durch die Steppe pirschten, wurden vom Geruch des Grillfleisches angelockt. Sie suchten sich eine Lücke im Absperrzaun und schlichen den verführerischen Düften nach. Blitzartig stibitzten sie, was unbemerkt zu holen war. Seit diesen Vorfällen darf nur noch an zentral bewachten Plätzen gebruzzelt werden.“
Zum Abschluss der Besichtigung erkletterten Carl und ich noch einen Aussichtsturm, von dem aus wir unsere Blicke weit in das Land schicken konnten. Bemerkenswert erschienen mir die Kontraste zwischen Berg und Tal deren Farben von Grau über Braun und Rot bis hin zum satten Grün wechselten.
Überdimensionale Webervögelnester schienen mich fast zu erdrücken. Faszinationsgeladen rang ich nach Luft. Traum oder Wirklichkeit? Jeder Tag verzückte mich aufs Neue und ließ meine Liebe zu diesem Land wachsen.
Dämmerparty im Camp! Als wir zum Abendessen kamen, war richtig was los. Die Bude war voll. Bustouristen hielten die Restaurantplätze besetzt. Flexibel wie wir waren, fanden wir im Badewannenbereich eine Sitzgelegenheit. Hier hatten helle Köpfe Wannen zu Sesseloasen umfunktioniert, einzigartig abartig, aber originell gemütlich. Jedenfalls hatten wir unseren Spaß.
Mittwochmorgen, das Etosha-Gelände lag uns zu Füßen und wir waren bereit, uns einem neuen Tagspiel zu ergeben. Erwartungsvoll begaben wir uns auf Abenteurereise, etwas wehleidig, denn es war unsere letzte Stipvisite in diesem Widtierparadies.  
Ein Wasserloch mit bekannter Tierversammlung, Staubwolken, glitzernde Salzpfützen und frohe Gemüter belebten das Morgengrauen. Ich wollte alles einfangen und mit nach Deutschland nehmen, was es hier an Außergewöhnlichem gab. Auch als uns die Mittagsglut überschüttete, gingen wir auf die Pirsch. Der Himmelsplanet sendete unerbittliche Signale zur Erde. Die Vierbeiner hatten sich bereits den Schattenspielen hingegeben, schoben, schubsten, drängelten und wurden unruhig. Giraffen schienen mit einem Futterbaum verwachsen zu sein und Elefanten suhlten sich ohne Unterlass im Schlamm. „Bei den Temperaturen müssen sie aufpassen, dass ihre Körper nicht austrocknen. Der  afrikanische  Elefant, das größte Landtier, braucht pro Tag etwa 50 Liter Wasser, um den Durst zu stillen. Nashörner, die wir seltener zu Gesicht bekommen, halten es dagegen einen ganzen Tag lang ohne Flüssigkeit aus!“, wusste Carl.
Man spürte förmlich, dass etwas in der Luft lag. Mit einem Mal starrten wir alle gen Himmel, der sich in Sekundenschnelle in einen bedrohlichen Wolkenschleier gehüllt hatte. Wie aus dem Nichts zwirbelte sich ein Wirbelsturm auf. Spiralförmig geisterten Sandformationen in die Höhe. Ich sperrte Mund und Ohren auf, dieser Zauber der Natur war mir neu. Die Sandgespenster wuchsen bedrohlich. „Besteht jetzt Unwettergefahr? Sollten wir uns nicht lieber in Sicherheit bringen?“, bibberte ich. „Noch haben wir Zeit, die Stürme toben erst in der Ferne. Man muss beobachten, wo sie hinziehen. Manchmal verschwinden sie wieder wie eine Fata Morgana!
„Wir fahren zur Sicherheit zum Camp zurück!“ Eine Staubwolke machte uns blind, als ein rasanter Raser auf der Überholspur vorbeidüste. „So ein Idiot!“, schimpfte Hanna.
In unseren Unterkünften angekommen, mixte uns Mia einen Mutmacher, natürlich Red Shandy. Der Drink beruhigte uns wieder und die Wetterlage tat es ebenso. Also stürmten wir den Poolbereich, sicherten uns ein Oaseplätzchen und beobachteten gekonnt, wie der Sandschweif immer weiter Richtung Osten abdriftete. Merkwürdigerweise entlud sich nicht ein einziges Regentröpfchen, während es anderswo zu Starkregen kam. Wir schüttelten den Angstschweiß im Wasserbecken ab und machten uns am Abend zum Abschiedsessen ladychic. Diese atemberaubenden  Etosha-Tage sollten einen krönenden Abschluss finden. 
Letzmalig speisten wir  fürstlich afrikanisch im Vergnügungszentrum, lauschten den Klängen der Hausband, die sogar Beatlessongs im Repertoire hatte. So ließen wir Körper und Seele baumeln. Auf dem Weg zu den Rundhütten blieben unsere Sinne an einem unglaublich leuchtenden Sternenfirmament haften. Ich entdecke gerade den Nordpolarstern, als es „Schwups!“ machte und eine Sternschnuppe direkt an mir vorbei flimmerte. Völlig losgelöst sprach ich einen Herzenswunsch ganz leise  aus. Auch an unserem letzten Safari-Tourtag erlagen wir dem Charme der Wildnis. Schakale schlichen zwischen Straßenstelzen und Kudubeinen rum, was sehr lustig anzuschauen war. Und dann entdeckte ich etwas sehr Seltsames. „Welch ein ungewohnter Anblick, das ist ja ein Rabenfeld. Wachsen die Federtiere hier?“, unkte ich.
Rosi lachte herzhaft: „Diese schwarzen Vögel haben hier ihr Brutgebiet und sichern ihre Nester gegen Schlangenräuber ab. Das Wunder Natur hat jedem Tier einen eigenen Charakter und ein Tarnkleid gewebt.“
„Nirgendwo wird einem der Kreislauf des Lebens besser bewusst gemacht, wie in Namibia und darum liebe ich euer Reich.“
Ein Nashorn am Wegesrand ließ Carl plötzlich stoppen. „Hallo Spitzmaul, schön, dass du auf uns gewartet hast. So ein gewichtiges Exemplar wie dich sieht man nicht alle Tage und schon gar nicht mit Horn. Scheinst auch friedfertig zu sein!“, begann Hanna die Unterhaltung. „Hörnerjäger, die hier im Park zur Strecke gebracht werden, erfahren harte Strafen. Wusstet ihr schon, dass das Horn zermahlen wird und mit Beimengungen als Potenzmittel gewinnbringend auf dem Weltmarkt zum Verkauf angeboten wird?“ „Oh wie widerwärtig!“, rief ich aus.
Die Pfanne war wieder am Dampfen, mindestens 40°C. Man hätte Eier darin braten können, aber darauf hatte jetzt niemand Appetit. Wir griffen nur zur Wasserflasche. Verbrannte Erde, vertrocknetes Gras, verdörrte Sträucher und absterbende Bäume, die gespenstisch aus der Dürre ragten. Erstmals sichteten wir einige Tierkadaver, die vom Überlebenskampf zeugten. Lediglich den Steinbrocken hatte der Sonnenplanet kein Leid zufügen können.
Diese tristen Bilder stimmten mich traurig. „Etosha ist wie ein einzigartiges Drama der Naturarena, manchmal auch für Menschen!“, brachte es Carl auf den Punkt.
„Für Leute mit viel Geld werden Hubschrauberrundflüge angeboten. Ein Safarinarr nötigte einmal den Piloten, tiefer und immer tiefer zu fliegen. Er war in seiner Beobachtungsgier unersättlich, bis das Flugzeug abstürzte. Tags darauf hatte man nur noch die Knochengerüste der Männer ausmachen können. Vieles verliert sich in der Weite.“ Hanna wusste: „Einige Fotografenspinner haben ihren Wagemut auch schon mit dem Leben bezahlt.“
Zum Abschied glitzerten die ausgetrockneten Salzpfannen gespenstisch und doch hatte man hier dafür gesorgt, das die Tiere eine Überlebenschance bekamen.
Mia chauffierte uns nach Ombindja, einer Kleinstadt, teils modern, teils hüttentypisch. In den Randgebieten waren die Schwarzen angesiedelt und wo der Fortschritt deutlich wurde, lebten vorwiegend Weiße. Die Einen gebildet, die Anderen größtenteils ungebildet. Wer ein geregeltes Einkommen hatte, konnte sich eine Stadtwohnung leisten. Im Zentrum pulsierte das Leben, überall bewegte sich etwas Den Passanten schien es an nichts zu fehlen. Europäisch modern oder im Business-Stil gekleidet, durchschritten die Menschen stolz und zielstrebig die Innenstadt. Cafès und Restaurants säumten die Fußgängerzone. Ich zeigte mich total beeindruckt.
Als wir im Begriff waren, weiter zu fahren, fiel Rosi ein: „Halt! Da ist eine Apotheka. Muss unbedingt ein Verdauungsmittel haben. Langes Sitzen gefällt meinem Darm nicht!“ „Gute Idee, ich möchte Voltarensalbe kaufen, gibt es die hier auch?“
„Bei uns gibt es alles, bloß nicht an jeder Ecke und für jedermann erschwinglich.“, so Hanna.
Im Verkaufsraum wurden wir zu meinem Erstaunen deutschsprachig fachgerecht beraten. Lustige Kinderaugen starren uns an, weil wir fremdartig sprechen. Die  kleinen Wuschelköpfe versuchen, mit uns zu schäkern. Wir revanchieren uns für diese Zuneigung mit Gummibärchen. Kinderfreundschaft!
Vor unserem VW-Bus herrschte Tumult. Die Freundinnen redeten und gestikulierten mit einer obszönen Gestalt. Erstaunt beäugte ich die lehmverschmierte Ovahimba. Diese Frau, etwa fünfzig, sah erdig, halb nackt, runtergekommen und abgegriffen aus. „Will die etwa mit uns reisen?“, fragte ich so zum Spaß. „Du hast es erfasst. Sie will sogar noch mehr. Bis jetzt haben wir deinen Carl beschützt, nun kannst du das selbst tun!“, rief mir Mia entgegen.
„Was geht hier eigentlich ab?“, wollte Rosi wissen. Hanna gab empört Auskunft: „Die will Carl heiraten! Ist richtig frech geworden und lässt sich nicht abwimmeln.“ „Es gibt viele alleinstehende bedauernswerte Geschöpfe, die sich auf diese Weise ein besseres Leben erkämpfen wollen.“, hörte ich.
Sichtlich schmunzelnd, überließ ich meinen Namibia-Damen die Klärung des Problems. Mich hätte sie ja sowieso nicht verstanden. Etwas entspannter geworden, setzten wir die Weiterfahrt fort und ich war begierig darauf zu erfahren, wie das Wortgefecht geendet hatte. „Das Ovahimbaweib suchte eine Zukunft und war sogar bereit, als Zweitfrau mitzukommen.“ „Die hat gestunken und neben ihren Worten wippten die Brüste griffbereit.“, empörte sich Hanna. „Solche Schlampen prostituieren sich überall. Rote Erde, ihr Sonnenschutz, haftet oft tagelang auf Haut und Haar. Zum Schluss schrie sie noch, dass der Doktor ihr bestätigt hat, aidsfrei zu sein.“, ergänzte Mia.
„Ich erinnerte mich, neben der Apotheka war eine Arztpraxis, vor deren Tür die Leute sogar wartend im Dreck saßen. Über diesen ominösen Zwischenfall haben wir im Nachhinein noch oft gelacht. Carl schwieg zu allem. Ihm hatte es wohl die Sprache verschlagen. Auf solche unmoralischen Angebote stand er definitiv nicht.
Auf dem Marktplatz in Swakopmund waren mir diese armen Geschöpfe vor zwei Jahren bereits aufgefallen. Sie hockten mit ihrer Kinderschar auf dem Erdboden und verkauften recht hübschen Schmuck. Echte Handarbeit! Diverse Ketten, Ringe und Armbänder zierten die eigenen Körper.
Nun erzählte Hanna: „Die Ovahimba, eine Untergruppe der Hereros, lebte als Hirtenvolk von Ziegen, Kuhmilch und Pflanzen. Ihre Hütten sind noch heute recht primitiv gebaut. Einfache Gebilde aus Sprößlingen, die mit den Blättern der Makalanipalme zusemmengebunden sind. Zum Abdichten wird Dunk verwendet. Die Behausungen müssen leicht demontierbar und transportabel sein. Man zieht den Tieren nach, um den Lebensunterhalt abzusichern. Diese Ureinwohner sind stets auf der Suche nach Weidegrund. Bis zu zehn mal im Jahr wird ein Esel mit Hab und Gut beladen, um dorthin umzusiedeln, wo fruchtbares Gelände ist.“
„Diese Lebensart klingt für uns Europäer unvorstellbar!“
Wir setzten unsere Fahrt nach Süden fort, dem Atlantik und der Heimatstadt meiner Freunde entgegen. Es standen noch einige Erkundungen auf unserem Veranstaltungsplan.
„Swakopmund, die Metropole der Deutschen seit 1862. Sie entwickelten die Stadt zu einem Handelszentrum und Ferienparadies. Heute leben 17 Millionen Menschen, schwarz, weiß und verschiedenster Stammeszugehörigkeit, zusammen.“, leitete Hanna ein.
Die Reize dieser Weltmetropole und das Deutschtum hatte ich bereits bei meinem ersten Besuch in hier eingefangen. Also freute ich mich auf Kultur, Familienbegegnungen und weitere Überraschungen.
Je näher wir diesem Ziel kamen, um so kühler wurde es. Wolkenstreifen bremsten die intensiven Sonnenstrahlen aus. Einfach angenehm erfrischend! Mia und Hanna whatsappten bereits ihre Ankunft, obwohl noch ein langer Weg vor uns lag. Aber in Namibia sind endlose Strecken normal.
Imbiss-Stopp in Kalkfeld. Dieser Ort hatte sich bereits bei meiner ersten Begegnung von einer düsteren Seite gezeigt. Inzwischen sah es nicht viel wohnlicher aus. Pröckelnde Hausfassaden, Dreckecken an den Straßenrändern und in den Grünanlagen. Unfertige Bauwerke und herumhängende Männergrüppchen schreckten mich ab. „Diese Entwicklung verstehe ich nicht. In dem Ort hat sich ja inzwischen so gut wie nichts verändert, das  sichtbar ist. Aber aus einer deutschen Zeitung weiß ich, dass es ein Projekte für ein Waisenhaus im namibischen Kalkfeld gibt. Ein Herr Dirk Rohrmann hat  dieses Kinderheim  gegründet, um Not zu lindern. Die Einrichtung kann nur von Spenden leben, da es keine staatlichen Fonds dafür gibt. Dank seiner Initiativen konnte das Gebäude von 32 Plätzen auf 58 aufgestockt werden. Sogar aus unserer Region  kommen die Spenden!“, bemerkte ich fassungslos. Carl erzählte: „Unter schwarzer Herrschaft wurde aus diesem wichtigen Handelszentrum ein bedeutungsloses Städtchen. Es wird Zeit, dass Kalkfeld wieder zur Geschäftsmetropole erblüht.“
Eine Welle Fortschritt kam ins Rollen. Die Hauptverkehrsstraße, die wir befuhren, verlief fast parallel zur Eisenbahnlinie. An vielen Abschnitten wurde noch gebaut. Unverhofft gab es einen Ruck und meine Nase klebt fast am Autofensterglas. Erschrocken blickte ich in eine Wildschweinvisage, zwei Keilerzähne schienen uns blockieren zu wollen. Letztendlich wich die Angriffslust der PS-Stärke.







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen